Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes. bestimmte Güter zum Gelde werden. Der Austausch von minderabsatzfähigen Waaren gegen solche von höherer Absatzfähigkeit liegt im ökonomischen Interesse jedes einzelnen wirthschaf- tenden Individuums, aber der factische Abschluss solcher Tausch- operationen setzt die Erkenntniss dieses Interesses Seitens jener wirthschaftenden Subjecte voraus, welche ein ihnen an und für sich vielleicht gänzlich unnützes Gut um seiner höheren Absatz- fähigkeit willen im Austausche gegen ihre Waaren annehmen sollen. Diese Erkenntniss wird niemals bei allen Gliedern eines Volkes zugleich entstehen. Vielmehr wird stets zunächst nur eine Anzahl von wirthschaftenden Subjecten den Vortheil er- kennen, welcher ihnen dadurch erwächst, dass sie überall dort, wo ein unmittelbarer Austausch ihrer Waaren gegen Gebrauchs- güter nicht möglich, oder höchst ungewiss ist, gegen ihre Waaren andere, absatzfähigere Waaren im Austausche annehmen, ein Vortheil, der an und für sich unabhängig ist von der allgemeinen Anerkennung einer Waare als Geld, da immer und unter allen Umständen ein solcher Austausch das einzelne wirthschaftende Individuum seinem Endziele, der Erwerbung der ihm nöthigen Gebrauchsgüter um ein beträcht- liches näher bringt. Da es nun aber kein besseres Mittel giebt, die Menschen über ihre ökonomischen Interessen aufzuklären, als die Betrachtung der ökonomischen Erfolge jener, welche die richtigen Mittel zur Erreichung derselben ins Werk setzen, so ist auch klar, dass nichts so sehr die Entstehung des Geldes begünstigte, als die Seitens der einsichtsvollsten und tüchtigsten wirtschaftenden Subjecte zum eigenen ökonomischen Nutzen durch längere Zeit geübte Annahme eminent absatzfähiger Waaren gegen alle andern. Solcherart haben Uebung und Gewohnheit sicherlich nicht wenig dazu beigetragen, die jeweilig absatz- fähigsten Waaren zu solchen zu machen, welche nicht nur von vielen, sondern von allen wirthschaftenden Individuen im Aus- tausche gegen ihre Waaren angenommen wurden *). *) Die Erklärung des eigenthümlichen Vorganges, dass eine Anzahl
von Gütern, bei fortgeschrittener Cultur: Gold und Silber in gemünztem Zustande, von Jedermann im Austausche gegen alle andern Waaren bereit- willig angenommen werden, und zwar auch von solchen Personen, welche keinen unmittelbaren Bedarf an diesen Gütern, oder denselben doch bereits Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes. bestimmte Güter zum Gelde werden. Der Austausch von minderabsatzfähigen Waaren gegen solche von höherer Absatzfähigkeit liegt im ökonomischen Interesse jedes einzelnen wirthschaf- tenden Individuums, aber der factische Abschluss solcher Tausch- operationen setzt die Erkenntniss dieses Interesses Seitens jener wirthschaftenden Subjecte voraus, welche ein ihnen an und für sich vielleicht gänzlich unnützes Gut um seiner höheren Absatz- fähigkeit willen im Austausche gegen ihre Waaren annehmen sollen. Diese Erkenntniss wird niemals bei allen Gliedern eines Volkes zugleich entstehen. Vielmehr wird stets zunächst nur eine Anzahl von wirthschaftenden Subjecten den Vortheil er- kennen, welcher ihnen dadurch erwächst, dass sie überall dort, wo ein unmittelbarer Austausch ihrer Waaren gegen Gebrauchs- güter nicht möglich, oder höchst ungewiss ist, gegen ihre Waaren andere, absatzfähigere Waaren im Austausche annehmen, ein Vortheil, der an und für sich unabhängig ist von der allgemeinen Anerkennung einer Waare als Geld, da immer und unter allen Umständen ein solcher Austausch das einzelne wirthschaftende Individuum seinem Endziele, der Erwerbung der ihm nöthigen Gebrauchsgüter um ein beträcht- liches näher bringt. Da es nun aber kein besseres Mittel giebt, die Menschen über ihre ökonomischen Interessen aufzuklären, als die Betrachtung der ökonomischen Erfolge jener, welche die richtigen Mittel zur Erreichung derselben ins Werk setzen, so ist auch klar, dass nichts so sehr die Entstehung des Geldes begünstigte, als die Seitens der einsichtsvollsten und tüchtigsten wirtschaftenden Subjecte zum eigenen ökonomischen Nutzen durch längere Zeit geübte Annahme eminent absatzfähiger Waaren gegen alle andern. Solcherart haben Uebung und Gewohnheit sicherlich nicht wenig dazu beigetragen, die jeweilig absatz- fähigsten Waaren zu solchen zu machen, welche nicht nur von vielen, sondern von allen wirthschaftenden Individuen im Aus- tausche gegen ihre Waaren angenommen wurden *). *) Die Erklärung des eigenthümlichen Vorganges, dass eine Anzahl
