Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.das Herz allzusehr an sinnlichen Lüsten klebt, Weit edler und dem Zwecke seiner Schule von
das Herz allzuſehr an ſinnlichen Luͤſten klebt, Weit edler und dem Zwecke ſeiner Schule von
<TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0101" n="95"/> das Herz allzuſehr an ſinnlichen Luͤſten klebt,<lb/> um der Vernunft Gehoͤr zu geben; wenn es auf<lb/> dem Punkte iſt, die Vernunft ſelbſt mir ins<lb/> Garn zu locken; ſo werde es hier vom Schauer<lb/> der Gottſeligkeit ergriffen, vom Feuer der An-<lb/> dacht entflammt, und lerne Freuden hoͤherer Art<lb/> kennen, die auch hienieden ſchon den ſinnlichen<lb/> Freuden die Wage halten. Und ihr wollt den<lb/> Kranken vor der Thuͤr abweiſen, der dieſe Ar-<lb/> zeney am meiſten bedarf; deſtomehr bedarf, je<lb/> weniger er dieſes Beduͤrfniß empfindet, und in<lb/> ſeinem Irrſinne, ſich geſund zu ſeyn einbildet?<lb/> Muß nicht vielmehr eure erſte Bemuͤhung ſeyn,<lb/> ihm dieſe Empfindung wieder zu geben, und<lb/> den gleichſam vom kaltem Brande bedroheten<lb/> Theil ſeiner Seele ins Leben zuruͤck zu rufen?<lb/> Statt deſſen verweigert ihr ihm alle Huͤlfe, und<lb/> laſſet den Ohnmaͤchtigen den moraliſchen Tod<lb/> dahin ſterben, dem ihr ihn vielleicht wuͤrdet<lb/> entriſſen haben.</p><lb/> <p>Weit edler und dem Zwecke ſeiner Schule<lb/> gemaͤßer, handelte jener Weltweiſe zu Athen.<lb/> Ein Epikurer kam von ſeinem Gelage, die Sinne<lb/> <fw place="bottom" type="catch">von</fw><lb/></p> </body> </text> </TEI> [95/0101]
das Herz allzuſehr an ſinnlichen Luͤſten klebt,
um der Vernunft Gehoͤr zu geben; wenn es auf
dem Punkte iſt, die Vernunft ſelbſt mir ins
Garn zu locken; ſo werde es hier vom Schauer
der Gottſeligkeit ergriffen, vom Feuer der An-
dacht entflammt, und lerne Freuden hoͤherer Art
kennen, die auch hienieden ſchon den ſinnlichen
Freuden die Wage halten. Und ihr wollt den
Kranken vor der Thuͤr abweiſen, der dieſe Ar-
zeney am meiſten bedarf; deſtomehr bedarf, je
weniger er dieſes Beduͤrfniß empfindet, und in
ſeinem Irrſinne, ſich geſund zu ſeyn einbildet?
Muß nicht vielmehr eure erſte Bemuͤhung ſeyn,
ihm dieſe Empfindung wieder zu geben, und
den gleichſam vom kaltem Brande bedroheten
Theil ſeiner Seele ins Leben zuruͤck zu rufen?
Statt deſſen verweigert ihr ihm alle Huͤlfe, und
laſſet den Ohnmaͤchtigen den moraliſchen Tod
dahin ſterben, dem ihr ihn vielleicht wuͤrdet
entriſſen haben.
Weit edler und dem Zwecke ſeiner Schule
gemaͤßer, handelte jener Weltweiſe zu Athen.
Ein Epikurer kam von ſeinem Gelage, die Sinne
von
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