Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

Ueber das jedem Zeitalter eigenthümliche Geld.
In den Städten werden täglich Märkte gehalten, alle fünf Tage
aber Hauptmärkte, welche in solcher Weise über das Reich ver-
theilt sind, dass der Hauptmarkt keiner Stadt durch die Con-
currenz eines benachbarten beeinträchtigt wird. Für den Waaren-
verkehr bestehen in jeder Ortschaft eigene grosse Plätze, auf
welchen wiederum für jede Waare ein bestimmter Ort ange-
wiesen ist, ausserhalb welches sie nicht verkauft werden darf,
und sind nur für die Nahrungsmittel und schwer transportable
Gegenstände (Hölzer, Gerbstoffe, Steine etc.) Ausnahmen hievon
gestattet. Die Zahl der Personen, welche sich auf dem Markte
der Hauptstadt Mexiko versammeln, wird an gewöhnlichen
Tagen auf 20--25,000, an Haupttagen auf 40--50,000 geschätzt
und die Waaren, welche hier umgesetzt werden, sind von sehr
grosser Mannigfaltigkeit *).

Hier entsteht nun die interessante Frage, ob auf den
Märkten des alten Mexiko, welche so viele Analogien mit denen
der alten Welt aufweisen, nicht auch bereits unserem Gelde,
dem Wesen und dem Ursprunge nach, analoge Erscheinungen zu
Tage getreten sind.

Thatsächlich berichten die spanischen Eroberer, dass der
Verkehr Mexiko's zur Zeit, als sie das Land zum erstenmale
betraten, sich lange nicht mehr ausschliesslich in den Grenzen
des reinen Tauschverkehrs bewegt habe, sondern bereits einige
Waaren jene eigenthümliche Stellung im Güterverkehre erlangt
hatten, welche wir oben eines weiteren dargelegt haben, das
ist die Stellung des Geldes. Kakaobohnen in Säckchen zu
8--24,000 Stück, gewisse kleine Baumwolltücher, Goldstaub in
Gänsekielen, die nach Verhältniss ihrer Grösse angenommen
wurden (die Wage und Wäginstrumente überhaupt waren den
alten Mexikanern unbekannt), Kupferstücke und endlich dünne
Stücke Zinn scheinen diejenigen Waaren gewesen zu sein,
welche dort, wo ein unmittelbarer Austausch von Gebrauchs-
gütern nicht zu erzielen war, von Jedermann bereitwillig (als
Geld) angenommen wurden, auch wenn die betreffende Person
ihrer unmittelbar nicht bedurfte. Von Waaren, welche auf den
mexikanischen Märkten umgesetzt wurden, werden von den

*) Clavigero: Geschichte von Mexiko, I. Band, VII. Buch, 35. Abth.

Ueber das jedem Zeitalter eigenthümliche Geld.
In den Städten werden täglich Märkte gehalten, alle fünf Tage
aber Hauptmärkte, welche in solcher Weise über das Reich ver-
theilt sind, dass der Hauptmarkt keiner Stadt durch die Con-
currenz eines benachbarten beeinträchtigt wird. Für den Waaren-
verkehr bestehen in jeder Ortschaft eigene grosse Plätze, auf
welchen wiederum für jede Waare ein bestimmter Ort ange-
wiesen ist, ausserhalb welches sie nicht verkauft werden darf,
und sind nur für die Nahrungsmittel und schwer transportable
Gegenstände (Hölzer, Gerbstoffe, Steine etc.) Ausnahmen hievon
gestattet. Die Zahl der Personen, welche sich auf dem Markte
der Hauptstadt Mexiko versammeln, wird an gewöhnlichen
Tagen auf 20—25,000, an Haupttagen auf 40—50,000 geschätzt
und die Waaren, welche hier umgesetzt werden, sind von sehr
grosser Mannigfaltigkeit *).

Hier entsteht nun die interessante Frage, ob auf den
Märkten des alten Mexiko, welche so viele Analogien mit denen
der alten Welt aufweisen, nicht auch bereits unserem Gelde,
dem Wesen und dem Ursprunge nach, analoge Erscheinungen zu
Tage getreten sind.

Thatsächlich berichten die spanischen Eroberer, dass der
Verkehr Mexiko’s zur Zeit, als sie das Land zum erstenmale
betraten, sich lange nicht mehr ausschliesslich in den Grenzen
des reinen Tauschverkehrs bewegt habe, sondern bereits einige
Waaren jene eigenthümliche Stellung im Güterverkehre erlangt
hatten, welche wir oben eines weiteren dargelegt haben, das
ist die Stellung des Geldes. Kakaobohnen in Säckchen zu
8—24,000 Stück, gewisse kleine Baumwolltücher, Goldstaub in
Gänsekielen, die nach Verhältniss ihrer Grösse angenommen
wurden (die Wage und Wäginstrumente überhaupt waren den
alten Mexikanern unbekannt), Kupferstücke und endlich dünne
Stücke Zinn scheinen diejenigen Waaren gewesen zu sein,
welche dort, wo ein unmittelbarer Austausch von Gebrauchs-
gütern nicht zu erzielen war, von Jedermann bereitwillig (als
Geld) angenommen wurden, auch wenn die betreffende Person
ihrer unmittelbar nicht bedurfte. Von Waaren, welche auf den
mexikanischen Märkten umgesetzt wurden, werden von den

