Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783."ner Grundsteine das ganze Gebäude erschüttern, Dieser Einwurf dringet an das Herz. Ich Flehen
„ner Grundſteine das ganze Gebaͤude erſchuͤttern, Dieſer Einwurf dringet an das Herz. Ich Flehen
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0124" n="22"/> „ner Grundſteine das ganze Gebaͤude erſchuͤttern,<lb/> „wenn Sie das durch Moſen gegebene, auf goͤtt-<lb/> „liche Offenbarung ſich berufende Kirchenrecht<lb/> „beſtreiten?“</p><lb/> <p>Dieſer Einwurf dringet an das Herz. Ich<lb/> muß geſtehen, daß die Begriffe, die hier vom Ju-<lb/> dentume gegeben werden, bis auf einige Unbe-<lb/> hutſamkeit im Ausdrucke, ſelbſt von vielen mei-<lb/> ner Religionsbruͤder dafuͤr angenommen werden.<lb/> Waͤre nun dem in Wahrheit alſo, und ich davon<lb/> uͤberfuͤhret, ſo wuͤrde ich allerdings meine Saͤtze<lb/> mit Beſchaͤmung zuruͤcknehmen, und die Ver-<lb/> nunft unter dem Joche des Glaubens — doch<lb/> nein! was ſollte ich heucheln? Autoritaͤt kann<lb/> demuͤthigen, aber nicht belehren; ſie kann die<lb/> Vernunft niederſchlagen, aber nicht feſſeln.<lb/> Stuͤnde das Wort Gottes mit meiner Ver-<lb/> nunft in einem ſo offenbaren Widerſpruche, ſo<lb/> wuͤrde ich der letztern hoͤchſtens Stillſchweigen<lb/> gebieten koͤnnen; aber meine nicht widerlegten<lb/> Gruͤnde wuͤrden im geheimſten Winkel meines<lb/> Herzens nichts deſtoweniger wiederkehren, ſich in<lb/> beunruhigende Zweifel verwandeln, und die<lb/> Zweifel ſich in kindliche Gebere, in inbruͤnſtiges<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Flehen</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [22/0124]
„ner Grundſteine das ganze Gebaͤude erſchuͤttern,
„wenn Sie das durch Moſen gegebene, auf goͤtt-
„liche Offenbarung ſich berufende Kirchenrecht
„beſtreiten?“
Dieſer Einwurf dringet an das Herz. Ich
muß geſtehen, daß die Begriffe, die hier vom Ju-
dentume gegeben werden, bis auf einige Unbe-
hutſamkeit im Ausdrucke, ſelbſt von vielen mei-
ner Religionsbruͤder dafuͤr angenommen werden.
Waͤre nun dem in Wahrheit alſo, und ich davon
uͤberfuͤhret, ſo wuͤrde ich allerdings meine Saͤtze
mit Beſchaͤmung zuruͤcknehmen, und die Ver-
nunft unter dem Joche des Glaubens — doch
nein! was ſollte ich heucheln? Autoritaͤt kann
demuͤthigen, aber nicht belehren; ſie kann die
Vernunft niederſchlagen, aber nicht feſſeln.
Stuͤnde das Wort Gottes mit meiner Ver-
nunft in einem ſo offenbaren Widerſpruche, ſo
wuͤrde ich der letztern hoͤchſtens Stillſchweigen
gebieten koͤnnen; aber meine nicht widerlegten
Gruͤnde wuͤrden im geheimſten Winkel meines
Herzens nichts deſtoweniger wiederkehren, ſich in
beunruhigende Zweifel verwandeln, und die
Zweifel ſich in kindliche Gebere, in inbruͤnſtiges
Flehen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |