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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

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Die Bezeichnung der Begriffe ist also doppelt
nothwendig: einmal für uns selbst, gleichsam
als ein Gefäß, worinnen sie verwahrt, und zum
Gebrauch bey der Hand bleiben mögen, und so-
dann um unsere Gedanken anderen mittheilen
zu können. Nun haben die Laute, oder die hör-
baren Zeichen, in letzterer Rücksicht einigen Vor-
zug; denn wenn wir unsere Gedanken andern
mittheilen wollen, so sind die Begriffe schon in
der Seele gegenwärtig, und wir können, nach
Erfordern, die Laute hervorbringen, durch wel-
che sie bezeichnet und unsern Nebenmenschen
vernehmlich werden. So aber nicht in Absicht
auf uns selbst. Wollen wir die abgesonderten
Begriffe zu einer andern Zeit wieder in der
Seele erwecken und vermittelst der Zeichen in
Erinnerung bringen können; so müssen die Zei-
chen sich von selbst darbiethen, und nicht erst auf
unsere Willkühr warten, die sie hervorrufe; in-
dem diese schon die Ideen voraussetzt, deren wir
uns erinnern wollen. Diesen Vortheil verschaf-
fen die sichtbaren Zeichen, weil sie fortdauernd
sind, und nicht immer wieder hervorgebracht
werden müssen, um Eindruck zu machen.

Die

Die Bezeichnung der Begriffe iſt alſo doppelt
nothwendig: einmal fuͤr uns ſelbſt, gleichſam
als ein Gefaͤß, worinnen ſie verwahrt, und zum
Gebrauch bey der Hand bleiben moͤgen, und ſo-
dann um unſere Gedanken anderen mittheilen
zu koͤnnen. Nun haben die Laute, oder die hoͤr-
baren Zeichen, in letzterer Ruͤckſicht einigen Vor-
zug; denn wenn wir unſere Gedanken andern
mittheilen wollen, ſo ſind die Begriffe ſchon in
der Seele gegenwaͤrtig, und wir koͤnnen, nach
Erfordern, die Laute hervorbringen, durch wel-
che ſie bezeichnet und unſern Nebenmenſchen
vernehmlich werden. So aber nicht in Abſicht
auf uns ſelbſt. Wollen wir die abgeſonderten
Begriffe zu einer andern Zeit wieder in der
Seele erwecken und vermittelſt der Zeichen in
Erinnerung bringen koͤnnen; ſo muͤſſen die Zei-
chen ſich von ſelbſt darbiethen, und nicht erſt auf
unſere Willkuͤhr warten, die ſie hervorrufe; in-
dem dieſe ſchon die Ideen vorausſetzt, deren wir
uns erinnern wollen. Dieſen Vortheil verſchaf-
fen die ſichtbaren Zeichen, weil ſie fortdauernd
ſind, und nicht immer wieder hervorgebracht
werden muͤſſen, um Eindruck zu machen.

Die
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[70/0172] Die Bezeichnung der Begriffe iſt alſo doppelt nothwendig: einmal fuͤr uns ſelbſt, gleichſam als ein Gefaͤß, worinnen ſie verwahrt, und zum Gebrauch bey der Hand bleiben moͤgen, und ſo- dann um unſere Gedanken anderen mittheilen zu koͤnnen. Nun haben die Laute, oder die hoͤr- baren Zeichen, in letzterer Ruͤckſicht einigen Vor- zug; denn wenn wir unſere Gedanken andern mittheilen wollen, ſo ſind die Begriffe ſchon in der Seele gegenwaͤrtig, und wir koͤnnen, nach Erfordern, die Laute hervorbringen, durch wel- che ſie bezeichnet und unſern Nebenmenſchen vernehmlich werden. So aber nicht in Abſicht auf uns ſelbſt. Wollen wir die abgeſonderten Begriffe zu einer andern Zeit wieder in der Seele erwecken und vermittelſt der Zeichen in Erinnerung bringen koͤnnen; ſo muͤſſen die Zei- chen ſich von ſelbſt darbiethen, und nicht erſt auf unſere Willkuͤhr warten, die ſie hervorrufe; in- dem dieſe ſchon die Ideen vorausſetzt, deren wir uns erinnern wollen. Dieſen Vortheil verſchaf- fen die ſichtbaren Zeichen, weil ſie fortdauernd ſind, und nicht immer wieder hervorgebracht werden muͤſſen, um Eindruck zu machen. Die

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Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/172>, abgerufen am 21.11.2024.