von Gütern, bei fortgeschrittener Cultur: Gold und Silber in gemünztem Zustande, von Jedermann im Austausche gegen alle andern Waaren bereit- willig angenommen werden, und zwar auch von solchen Personen, welche keinen unmittelbaren Bedarf an diesen Gütern, oder denselben doch bereits <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0273" n="255"/><fw place="top" type="header">Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes.</fw><lb/> bestimmte Güter zum Gelde werden. Der Austausch von minder<lb/> absatzfähigen Waaren gegen solche von höherer Absatzfähigkeit<lb/> liegt im ökonomischen Interesse jedes <hi rendition="#g">einzelnen</hi> wirthschaf-<lb/> tenden Individuums, aber der factische Abschluss solcher Tausch-<lb/> operationen setzt die Erkenntniss dieses Interesses Seitens jener<lb/> wirthschaftenden Subjecte voraus, welche ein ihnen an und für<lb/> sich vielleicht gänzlich unnützes Gut um seiner höheren Absatz-<lb/> fähigkeit willen im Austausche gegen ihre Waaren annehmen<lb/> sollen. Diese Erkenntniss wird niemals bei allen Gliedern eines<lb/> Volkes zugleich entstehen. Vielmehr wird stets zunächst nur<lb/> eine Anzahl von wirthschaftenden Subjecten den Vortheil er-<lb/> kennen, welcher ihnen dadurch erwächst, dass sie überall dort,<lb/> wo ein unmittelbarer Austausch ihrer Waaren gegen Gebrauchs-<lb/> güter nicht möglich, oder höchst ungewiss ist, gegen ihre Waaren<lb/> andere, absatzfähigere Waaren im Austausche annehmen, ein<lb/> Vortheil, <hi rendition="#g">der an und für sich unabhängig ist von der<lb/> allgemeinen Anerkennung einer Waare als Geld</hi>,<lb/> da immer und unter allen Umständen ein solcher Austausch<lb/> das einzelne wirthschaftende Individuum seinem Endziele, der<lb/> Erwerbung der ihm nöthigen Gebrauchsgüter um ein beträcht-<lb/> liches näher bringt. Da es nun aber kein besseres Mittel giebt,<lb/> die Menschen über ihre ökonomischen Interessen aufzuklären,<lb/> als die Betrachtung der ökonomischen Erfolge jener, welche die<lb/> richtigen Mittel zur Erreichung derselben ins Werk setzen, so<lb/> ist auch klar, dass nichts so sehr die Entstehung des Geldes<lb/> begünstigte, als die Seitens der einsichtsvollsten und tüchtigsten<lb/> wirtschaftenden Subjecte zum eigenen ökonomischen Nutzen<lb/> durch längere Zeit geübte Annahme eminent absatzfähiger Waaren<lb/> gegen alle andern. Solcherart haben Uebung und Gewohnheit<lb/> sicherlich nicht wenig dazu beigetragen, die jeweilig absatz-<lb/> fähigsten Waaren zu solchen zu machen, welche nicht nur von<lb/> vielen, sondern von allen wirthschaftenden Individuen im Aus-<lb/> tausche gegen ihre Waaren angenommen wurden <note xml:id="seg2pn_18_1" next="#seg2pn_18_2" place="foot" n="*)">Die Erklärung des eigenthümlichen Vorganges, dass eine Anzahl<lb/> von Gütern, bei fortgeschrittener Cultur: Gold und Silber in gemünztem<lb/> Zustande, von Jedermann im Austausche gegen alle andern Waaren bereit-<lb/> willig angenommen werden, und zwar auch von solchen Personen, welche<lb/> keinen unmittelbaren Bedarf an diesen Gütern, oder denselben doch bereits</note>.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [255/0273]
Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes.
bestimmte Güter zum Gelde werden. Der Austausch von minder
absatzfähigen Waaren gegen solche von höherer Absatzfähigkeit
liegt im ökonomischen Interesse jedes einzelnen wirthschaf-
tenden Individuums, aber der factische Abschluss solcher Tausch-
operationen setzt die Erkenntniss dieses Interesses Seitens jener
wirthschaftenden Subjecte voraus, welche ein ihnen an und für
sich vielleicht gänzlich unnützes Gut um seiner höheren Absatz-
fähigkeit willen im Austausche gegen ihre Waaren annehmen
sollen. Diese Erkenntniss wird niemals bei allen Gliedern eines
Volkes zugleich entstehen. Vielmehr wird stets zunächst nur
eine Anzahl von wirthschaftenden Subjecten den Vortheil er-
kennen, welcher ihnen dadurch erwächst, dass sie überall dort,
wo ein unmittelbarer Austausch ihrer Waaren gegen Gebrauchs-
güter nicht möglich, oder höchst ungewiss ist, gegen ihre Waaren
andere, absatzfähigere Waaren im Austausche annehmen, ein
Vortheil, der an und für sich unabhängig ist von der
allgemeinen Anerkennung einer Waare als Geld,
da immer und unter allen Umständen ein solcher Austausch
das einzelne wirthschaftende Individuum seinem Endziele, der
Erwerbung der ihm nöthigen Gebrauchsgüter um ein beträcht-
liches näher bringt. Da es nun aber kein besseres Mittel giebt,
die Menschen über ihre ökonomischen Interessen aufzuklären,
als die Betrachtung der ökonomischen Erfolge jener, welche die
richtigen Mittel zur Erreichung derselben ins Werk setzen, so
ist auch klar, dass nichts so sehr die Entstehung des Geldes
begünstigte, als die Seitens der einsichtsvollsten und tüchtigsten
wirtschaftenden Subjecte zum eigenen ökonomischen Nutzen
durch längere Zeit geübte Annahme eminent absatzfähiger Waaren
gegen alle andern. Solcherart haben Uebung und Gewohnheit
sicherlich nicht wenig dazu beigetragen, die jeweilig absatz-
fähigsten Waaren zu solchen zu machen, welche nicht nur von
vielen, sondern von allen wirthschaftenden Individuen im Aus-
tausche gegen ihre Waaren angenommen wurden *).
*) Die Erklärung des eigenthümlichen Vorganges, dass eine Anzahl
von Gütern, bei fortgeschrittener Cultur: Gold und Silber in gemünztem
Zustande, von Jedermann im Austausche gegen alle andern Waaren bereit-
willig angenommen werden, und zwar auch von solchen Personen, welche
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