Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
welchen sie sich erstreckt. Diese Erscheinung ist keine zufällige,
sondern im Wesen der menschlichen Natur tief begründet. So-
weit nämlich von der Befriedigung unserer Bedürfnisse die Erhal-
tung unseres Lebens abhängig ist, muss die Sicherstellung der
Befriedigung der Bedürfnisse früherer Zeiträume nothwendiger-
weise jener der spätern vorangehen. Auch dort, wo von unserer
Verfügung über eine Güterquantität nicht unser Leben, sondern
lediglich unsere dauernde Wohlfahrt, (also zumal unsere Gesund-
heit,) abhängig ist, ist die Erhaltung dieser letztern in einem
vorangehenden Zeitraume der Regel nach die Vorbedingung der-
selben in einem nachfolgenden. Die Verfügung über die Mittel
zur Erhaltung unserer Wohlfahrt in einem entfernten Zeitraume
nützt uns nämlich wenig, wenn Noth und Mangel unsere Gesund-
heit in einem vorangehenden bereits zerrüttet, oder unsere Ent-
wickelung behindert haben. Aehnlich verhält es sich selbst in
Rücksicht auf solche Bedürfnissbefriedigungen, welche für uns
blos die Bedeutung von Genüssen haben. Ein Genuss pflegt den
Menschen, wie alle Erfahrung lehrt, in der Gegenwart, oder in
einer nähern Zukunft wichtiger zu erscheinen, als ein solcher
von gleicher Intensität in einem entfernteren Zeitpuncte.

Das Leben der Menschen ist ein Process, in welchem die
kommenden Entwickelungsphasen stets durch die vorangehenden
bedingt sind, ein Process, welcher, wenn einmal unterbrochen,
nicht wieder fortgesetzt, wenn einmal essentiell gestört, nicht
wieder vollständig hergestellt werden kann. Die Vorsorge für die
Erhaltung unseres Lebens und für unsere Entwickelung in kom-
menden Lebensepochen hat demnach die bezügliehe Vorsorge für
die vorangehenden Lebensepochen zur nothwendigen Voraus-
setzung und so können wir denn auch in der That, von krank-
haften Erscheinungen der Wirthschaft abgesehen, die allgemeine
Beobachtung machen, dass die wirthschaftenden Menschen zu-
nächst bemüht sind, die Befriedigung der Bedürfnisse der näch-
sten Zukunft und hierauf erst die ferner liegenden Zeiträume
nach Massgabe der Zeitfolge sicherzustellen.

Der Umstand, welcher den wirthschaftenden Menschen in
ihrem Bestreben nach fortschreitender Heranziehung von Gütern
höherer Ordnungen eine Schranke setzt, ist demnach die Nöthi-
gung, mit den ihnen jeweilig verfügbaren Gütern zunächst für

Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.
welchen sie sich erstreckt. Diese Erscheinung ist keine zufällige,
sondern im Wesen der menschlichen Natur tief begründet. So-
weit nämlich von der Befriedigung unserer Bedürfnisse die Erhal-
tung unseres Lebens abhängig ist, muss die Sicherstellung der
Befriedigung der Bedürfnisse früherer Zeiträume nothwendiger-
weise jener der spätern vorangehen. Auch dort, wo von unserer
Verfügung über eine Güterquantität nicht unser Leben, sondern
lediglich unsere dauernde Wohlfahrt, (also zumal unsere Gesund-
heit,) abhängig ist, ist die Erhaltung dieser letztern in einem
vorangehenden Zeitraume der Regel nach die Vorbedingung der-
selben in einem nachfolgenden. Die Verfügung über die Mittel
zur Erhaltung unserer Wohlfahrt in einem entfernten Zeitraume
nützt uns nämlich wenig, wenn Noth und Mangel unsere Gesund-
heit in einem vorangehenden bereits zerrüttet, oder unsere Ent-
wickelung behindert haben. Aehnlich verhält es sich selbst in
Rücksicht auf solche Bedürfnissbefriedigungen, welche für uns
blos die Bedeutung von Genüssen haben. Ein Genuss pflegt den
Menschen, wie alle Erfahrung lehrt, in der Gegenwart, oder in
einer nähern Zukunft wichtiger zu erscheinen, als ein solcher
von gleicher Intensität in einem entfernteren Zeitpuncte.

