Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Auch diesen Einfall vollführt' er: machte
ganz geschickt die Saalthüre wieder zu, und
entfernte sich, von Niemanden im ganzen Hau-
se, wie er glaubte, bemerkt. -- Kurz drauf
kam die Nätherin heim; an der Saalthüre
spürte sie nichts; aber beim ersten Eintritt ins
Zimmer vermißte sie sofort ihr Kästchen; denn
gerade dessentwegen kam sie wieder nach Hause;
es waren Spitzen von einigen hundert Livres
am Werthe drinnen; sie hatte solche vorher
schon zu der Herrschaft, der sie gehörten, und
von welcher sie dieselben zum Ausbessern er-
halten, nach Hause tragen wollen, aber un-
glücklicherweise über andern Dingen sie ver-
gessen. Jezt, als solche verschwunden waren,
erhob sie ein lautes Geschrei. Jm ganzen
Hause lief sie herum; erzälte jedermann, daß
sie bestohlen worden sey; fragte, ob man keine
Spur von den Dieben ihr geben könne? und
überließ sich bei einem Verlust, der ihr so un-
ersezlich schien, der äußersten Verzweiflung.

Auch dieſen Einfall vollfuͤhrt' er: machte
ganz geſchickt die Saalthuͤre wieder zu, und
entfernte ſich, von Niemanden im ganzen Hau-
ſe, wie er glaubte, bemerkt. — Kurz drauf
kam die Naͤtherin heim; an der Saalthuͤre
ſpuͤrte ſie nichts; aber beim erſten Eintritt ins
Zimmer vermißte ſie ſofort ihr Kaͤſtchen; denn
gerade deſſentwegen kam ſie wieder nach Hauſe;
es waren Spitzen von einigen hundert Livres
am Werthe drinnen; ſie hatte ſolche vorher
ſchon zu der Herrſchaft, der ſie gehoͤrten, und
von welcher ſie dieſelben zum Ausbeſſern er-
halten, nach Hauſe tragen wollen, aber un-
gluͤcklicherweiſe uͤber andern Dingen ſie ver-
geſſen. Jezt, als ſolche verſchwunden waren,
erhob ſie ein lautes Geſchrei. Jm ganzen
Hauſe lief ſie herum; erzaͤlte jedermann, daß
ſie beſtohlen worden ſey; fragte, ob man keine
Spur von den Dieben ihr geben koͤnne? und
uͤberließ ſich bei einem Verluſt, der ihr ſo un-
erſezlich ſchien, der aͤußerſten Verzweiflung.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0066" n="58"/>
          <p>Auch die&#x017F;en Einfall vollfu&#x0364;hrt' er: machte<lb/>
ganz ge&#x017F;chickt die Saalthu&#x0364;re wieder zu, und<lb/>
entfernte &#x017F;ich, von Niemanden im ganzen Hau-<lb/>
&#x017F;e, wie er glaubte, bemerkt. &#x2014; Kurz drauf<lb/>
kam die Na&#x0364;therin heim; an der Saalthu&#x0364;re<lb/>
&#x017F;pu&#x0364;rte &#x017F;ie nichts; aber beim er&#x017F;ten Eintritt ins<lb/>
Zimmer vermißte &#x017F;ie &#x017F;ofort ihr Ka&#x0364;&#x017F;tchen; denn<lb/>
gerade de&#x017F;&#x017F;entwegen kam &#x017F;ie wieder nach Hau&#x017F;e;<lb/>
es waren Spitzen von einigen hundert Livres<lb/>
am Werthe drinnen; &#x017F;ie hatte &#x017F;olche vorher<lb/>
&#x017F;chon zu der Herr&#x017F;chaft, der &#x017F;ie geho&#x0364;rten, und<lb/>
von welcher &#x017F;ie die&#x017F;elben zum Ausbe&#x017F;&#x017F;ern er-<lb/>
halten, nach Hau&#x017F;e tragen wollen, aber un-<lb/>
glu&#x0364;cklicherwei&#x017F;e u&#x0364;ber andern Dingen &#x017F;ie ver-<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;en. Jezt, als &#x017F;olche ver&#x017F;chwunden waren,<lb/>
erhob &#x017F;ie ein lautes Ge&#x017F;chrei. Jm ganzen<lb/>
Hau&#x017F;e lief &#x017F;ie herum; erza&#x0364;lte jedermann, daß<lb/>
&#x017F;ie be&#x017F;tohlen worden &#x017F;ey; fragte, ob man keine<lb/>
Spur von den Dieben ihr geben ko&#x0364;nne? und<lb/>
u&#x0364;berließ &#x017F;ich bei einem Verlu&#x017F;t, der ihr &#x017F;o un-<lb/>
er&#x017F;ezlich &#x017F;chien, der a&#x0364;ußer&#x017F;ten Verzweiflung.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0066] Auch dieſen Einfall vollfuͤhrt' er: machte ganz geſchickt die Saalthuͤre wieder zu, und entfernte ſich, von Niemanden im ganzen Hau- ſe, wie er glaubte, bemerkt. — Kurz drauf kam die Naͤtherin heim; an der Saalthuͤre ſpuͤrte ſie nichts; aber beim erſten Eintritt ins Zimmer vermißte ſie ſofort ihr Kaͤſtchen; denn gerade deſſentwegen kam ſie wieder nach Hauſe; es waren Spitzen von einigen hundert Livres am Werthe drinnen; ſie hatte ſolche vorher ſchon zu der Herrſchaft, der ſie gehoͤrten, und von welcher ſie dieſelben zum Ausbeſſern er- halten, nach Hauſe tragen wollen, aber un- gluͤcklicherweiſe uͤber andern Dingen ſie ver- geſſen. Jezt, als ſolche verſchwunden waren, erhob ſie ein lautes Geſchrei. Jm ganzen Hauſe lief ſie herum; erzaͤlte jedermann, daß ſie beſtohlen worden ſey; fragte, ob man keine Spur von den Dieben ihr geben koͤnne? und uͤberließ ſich bei einem Verluſt, der ihr ſo un- erſezlich ſchien, der aͤußerſten Verzweiflung.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/66
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/66>, abgerufen am 23.11.2024.