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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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Jemanden überworfen hätte, wußte man
nicht. Denn Mörder hatte man mit gezognem
Säbel dem Weggehenden nacheilen gesehen.
Weiter war sich freilich nicht um ihn beküm-
mert worden. -- Alles was die Richter da-
her auf eine solche Aussage thun zu können
glaubten, war: daß sie die Todesstrafe des
Rades in Erschießung verwandelten. Der
Jnquisit selbst dankte ihnen für diese Milde,
und bereitete sich zu seinem Ende, so gut er
konnte. Am anberaumten Tage ward er
hinausgeführt, und in den Kreis gebracht.
Dort las man ihm nochmals sein Urtheil vor;
der Priester segnete ihn ein; er kniete bereits
nieder; die Augen wurden ihm, nach gewöhn-
licher Art, verbunden; sechs Mann, die auf
ihn feuern sollten, standen schon zum Anschla-
ge bereit; und der Offizier, der das tödtliche
Zeichen geben muste, grif nun so eben nach
dem weissen, dazu bestimmten Tuche; als ein
Soldat, der im ersten Gliede jener sechs Beor-
derten stand, plötzlich sein Gewehr wegwarf;

Jemanden uͤberworfen haͤtte, wußte man
nicht. Denn Moͤrder hatte man mit gezognem
Saͤbel dem Weggehenden nacheilen geſehen.
Weiter war ſich freilich nicht um ihn bekuͤm-
mert worden. — Alles was die Richter da-
her auf eine ſolche Ausſage thun zu koͤnnen
glaubten, war: daß ſie die Todesſtrafe des
Rades in Erſchießung verwandelten. Der
Jnquiſit ſelbſt dankte ihnen fuͤr dieſe Milde,
und bereitete ſich zu ſeinem Ende, ſo gut er
konnte. Am anberaumten Tage ward er
hinausgefuͤhrt, und in den Kreis gebracht.
Dort las man ihm nochmals ſein Urtheil vor;
der Prieſter ſegnete ihn ein; er kniete bereits
nieder; die Augen wurden ihm, nach gewoͤhn-
licher Art, verbunden; ſechs Mann, die auf
ihn feuern ſollten, ſtanden ſchon zum Anſchla-
ge bereit; und der Offizier, der das toͤdtliche
Zeichen geben muſte, grif nun ſo eben nach
dem weiſſen, dazu beſtimmten Tuche; als ein
Soldat, der im erſten Gliede jener ſechs Beor-
derten ſtand, ploͤtzlich ſein Gewehr wegwarf;

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[68/0076] Jemanden uͤberworfen haͤtte, wußte man nicht. Denn Moͤrder hatte man mit gezognem Saͤbel dem Weggehenden nacheilen geſehen. Weiter war ſich freilich nicht um ihn bekuͤm- mert worden. — Alles was die Richter da- her auf eine ſolche Ausſage thun zu koͤnnen glaubten, war: daß ſie die Todesſtrafe des Rades in Erſchießung verwandelten. Der Jnquiſit ſelbſt dankte ihnen fuͤr dieſe Milde, und bereitete ſich zu ſeinem Ende, ſo gut er konnte. Am anberaumten Tage ward er hinausgefuͤhrt, und in den Kreis gebracht. Dort las man ihm nochmals ſein Urtheil vor; der Prieſter ſegnete ihn ein; er kniete bereits nieder; die Augen wurden ihm, nach gewoͤhn- licher Art, verbunden; ſechs Mann, die auf ihn feuern ſollten, ſtanden ſchon zum Anſchla- ge bereit; und der Offizier, der das toͤdtliche Zeichen geben muſte, grif nun ſo eben nach dem weiſſen, dazu beſtimmten Tuche; als ein Soldat, der im erſten Gliede jener ſechs Beor- derten ſtand, ploͤtzlich ſein Gewehr wegwarf;

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/76>, abgerufen am 23.11.2024.