Verhältnisse bietet. Der Grund einer so auffälligen Gleichgiltigkeit kann vielmehr nirgends anders gesucht werden, als in dem gegenwärtigen Zustande unserer Wissenschaft selbst, in der Unfruchtbarkeit der bisherigen Bemühungen, die empirischen Grundlagen derselben zu gewinnen.
Ein jeder neue Versuch in dieser Richtung, mit so schwachen Kräften er auch unternommen werden mag, trägt desshalb seine Berechtigung in sich selbst. Die Erforschung der Grundlagen unserer Wissenschaft anstreben, heisst seine Kraft der Lösung einer mit der Wohlfahrt der Menschen im engsten Zusammenhange stehenden Aufgabe widmen, einem öffentlichen Interesse von höchster Wichtigkeit dienen und einen Weg betreten, auf welchem selbst der Irrthum nicht ganz ohne Ver- dienst ist.
Damit ein solches Unternehmen aber nicht dem gerechten Misstrauen der Sachkundigen begegne, dürfen wir es einerseits nicht verabsäumen, allen Richtungen, in welchen der Forschergeist auf dem Gebiete unserer Wissenschaft bisher vorgedrungen ist, eine sorgfältige Beachtung zuzuwenden, andererseits aber auch nicht davor zurückschrecken, mit der vollen Selbstständigkeit des Urtheiles an die Kritik der Ansichten unserer Vorgänger und selbst jener Lehrmeinungen zu schreiten, welche bisher für fest stehende Errungenschaften unserer Wissen- schaft galten. Durch das erstere würden wir uns der ganzen Summe von Erfahrungen freiwillig begeben, welche so viele ausgezeichnete Geister aller Völker und Zeiten auf dem Wege zum gleichen Ziele gesammelt haben, durch das letztere auf jede Hoffnung einer tiefer gehen- den Reform der Grundlagen unserer Wissenschaft von vornherein verzichten. Wir weichen diesen Gefahren
Verhältnisse bietet. Der Grund einer so auffälligen Gleichgiltigkeit kann vielmehr nirgends anders gesucht werden, als in dem gegenwärtigen Zustande unserer Wissenschaft selbst, in der Unfruchtbarkeit der bisherigen Bemühungen, die empirischen Grundlagen derselben zu gewinnen.
Ein jeder neue Versuch in dieser Richtung, mit so schwachen Kräften er auch unternommen werden mag, trägt desshalb seine Berechtigung in sich selbst. Die Erforschung der Grundlagen unserer Wissenschaft anstreben, heisst seine Kraft der Lösung einer mit der Wohlfahrt der Menschen im engsten Zusammenhange stehenden Aufgabe widmen, einem öffentlichen Interesse von höchster Wichtigkeit dienen und einen Weg betreten, auf welchem selbst der Irrthum nicht ganz ohne Ver- dienst ist.
Damit ein solches Unternehmen aber nicht dem gerechten Misstrauen der Sachkundigen begegne, dürfen wir es einerseits nicht verabsäumen, allen Richtungen, in welchen der Forschergeist auf dem Gebiete unserer Wissenschaft bisher vorgedrungen ist, eine sorgfältige Beachtung zuzuwenden, andererseits aber auch nicht davor zurückschrecken, mit der vollen Selbstständigkeit des Urtheiles an die Kritik der Ansichten unserer Vorgänger und selbst jener Lehrmeinungen zu schreiten, welche bisher für fest stehende Errungenschaften unserer Wissen- schaft galten. Durch das erstere würden wir uns der ganzen Summe von Erfahrungen freiwillig begeben, welche so viele ausgezeichnete Geister aller Völker und Zeiten auf dem Wege zum gleichen Ziele gesammelt haben, durch das letztere auf jede Hoffnung einer tiefer gehen- den Reform der Grundlagen unserer Wissenschaft von vornherein verzichten. Wir weichen diesen Gefahren
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[VI/0012]
Verhältnisse bietet. Der Grund einer so auffälligen
Gleichgiltigkeit kann vielmehr nirgends anders gesucht
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Wissenschaft selbst, in der Unfruchtbarkeit der bisherigen
Bemühungen, die empirischen Grundlagen derselben zu
gewinnen.
Ein jeder neue Versuch in dieser Richtung, mit so
schwachen Kräften er auch unternommen werden mag,
trägt desshalb seine Berechtigung in sich selbst. Die
Erforschung der Grundlagen unserer Wissenschaft
anstreben, heisst seine Kraft der Lösung einer mit der
Wohlfahrt der Menschen im engsten Zusammenhange
stehenden Aufgabe widmen, einem öffentlichen Interesse
von höchster Wichtigkeit dienen und einen Weg betreten,
auf welchem selbst der Irrthum nicht ganz ohne Ver-
dienst ist.
Damit ein solches Unternehmen aber nicht dem
gerechten Misstrauen der Sachkundigen begegne, dürfen
wir es einerseits nicht verabsäumen, allen Richtungen, in
welchen der Forschergeist auf dem Gebiete unserer
Wissenschaft bisher vorgedrungen ist, eine sorgfältige
Beachtung zuzuwenden, andererseits aber auch nicht davor
zurückschrecken, mit der vollen Selbstständigkeit des
Urtheiles an die Kritik der Ansichten unserer Vorgänger
und selbst jener Lehrmeinungen zu schreiten, welche
bisher für fest stehende Errungenschaften unserer Wissen-
schaft galten. Durch das erstere würden wir uns der
ganzen Summe von Erfahrungen freiwillig begeben, welche
so viele ausgezeichnete Geister aller Völker und Zeiten
auf dem Wege zum gleichen Ziele gesammelt haben,
durch das letztere auf jede Hoffnung einer tiefer gehen-
den Reform der Grundlagen unserer Wissenschaft von
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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/12>, abgerufen am 21.11.2024.
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