*) Clavigero: Geschichte von Mexiko, I. Band, VII. Buch, 35. Abth.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0286" n="268"/><fw place="top" type="header">Ueber das jedem Zeitalter eigenthümliche Geld.</fw><lb/>
In den Städten werden täglich Märkte gehalten, alle fünf Tage<lb/>
aber Hauptmärkte, welche in solcher Weise über das Reich ver-<lb/>
theilt sind, dass der Hauptmarkt keiner Stadt durch die Con-<lb/>
currenz eines benachbarten beeinträchtigt wird. Für den Waaren-<lb/>
verkehr bestehen in jeder Ortschaft eigene grosse Plätze, auf<lb/>
welchen wiederum für jede Waare ein bestimmter Ort ange-<lb/>
wiesen ist, ausserhalb welches sie nicht verkauft werden darf,<lb/>
und sind nur für die Nahrungsmittel und schwer transportable<lb/>
Gegenstände (Hölzer, Gerbstoffe, Steine etc.) Ausnahmen hievon<lb/>
gestattet. Die Zahl der Personen, welche sich auf dem Markte<lb/>
der Hauptstadt Mexiko versammeln, wird an gewöhnlichen<lb/>
Tagen auf 20&#x2014;25,000, an Haupttagen auf 40&#x2014;50,000 geschätzt<lb/>
und die Waaren, welche hier umgesetzt werden, sind von sehr<lb/>
grosser Mannigfaltigkeit <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Clavigero</hi>: Geschichte von Mexiko, I. Band, VII. Buch, 35. Abth.</note>.</p><lb/>
          <p>Hier entsteht nun die interessante Frage, ob auf den<lb/>
Märkten des alten Mexiko, welche so viele Analogien mit denen<lb/>
der alten Welt aufweisen, nicht auch bereits unserem Gelde,<lb/>
dem Wesen und dem Ursprunge nach, analoge Erscheinungen zu<lb/>
Tage getreten sind.</p><lb/>
          <p>Thatsächlich berichten die spanischen Eroberer, dass der<lb/>
Verkehr Mexiko&#x2019;s zur Zeit, als sie das Land zum erstenmale<lb/>
betraten, sich lange nicht mehr ausschliesslich in den Grenzen<lb/>
des reinen Tauschverkehrs bewegt habe, sondern bereits einige<lb/>
Waaren jene eigenthümliche Stellung im Güterverkehre erlangt<lb/>
hatten, welche wir oben eines weiteren dargelegt haben, das<lb/>
ist die Stellung des Geldes. Kakaobohnen in Säckchen zu<lb/>
8&#x2014;24,000 Stück, gewisse kleine Baumwolltücher, Goldstaub in<lb/>
Gänsekielen, die nach Verhältniss ihrer Grösse angenommen<lb/>
wurden (die Wage und Wäginstrumente überhaupt waren den<lb/>
alten Mexikanern unbekannt), Kupferstücke und endlich dünne<lb/>
Stücke Zinn scheinen diejenigen Waaren gewesen zu sein,<lb/>
welche dort, wo ein unmittelbarer Austausch von Gebrauchs-<lb/>
gütern nicht zu erzielen war, von Jedermann bereitwillig (als<lb/>
Geld) angenommen wurden, auch wenn die betreffende Person<lb/>
ihrer unmittelbar nicht bedurfte. Von Waaren, welche auf den<lb/>
mexikanischen Märkten umgesetzt wurden, werden von den<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[268/0286] Ueber das jedem Zeitalter eigenthümliche Geld. In den Städten werden täglich Märkte gehalten, alle fünf Tage aber Hauptmärkte, welche in solcher Weise über das Reich ver- theilt sind, dass der Hauptmarkt keiner Stadt durch die Con- currenz eines benachbarten beeinträchtigt wird. Für den Waaren- verkehr bestehen in jeder Ortschaft eigene grosse Plätze, auf welchen wiederum für jede Waare ein bestimmter Ort ange- wiesen ist, ausserhalb welches sie nicht verkauft werden darf, und sind nur für die Nahrungsmittel und schwer transportable Gegenstände (Hölzer, Gerbstoffe, Steine etc.) Ausnahmen hievon gestattet. Die Zahl der Personen, welche sich auf dem Markte der Hauptstadt Mexiko versammeln, wird an gewöhnlichen Tagen auf 20—25,000, an Haupttagen auf 40—50,000 geschätzt und die Waaren, welche hier umgesetzt werden, sind von sehr grosser Mannigfaltigkeit *). Hier entsteht nun die interessante Frage, ob auf den Märkten des alten Mexiko, welche so viele Analogien mit denen der alten Welt aufweisen, nicht auch bereits unserem Gelde, dem Wesen und dem Ursprunge nach, analoge Erscheinungen zu Tage getreten sind. Thatsächlich berichten die spanischen Eroberer, dass der Verkehr Mexiko’s zur Zeit, als sie das Land zum erstenmale betraten, sich lange nicht mehr ausschliesslich in den Grenzen des reinen Tauschverkehrs bewegt habe, sondern bereits einige Waaren jene eigenthümliche Stellung im Güterverkehre erlangt hatten, welche wir oben eines weiteren dargelegt haben, das ist die Stellung des Geldes. Kakaobohnen in Säckchen zu 8—24,000 Stück, gewisse kleine Baumwolltücher, Goldstaub in Gänsekielen, die nach Verhältniss ihrer Grösse angenommen wurden (die Wage und Wäginstrumente überhaupt waren den alten Mexikanern unbekannt), Kupferstücke und endlich dünne Stücke Zinn scheinen diejenigen Waaren gewesen zu sein, welche dort, wo ein unmittelbarer Austausch von Gebrauchs- gütern nicht zu erzielen war, von Jedermann bereitwillig (als Geld) angenommen wurden, auch wenn die betreffende Person ihrer unmittelbar nicht bedurfte. Von Waaren, welche auf den mexikanischen Märkten umgesetzt wurden, werden von den *) Clavigero: Geschichte von Mexiko, I. Band, VII. Buch, 35. Abth.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/286
Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/286>, abgerufen am 21.11.2024.