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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

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Man glaube nicht, daß dieses eine blos ein-
gebildete Furcht sey, die etwa Hypochondrie zur
Mutter hat. Im Grunde kann eine Glaubens-
vereinigung, wenn sie je zu Stande kommen
sollte, keine andere als die unseligsten Folgen
für Vernunft und Gewissensfreyheit haben.
Denn gesetzt, man vereinige sich über die Glau-
bensformel, die man einzuführen und festzusetzen

denkt;
dieser vielleicht nie ohne eine Vermischung von
innerer Ohngötterey wüthend werden können.
Daß aber auch äusserer offenbarer Atheismus
fanatisch werden könne, ist so unleugbar als
schwer zu begteifen. So sehr der Atheist, wenn
er bündig seyn will, alles aus Eigennutz thun
muß, und so wenig es diesem gemäß zu seyn
scheinet, wenn der Atheist Partey zu machen,
und das Geheimniß nicht für sich zu behalten
suchet; so hat man ihn doch seine Lehren mit
dem hitzigsten Enthusiasmus predigen, und
wüthend werden, ja verfolgen gesehen, wenn
seine Predigt nicht Eingang finden wollte.
Und schrecklich ist der Eifer, wenn er einen
erklärten Atheisten beseelt; wenn die Unschuld
einem Wüterich in die Hände fällt, der alles
fürchtet, nur keinen Gott
.

Man glaube nicht, daß dieſes eine blos ein-
gebildete Furcht ſey, die etwa Hypochondrie zur
Mutter hat. Im Grunde kann eine Glaubens-
vereinigung, wenn ſie je zu Stande kommen
ſollte, keine andere als die unſeligſten Folgen
fuͤr Vernunft und Gewiſſensfreyheit haben.
Denn geſetzt, man vereinige ſich uͤber die Glau-
bensformel, die man einzufuͤhren und feſtzuſetzen

denkt;
dieſer vielleicht nie ohne eine Vermiſchung von
innerer Ohngoͤtterey wuͤthend werden koͤnnen.
Daß aber auch äuſſerer offenbarer Atheismus
fanatiſch werden koͤnne, iſt ſo unleugbar als
ſchwer zu begteifen. So ſehr der Atheiſt, wenn
er buͤndig ſeyn will, alles aus Eigennutz thun
muß, und ſo wenig es dieſem gemaͤß zu ſeyn
ſcheinet, wenn der Atheiſt Partey zu machen,
und das Geheimniß nicht fuͤr ſich zu behalten
ſuchet; ſo hat man ihn doch ſeine Lehren mit
dem hitzigſten Enthuſiasmus predigen, und
wuͤthend werden, ja verfolgen geſehen, wenn
ſeine Predigt nicht Eingang finden wollte.
Und ſchrecklich iſt der Eifer, wenn er einen
erklaͤrten Atheiſten beſeelt; wenn die Unſchuld
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fürchtet, nur keinen Gott
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[136/0238] Man glaube nicht, daß dieſes eine blos ein- gebildete Furcht ſey, die etwa Hypochondrie zur Mutter hat. Im Grunde kann eine Glaubens- vereinigung, wenn ſie je zu Stande kommen ſollte, keine andere als die unſeligſten Folgen fuͤr Vernunft und Gewiſſensfreyheit haben. Denn geſetzt, man vereinige ſich uͤber die Glau- bensformel, die man einzufuͤhren und feſtzuſetzen denkt; *) *) dieſer vielleicht nie ohne eine Vermiſchung von innerer Ohngoͤtterey wuͤthend werden koͤnnen. Daß aber auch äuſſerer offenbarer Atheismus fanatiſch werden koͤnne, iſt ſo unleugbar als ſchwer zu begteifen. So ſehr der Atheiſt, wenn er buͤndig ſeyn will, alles aus Eigennutz thun muß, und ſo wenig es dieſem gemaͤß zu ſeyn ſcheinet, wenn der Atheiſt Partey zu machen, und das Geheimniß nicht fuͤr ſich zu behalten ſuchet; ſo hat man ihn doch ſeine Lehren mit dem hitzigſten Enthuſiasmus predigen, und wuͤthend werden, ja verfolgen geſehen, wenn ſeine Predigt nicht Eingang finden wollte. Und ſchrecklich iſt der Eifer, wenn er einen erklaͤrten Atheiſten beſeelt; wenn die Unſchuld einem Wuͤterich in die Haͤnde faͤllt, der alles fürchtet, nur keinen Gott.

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Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/238>, abgerufen am 21.11.2024.