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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
Gesammtquantität eines Gutes ist für dasselbe demnach gleich
der Bedeutung, welche die wenigst wichtigen von den durch
die verfügbare Gesammtquantität noch gesicherten und mit einer
solchen Theilquantität herbeizuführenden Bedürfnissbefriedigungen
für das obige Subject haben. Diese Bedürfnissbefriedigungen sind
es nämlich, rücksichtlich welcher das in Rede stehende wirth-
schaftende Subject von der Verfügung über das betreffende con-
crete Gut, beziehungsweise die betreffende Güterquantität ab-
hängt *).


*) Der Versuch, einen Massstab des Gebrauchswerthes der Güter auf-
zufinden und diesen letztern als Grundlage des Tauschwerthes derselben hin-
zustellen, wurde bereits von Aristoteles gemacht. "Es muss Etwas geben,"
sagt derselbe (Ethic. Nic. V. 8), "was das Mass von Allem sein kann.....
Dieses Mass ist nun in Wahrheit nichts anderes, als das Bedürfniss,
welches Alles zusammenhält: denn bedürfte man nichts, oder Alles auf
die gleiche Weise, so würde es keinen Gütertausch geben." In demselben
Sinne schreibt Galiani (Della moneta L. I, Cap. II, S. 27 der ed. 1780):
"Essendo varie le dispositioni degli animi umani e varii i bisogni, vario e il
valor delle cose." Turgot, der sich mit der obigen Frage in seiner uns als
Fragment überkommenen Abhandlung: "Valeurs et Monnaies" in eingehender
Weise beschäftigt, sagt (a. a. O. S. 81. Daire): Sobald die Cultur einen ge-
wissen Grad erreicht hat, fängt der Mensch an, die Bedürfnisse mit einander
zu vergleichen, um die Vorsorge für die Herbeischaffung der Güter dem
Grade der Nothwendigkeit und Nützlichkeit der verschiedenen Güter (besoins,
in diesem Sinne bei den Physiokraten sehr häufig) anzupassen. Bei der Be-
werthung der Güter berücksichtige der Mensch indess auch die grössere oder
geringere Schwierigkeit der Herbeischaffung derselben, und so kommt Turgot
(ibid S. 83) zum Schlusse: "La valeur estimative d'un objet, pour l'homme
isole, est precisement la portion du total de ses facultes, qui repond au desir
qu'il a de cet objet, ou celle qu'il veut employer a satisfaire ce desir." Zu
andern Resultaten gelangt Condillac. Er sagt (Le commerce et le gouver-
nement 1777, S. 250 ff., Daire.): On dit qu'une chose est utile, lorsqu'elle
sert a quelquesuns de nos besoins. D'apres cette utilite, nous l'estimons plus
ou moins. Or, cette estime est ce que nous appelons valeur." Während dem-
nach bei Turgot die auf die Herbeischaffung eines Gutes gewendete Kraft-
aufopferung eines Menschen das Mass für den Gebrauchswerth eines Gutes
ist, ist es nach Condillac der Grad seiner Nützlichkeit: zwei Grund-
anschauungen, welche seither vielfach in den Schriften englischer und fran-
zösischer Nationalökonomen wiederkehren. Eine tiefer gehende Behandlung
hat die Frage nach dem Masse des Gebrauchswerthes indess erst bei den
Deutschen gefunden. In einer vielfach angeführten Stelle, in welcher B. Hil-

Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
Gesammtquantität eines Gutes ist für dasselbe demnach gleich
der Bedeutung, welche die wenigst wichtigen von den durch
die verfügbare Gesammtquantität noch gesicherten und mit einer
solchen Theilquantität herbeizuführenden Bedürfnissbefriedigungen
für das obige Subject haben. Diese Bedürfnissbefriedigungen sind
es nämlich, rücksichtlich welcher das in Rede stehende wirth-
schaftende Subject von der Verfügung über das betreffende con-
crete Gut, beziehungsweise die betreffende Güterquantität ab-
hängt *).