Das Leben der Menschen ist ein Process, in welchem die
kommenden Entwickelungsphasen stets durch die vorangehenden
bedingt sind, ein Process, welcher, wenn einmal unterbrochen,
nicht wieder fortgesetzt, wenn einmal essentiell gestört, nicht
wieder vollständig hergestellt werden kann. Die Vorsorge für die
Erhaltung unseres Lebens und für unsere Entwickelung in kom-
menden Lebensepochen hat demnach die bezügliehe Vorsorge für
die vorangehenden Lebensepochen zur nothwendigen Voraus-
setzung und so können wir denn auch in der That, von krank-
haften Erscheinungen der Wirthschaft abgesehen, die allgemeine
Beobachtung machen, dass die wirthschaftenden Menschen zu-
nächst bemüht sind, die Befriedigung der Bedürfnisse der näch-
sten Zukunft und hierauf erst die ferner liegenden Zeiträume
nach Massgabe der Zeitfolge sicherzustellen.

Der Umstand, welcher den wirthschaftenden Menschen in
ihrem Bestreben nach fortschreitender Heranziehung von Gütern
höherer Ordnungen eine Schranke setzt, ist demnach die Nöthi-
gung, mit den ihnen jeweilig verfügbaren Gütern zunächst für

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0146" n="128"/><fw place="top" type="header">Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt.</fw><lb/>
welchen sie sich erstreckt. Diese Erscheinung ist keine zufällige,<lb/>
sondern im Wesen der menschlichen Natur tief begründet. So-<lb/>
weit nämlich von der Befriedigung unserer Bedürfnisse die Erhal-<lb/>
tung unseres Lebens abhängig ist, muss die Sicherstellung der<lb/>
Befriedigung der Bedürfnisse früherer Zeiträume nothwendiger-<lb/>
weise jener der spätern vorangehen. Auch dort, wo von unserer<lb/>
Verfügung über eine Güterquantität nicht unser Leben, sondern<lb/>
lediglich unsere dauernde Wohlfahrt, (also zumal unsere Gesund-<lb/>
heit,) abhängig ist, ist die Erhaltung dieser letztern in einem<lb/>
vorangehenden Zeitraume der Regel nach die Vorbedingung der-<lb/>
selben in einem nachfolgenden. Die Verfügung über die Mittel<lb/>
zur Erhaltung unserer Wohlfahrt in einem entfernten Zeitraume<lb/>
nützt uns nämlich wenig, wenn Noth und Mangel unsere Gesund-<lb/>
heit in einem vorangehenden bereits zerrüttet, oder unsere Ent-<lb/>
wickelung behindert haben. Aehnlich verhält es sich selbst in<lb/>
Rücksicht auf solche Bedürfnissbefriedigungen, welche für uns<lb/>
blos die Bedeutung von Genüssen haben. Ein Genuss pflegt den<lb/>
Menschen, wie alle Erfahrung lehrt, in der Gegenwart, oder in<lb/>
einer nähern Zukunft wichtiger zu erscheinen, als ein solcher<lb/>
von gleicher Intensität in einem entfernteren Zeitpuncte.</p><lb/>
            <p>Das Leben der Menschen ist ein Process, in welchem die<lb/>
kommenden Entwickelungsphasen stets durch die vorangehenden<lb/>
bedingt sind, ein Process, welcher, wenn einmal unterbrochen,<lb/>
nicht wieder fortgesetzt, wenn einmal essentiell gestört, nicht<lb/>
wieder vollständig hergestellt werden kann. Die Vorsorge für die<lb/>
Erhaltung unseres Lebens und für unsere Entwickelung in kom-<lb/>
menden Lebensepochen hat demnach die bezügliehe Vorsorge für<lb/>
die vorangehenden Lebensepochen zur nothwendigen Voraus-<lb/>
setzung und so können wir denn auch in der That, von krank-<lb/>
