Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Melander, Otto: [Joco-seria] Das ander theil dieses Schimpff vnd Ernsts. Bd. 2. Lich, 1605.

Bild:
<< vorherige Seite
CCCLXXXIII. Von einem andern
Priester.

MAnn findet Priester/ welche auff der
Cantzel für bringen/ was jhnen nur in
nund kompt/ dann die gute Herrn mei-
nen/ der gemeine man verstehe nicht/ ob
sie jhr Ampt wol oder vbel verrichten. Aber sie
mögen wissen/ daß man vnder dem gemeinen man
Leut findet/ welche wol vnd leichtlich mercken/ ob sie
sich zur Predigt gefast gemacht haben/ darumm wöl-
len wir diß Historien erzehlen. Jn Schwaben war
in einen Dorff ein Priester/ der war wol gelert gnug
allein er befleiset sich des zechens zu viel: Wann er
studiret/ so konnt er ein feine Predigt thun/ wenn
er aber beim Wein gewesen/ so macht er böß Ar-
beit. Nach gehaltener Predigt hielten dann die
Nachbarn ein Gesprech hierüber/ vnnd sagten: Es
must der gar ein Stock Fisch sein/ der nicht merck-
te/ daß vnser Pfarherr gestern voll gewesen/ dann
wie offt hat er sich im reden gestossen? Wie offt hat
or sich gereuspert? Wie offt hat er gespeutzet? Wie
offt hat er die Sand vhr beweget? Er hat in dieser
gantzen stund nicht ein eintzigen spruch auß Heili-
ger Schrifft ein geführet/ in summa/ er hatt arm[e]
betrübte arbeit gemacht. Da sie nun alle diß bezeug-
ten/ war koch keiner vnder jhnen/ der den Pfarherr
hierüber hette zu red gestellt/ ohn allein ein Alter
man/ welcher von wegen Reichthumb vnd ansehen
den andern vorgezogen ward/ der sagt/ er wolte mit
dem Pfarherr dahin reden/ daß er hinfürter besser
Predigten thun solte. Da nun der Pfarherr ohn
lengst hernach eine Predigt auß dem Ermeln
schüttelte/ welche gar nicht zusammen hing/ rieff
der Alt vnder den Predigen/ macht scharpff/ macht

scharpff.
CCCLXXXIII. Von einem andern
Prieſter.

MAnn findet Prieſter/ welche auff der
Cantzel fuͤr bringen/ was jhnen nur in
nund kompt/ dann die gute Herꝛn mei-
nen/ der gemeine man verſtehe nicht/ ob
ſie jhr Ampt wol oder vbel verrichten. Aber ſie
moͤgen wiſſen/ daß man vnder dem gemeinen man
Leut findet/ welche wol vnd leichtlich merckẽ/ ob ſie
ſich zur Predigt gefaſt gemacht haben/ darum̃ woͤl-
len wir diß Hiſtorien erzehlen. Jn Schwaben war
in einẽ Dorff ein Prieſter/ der war wol gelert gnug
allein er befleiſet ſich des zechens zu viel: Wann er
ſtudiret/ ſo konnt er ein feine Predigt thun/ wenn
er aber beim Wein geweſen/ ſo macht er boͤß Ar-
beit. Nach gehaltener Predigt hielten dann die
Nachbarn ein Geſprech hieruͤber/ vnnd ſagten: Es
muſt der gar ein Stock Fiſch ſein/ der nicht merck-
te/ daß vnſer Pfarherꝛ geſtern voll geweſen/ dann
wie offt hat er ſich im reden geſtoſſen? Wie offt hat
or ſich gereuſpert? Wie offt hat er geſpeutzet? Wie
offt hat er die Sand vhr beweget? Er hat in dieſer
gantzen ſtund nicht ein eintzigen ſpruch auß Heili-
ger Schrifft ein gefuͤhret/ in ſumma/ er hatt arm[e]
betruͤbte arbeit gemacht. Da ſie nun alle diß bezeug-
ten/ war koch keiner vnder jhnen/ der den Pfarherꝛ
hieruͤber hette zu red geſtellt/ ohn allein ein Alter
man/ welcher von wegen Reichthumb vnd anſehen
den andern vorgezogen ward/ der ſagt/ er wolte mit
dem Pfarherꝛ dahin reden/ daß er hinfuͤrter beſſer
Predigten thun ſolte. Da nun der Pfarherꝛ ohn
lengſt hernach eine Predigt auß dem Ermeln
ſchuͤttelte/ welche gar nicht zuſammen hing/ rieff
der Alt vnder den Predigen/ macht ſcharpff/ macht