*) Der Versuch, einen Massstab des Gebrauchswerthes der Güter auf-
zufinden und diesen letztern als Grundlage des Tauschwerthes derselben hin-
zustellen, wurde bereits von Aristoteles gemacht. „Es muss Etwas geben,“
sagt derselbe (Ethic. Nic. V. 8), „was das Mass von Allem sein kann.....
Dieses Mass ist nun in Wahrheit nichts anderes, als das Bedürfniss,
welches Alles zusammenhält: denn bedürfte man nichts, oder Alles auf
die gleiche Weise, so würde es keinen Gütertausch geben.“ In demselben
Sinne schreibt Galiani (Della moneta L. I, Cap. II, S. 27 der ed. 1780):
„Essendo varie le dispositioni degli animi umani e varii i bisogni, vario è il
valor delle cose.“ Turgot, der sich mit der obigen Frage in seiner uns als
Fragment überkommenen Abhandlung: „Valeurs et Monnaies“ in eingehender
Weise beschäftigt, sagt (a. a. O. S. 81. Daire): Sobald die Cultur einen ge-
wissen Grad erreicht hat, fängt der Mensch an, die Bedürfnisse mit einander
zu vergleichen, um die Vorsorge für die Herbeischaffung der Güter dem
Grade der Nothwendigkeit und Nützlichkeit der verschiedenen Güter (besoins,
in diesem Sinne bei den Physiokraten sehr häufig) anzupassen. Bei der Be-
werthung der Güter berücksichtige der Mensch indess auch die grössere oder
geringere Schwierigkeit der Herbeischaffung derselben, und so kommt Turgot
(ibid S. 83) zum Schlusse: „La valeur estimative d’un objet, pour l’homme
isolé, est precisement la portion du total de ses facultés, qui répond au désir
qu’il a de cet objet, ou celle qu’il veut employer á satisfaire ce desir.“ Zu
andern Resultaten gelangt Condillac. Er sagt (Le commerce et le gouver-
nement 1777, S. 250 ff., Daire.): On dit qu’une chose est utile, lorsqu’elle
sert à quelquesuns de nos besoins. D’après cette utilité, nous l’estimons plus
ou moins. Or, cette éstime est ce que nous appelons valeur.“ Während dem-
nach bei Turgot die auf die Herbeischaffung eines Gutes gewendete Kraft-
aufopferung eines Menschen das Mass für den Gebrauchswerth eines Gutes
ist, ist es nach Condillac der Grad seiner Nützlichkeit: zwei Grund-
anschauungen, welche seither vielfach in den Schriften englischer und fran-
zösischer Nationalökonomen wiederkehren. Eine tiefer gehende Behandlung
hat die Frage nach dem Masse des Gebrauchswerthes indess erst bei den
Deutschen gefunden. In einer vielfach angeführten Stelle, in welcher B. Hil-
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[108/0126] Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes. Gesammtquantität eines Gutes ist für dasselbe demnach gleich der Bedeutung, welche die wenigst wichtigen von den durch die verfügbare Gesammtquantität noch gesicherten und mit einer solchen Theilquantität herbeizuführenden Bedürfnissbefriedigungen für das obige Subject haben. Diese Bedürfnissbefriedigungen sind es nämlich, rücksichtlich welcher das in Rede stehende wirth- schaftende Subject von der Verfügung über das betreffende con- crete Gut, beziehungsweise die betreffende Güterquantität ab- hängt *). *) Der Versuch, einen Massstab des Gebrauchswerthes der Güter auf- zufinden und diesen letztern als Grundlage des Tauschwerthes derselben hin- zustellen, wurde bereits von Aristoteles gemacht. „Es muss Etwas geben,“ sagt derselbe (Ethic. Nic. V. 8), „was das Mass von Allem sein kann..... Dieses Mass ist nun in Wahrheit nichts anderes, als das Bedürfniss, welches Alles zusammenhält: denn bedürfte man nichts, oder Alles auf die gleiche Weise, so würde es keinen Gütertausch geben.“ In demselben Sinne schreibt Galiani (Della moneta L. I, Cap. II, S. 27 der ed. 1780): „Essendo varie le dispositioni degli animi umani e varii i bisogni, vario è il valor delle cose.“ Turgot, der sich mit der obigen Frage in seiner uns als Fragment überkommenen Abhandlung: „Valeurs et Monnaies“ in eingehender Weise beschäftigt, sagt (a. a. O. S. 81. Daire): Sobald die Cultur einen ge- wissen Grad erreicht hat, fängt der Mensch an, die Bedürfnisse mit einander zu vergleichen, um die Vorsorge für die Herbeischaffung der Güter dem Grade der Nothwendigkeit und Nützlichkeit der verschiedenen Güter (besoins, in diesem Sinne bei den Physiokraten sehr häufig) anzupassen. Bei der Be- werthung der Güter berücksichtige der Mensch indess auch die grössere oder geringere Schwierigkeit der Herbeischaffung derselben, und so kommt Turgot (ibid S. 83) zum Schlusse: „La valeur estimative d’un objet, pour l’homme isolé, est precisement la portion du total de ses facultés, qui répond au désir qu’il a de cet objet, ou celle qu’il veut employer á satisfaire ce desir.“ Zu andern Resultaten gelangt Condillac. Er sagt (Le commerce et le gouver- nement 1777, S. 250 ff., Daire.): On dit qu’une chose est utile, lorsqu’elle sert à quelquesuns de nos besoins. D’après cette utilité, nous l’estimons plus ou moins. Or, cette éstime est ce que nous appelons valeur.“ Während dem- nach bei Turgot die auf die Herbeischaffung eines Gutes gewendete Kraft- aufopferung eines Menschen das Mass für den Gebrauchswerth eines Gutes ist, ist es nach Condillac der Grad seiner Nützlichkeit: zwei Grund- anschauungen, welche seither vielfach in den Schriften englischer und fran- zösischer Nationalökonomen wiederkehren. Eine tiefer gehende Behandlung hat die Frage nach dem Masse des Gebrauchswerthes indess erst bei den Deutschen gefunden. In einer vielfach angeführten Stelle, in welcher B. Hil-

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/126>, abgerufen am 21.11.2024.