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Meißner, Alfred: Die Prinzessin von Portugal. Breslau u. a., 1882.

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aber Millionen von Wogen waren an das Fahrzeug herangerollt, nicht aber, um es zu schädigen, sondern hilfreich vorwärts zu treiben. So hatte man Sicilien umsegelt und durchschiffte jetzt die griechischen Gewässer ihrer ganzen Länge nach.

Als endlich die langgestreckte Küste von Kleinasien mit der Insel Rhodus, die nur wenige Meilen entfernt von derselben liegt, zum Vorschein gekommen war, gab die Prinzessin die Gewohnheit, die Kajüte nur zur Nachtzeit zu verlassen, auf und zeigte sich auch bei Tage, häufig selbst für längere Zeit, auf dem Verdecke. Stundenlang saß sie da, die Augen auf den kleinen Punkt am fernen Horizont unverwandt gerichtet, welcher sich zusehends vergrößerte, bald zu einem Gebirge heranwuchs und in seiner wahren Gestalt immer deutlicher hervortrat. Wie oft mußte Graf Albrecht, wenn er Dona Diafanta still beobachtete, aufseufzen und es beklagen, daß eine so große Liebe und Sehnsucht einem Anderen gelte!

Noch eine Nacht, und endlich war Rhodus in früher Morgenstunde erreicht. Im Lichte der aufgehenden Sonne glänzte die berühmte, ehemals dem Sonnengotte geweihte

aber Millionen von Wogen waren an das Fahrzeug herangerollt, nicht aber, um es zu schädigen, sondern hilfreich vorwärts zu treiben. So hatte man Sicilien umsegelt und durchschiffte jetzt die griechischen Gewässer ihrer ganzen Länge nach.

Als endlich die langgestreckte Küste von Kleinasien mit der Insel Rhodus, die nur wenige Meilen entfernt von derselben liegt, zum Vorschein gekommen war, gab die Prinzessin die Gewohnheit, die Kajüte nur zur Nachtzeit zu verlassen, auf und zeigte sich auch bei Tage, häufig selbst für längere Zeit, auf dem Verdecke. Stundenlang saß sie da, die Augen auf den kleinen Punkt am fernen Horizont unverwandt gerichtet, welcher sich zusehends vergrößerte, bald zu einem Gebirge heranwuchs und in seiner wahren Gestalt immer deutlicher hervortrat. Wie oft mußte Graf Albrecht, wenn er Dona Diafanta still beobachtete, aufseufzen und es beklagen, daß eine so große Liebe und Sehnsucht einem Anderen gelte!

Noch eine Nacht, und endlich war Rhodus in früher Morgenstunde erreicht. Im Lichte der aufgehenden Sonne glänzte die berühmte, ehemals dem Sonnengotte geweihte

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[108/0116] aber Millionen von Wogen waren an das Fahrzeug herangerollt, nicht aber, um es zu schädigen, sondern hilfreich vorwärts zu treiben. So hatte man Sicilien umsegelt und durchschiffte jetzt die griechischen Gewässer ihrer ganzen Länge nach. Als endlich die langgestreckte Küste von Kleinasien mit der Insel Rhodus, die nur wenige Meilen entfernt von derselben liegt, zum Vorschein gekommen war, gab die Prinzessin die Gewohnheit, die Kajüte nur zur Nachtzeit zu verlassen, auf und zeigte sich auch bei Tage, häufig selbst für längere Zeit, auf dem Verdecke. Stundenlang saß sie da, die Augen auf den kleinen Punkt am fernen Horizont unverwandt gerichtet, welcher sich zusehends vergrößerte, bald zu einem Gebirge heranwuchs und in seiner wahren Gestalt immer deutlicher hervortrat. Wie oft mußte Graf Albrecht, wenn er Dona Diafanta still beobachtete, aufseufzen und es beklagen, daß eine so große Liebe und Sehnsucht einem Anderen gelte! Noch eine Nacht, und endlich war Rhodus in früher Morgenstunde erreicht. Im Lichte der aufgehenden Sonne glänzte die berühmte, ehemals dem Sonnengotte geweihte

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Zitationshilfe: Meißner, Alfred: Die Prinzessin von Portugal. Breslau u. a., 1882, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_prinzessin_1882/116>, abgerufen am 15.05.2024.