ſcharpff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0456" n="430"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">CCCLXXXIII.</hi></hi> Von einem andern<lb/>
Prie&#x017F;ter.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">M</hi>Ann findet Prie&#x017F;ter/ welche auff der<lb/>
Cantzel fu&#x0364;r bringen/ was jhnen nur in<lb/>
nund kompt/ dann die gute Her&#xA75B;n mei-<lb/>
nen/ der gemeine man ver&#x017F;tehe nicht/ ob<lb/>
&#x017F;ie jhr Ampt wol oder vbel verrichten. Aber &#x017F;ie<lb/>
mo&#x0364;gen wi&#x017F;&#x017F;en/ daß man vnder dem gemeinen man<lb/>
Leut findet/ welche wol vnd leichtlich mercke&#x0303;/ ob &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich zur Predigt gefa&#x017F;t gemacht haben/ darum&#x0303; wo&#x0364;l-<lb/>
len wir diß Hi&#x017F;torien erzehlen. Jn Schwaben war<lb/>
in eine&#x0303; Dorff ein Prie&#x017F;ter/ der war wol gelert gnug<lb/>
allein er beflei&#x017F;et &#x017F;ich des zechens zu viel: Wann er<lb/>
&#x017F;tudiret/ &#x017F;o konnt er ein feine Predigt thun/ wenn<lb/>
er aber beim Wein gewe&#x017F;en/ &#x017F;o macht er bo&#x0364;ß Ar-<lb/>
beit. Nach gehaltener Predigt hielten dann die<lb/>
Nachbarn ein Ge&#x017F;prech hieru&#x0364;ber/ vnnd &#x017F;agten: Es<lb/>
mu&#x017F;t der gar ein Stock Fi&#x017F;ch &#x017F;ein/ der nicht merck-<lb/>
te/ daß vn&#x017F;er Pfarher&#xA75B; ge&#x017F;tern voll gewe&#x017F;en/ dann<lb/>
wie offt hat er &#x017F;ich im reden ge&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en? Wie offt hat<lb/>
or &#x017F;ich gereu&#x017F;pert? Wie offt hat er ge&#x017F;peutzet? Wie<lb/>
offt hat er die Sand vhr beweget? Er hat in die&#x017F;er<lb/>
gantzen &#x017F;tund nicht ein eintzigen &#x017F;pruch auß Heili-<lb/>
ger Schrifft ein gefu&#x0364;hret/ in &#x017F;umma/ er hatt arm<supplied>e</supplied><lb/>
betru&#x0364;bte arbeit gemacht. Da &#x017F;ie nun alle diß bezeug-<lb/>
ten/ war koch keiner vnder jhnen/ der den Pfarher&#xA75B;<lb/>
hieru&#x0364;ber hette zu red ge&#x017F;tellt/ ohn allein ein Alter<lb/>
man/ welcher von wegen Reichthumb vnd an&#x017F;ehen<lb/>
den andern vorgezogen ward/ der &#x017F;agt/ er wolte mit<lb/>
dem Pfarher&#xA75B; dahin reden/ daß er hinfu&#x0364;rter be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Predigten thun &#x017F;olte. Da nun der Pfarher&#xA75B; ohn<lb/>
leng&#x017F;t hernach eine Predigt auß dem Ermeln<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;ttelte/ welche gar nicht zu&#x017F;ammen hing/ rieff<lb/>
der Alt vnder den Predigen/ macht &#x017F;charpff/ macht<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;charpff.</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[430/0456] CCCLXXXIII. Von einem andern Prieſter. MAnn findet Prieſter/ welche auff der Cantzel fuͤr bringen/ was jhnen nur in nund kompt/ dann die gute Herꝛn mei- nen/ der gemeine man verſtehe nicht/ ob ſie jhr Ampt wol oder vbel verrichten. Aber ſie moͤgen wiſſen/ daß man vnder dem gemeinen man Leut findet/ welche wol vnd leichtlich merckẽ/ ob ſie ſich zur Predigt gefaſt gemacht haben/ darum̃ woͤl- len wir diß Hiſtorien erzehlen. Jn Schwaben war in einẽ Dorff ein Prieſter/ der war wol gelert gnug allein er befleiſet ſich des zechens zu viel: Wann er ſtudiret/ ſo konnt er ein feine Predigt thun/ wenn er aber beim Wein geweſen/ ſo macht er boͤß Ar- beit. Nach gehaltener Predigt hielten dann die Nachbarn ein Geſprech hieruͤber/ vnnd ſagten: Es muſt der gar ein Stock Fiſch ſein/ der nicht merck- te/ daß vnſer Pfarherꝛ geſtern voll geweſen/ dann wie offt hat er ſich im reden geſtoſſen? Wie offt hat or ſich gereuſpert? Wie offt hat er geſpeutzet? Wie offt hat er die Sand vhr beweget? Er hat in dieſer gantzen ſtund nicht ein eintzigen ſpruch auß Heili- ger Schrifft ein gefuͤhret/ in ſumma/ er hatt arme betruͤbte arbeit gemacht. Da ſie nun alle diß bezeug- ten/ war koch keiner vnder jhnen/ der den Pfarherꝛ hieruͤber hette zu red geſtellt/ ohn allein ein Alter man/ welcher von wegen Reichthumb vnd anſehen den andern vorgezogen ward/ der ſagt/ er wolte mit dem Pfarherꝛ dahin reden/ daß er hinfuͤrter beſſer Predigten thun ſolte. Da nun der Pfarherꝛ ohn lengſt hernach eine Predigt auß dem Ermeln ſchuͤttelte/ welche gar nicht zuſammen hing/ rieff der Alt vnder den Predigen/ macht ſcharpff/ macht ſcharpff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/melander_jocoseria02_1605
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/melander_jocoseria02_1605/456
Zitationshilfe: Melander, Otto: [Joco-seria] Das ander theil dieses Schimpff vnd Ernsts. Bd. 2. Lich, 1605, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/melander_jocoseria02_1605/456>, abgerufen am 21.11.2024.