haften Erscheinungen der Wirthschaft abgesehen, die allgemeine<lb/>
Beobachtung machen, dass die wirthschaftenden Menschen zu-<lb/>
nächst bemüht sind, die Befriedigung der Bedürfnisse der näch-<lb/>
sten Zukunft und hierauf erst die ferner liegenden Zeiträume<lb/>
nach Massgabe der Zeitfolge sicherzustellen.</p><lb/>
            <p>Der Umstand, welcher den wirthschaftenden Menschen in<lb/>
ihrem Bestreben nach fortschreitender Heranziehung von Gütern<lb/>
höherer Ordnungen eine Schranke setzt, ist demnach die Nöthi-<lb/>
gung, mit den ihnen jeweilig verfügbaren Gütern zunächst für<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0146] Die Gesetze, nach welchen sich der Werth der Güter regelt. welchen sie sich erstreckt. Diese Erscheinung ist keine zufällige, sondern im Wesen der menschlichen Natur tief begründet. So- weit nämlich von der Befriedigung unserer Bedürfnisse die Erhal- tung unseres Lebens abhängig ist, muss die Sicherstellung der Befriedigung der Bedürfnisse früherer Zeiträume nothwendiger- weise jener der spätern vorangehen. Auch dort, wo von unserer Verfügung über eine Güterquantität nicht unser Leben, sondern lediglich unsere dauernde Wohlfahrt, (also zumal unsere Gesund- heit,) abhängig ist, ist die Erhaltung dieser letztern in einem vorangehenden Zeitraume der Regel nach die Vorbedingung der- selben in einem nachfolgenden. Die Verfügung über die Mittel zur Erhaltung unserer Wohlfahrt in einem entfernten Zeitraume nützt uns nämlich wenig, wenn Noth und Mangel unsere Gesund- heit in einem vorangehenden bereits zerrüttet, oder unsere Ent- wickelung behindert haben. Aehnlich verhält es sich selbst in Rücksicht auf solche Bedürfnissbefriedigungen, welche für uns blos die Bedeutung von Genüssen haben. Ein Genuss pflegt den Menschen, wie alle Erfahrung lehrt, in der Gegenwart, oder in einer nähern Zukunft wichtiger zu erscheinen, als ein solcher von gleicher Intensität in einem entfernteren Zeitpuncte. Das Leben der Menschen ist ein Process, in welchem die kommenden Entwickelungsphasen stets durch die vorangehenden bedingt sind, ein Process, welcher, wenn einmal unterbrochen, nicht wieder fortgesetzt, wenn einmal essentiell gestört, nicht wieder vollständig hergestellt werden kann. Die Vorsorge für die Erhaltung unseres Lebens und für unsere Entwickelung in kom- menden Lebensepochen hat demnach die bezügliehe Vorsorge für die vorangehenden Lebensepochen zur nothwendigen Voraus- setzung und so können wir denn auch in der That, von krank- haften Erscheinungen der Wirthschaft abgesehen, die allgemeine Beobachtung machen, dass die wirthschaftenden Menschen zu- nächst bemüht sind, die Befriedigung der Bedürfnisse der näch- sten Zukunft und hierauf erst die ferner liegenden Zeiträume nach Massgabe der Zeitfolge sicherzustellen. Der Umstand, welcher den wirthschaftenden Menschen in ihrem Bestreben nach fortschreitender Heranziehung von Gütern höherer Ordnungen eine Schranke setzt, ist demnach die Nöthi- gung, mit den ihnen jeweilig verfügbaren Gütern zunächst für

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/146
Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/146>, abgerufen am 24.11.2024.