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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Das Geld als Massstab der Preise.
in nichts, denn die Grundlage derselben ist eine Fiction, ein
Irrthum.

Wenn auf einem Wollmarkte der Centner Wolle irgend
einer bestimmten Qualität in dem einen Falle für 103 fl. ver-
kauft wird, finden nicht selten am selben Markte gleichzeitig
Transactionen zu höheren und zu niedrigeren Preisen, z. B. zu
104, 1031/2 und zu 102 und 1021/2 fl. statt, und während die
am Markte noch vorhandenen Käufer sich bereit erklären, mit
101 fl. zu "nehmen," wollen die Verkäufer gleichzeitig nur mit
105 fl. "geben." Was ist in einem solchen Falle der "Tausch-
werth" eines Centners Wolle? Oder umgekehrt, welche Quan-
tität von Wolle ist z. B. der "Tauschwerth" von 100 fl.? Offenbar
lässt sich nur sagen, dass ein Centner Wolle innerhalb der Grenzen
von 101--105 fl. auf dem in Rede stehenden Markte und in dem
gegebenen Zeitpunkte abgesetzt, beziehungsweise erstanden wer-
den kann, aber eine bestimmte Quantität von Wolle und eine
bestimmte Quantität von Geld, (oder sonst einer Waare,)
welche wechselseitig umgetauscht werden könnten, also Aequi-
valente im objectiven Sinne des Wortes sind nirgends zu be-
obachten -- nirgends vorhanden, und es kann demnach auch
von einem Masse dieser Aequivalente (des "Tauschwerthes")
nicht die Rede sein.

Wohl hat das practische Leben mit Rücksicht auf manche
wirthschaftliche Zwecke auch das Bedürfniss nach Schätzungen
von ungefährer Genauigkeit, zumal nach solchen in Gelde, zu
Tage gefördert, und werden in allen Fällen, wo es nur auf eine
annäherungsweise Richtigkeit der Berechnungen ankommt, die
Durchschnittspreise, als diejenigen, welche diesem Zwecke im
allgemeinen am besten entsprechen, mit Recht den bezüglichen
Schätzungen zu Grunde gelegt. Es ist aber klar, dass diese Me-
thode der Schätzung von Gütern, wo immer es auf einen höheren
Grad von Genauigkeit ankommt, sich selbst für das practische
Leben als völlig unzureichend, ja geradezu als irreführend er-
weisen müsste. Ueberall dort, wo es sich um eine genaue
Schätzung handelt, muss vielmehr, je nach der Absicht des
Schätzenden, ein Dreifaches unterschieden werden. Die Absicht
des Schätzenden kann darauf gerichtet sein:

1. den Preis zu berechnen, für welchen bestimmte Güter,

Menger, Volkswirthschaftslehre. 18

Das Geld als Massstab der Preise.
in nichts, denn die Grundlage derselben ist eine Fiction, ein
Irrthum.

Wenn auf einem Wollmarkte der Centner Wolle irgend
einer bestimmten Qualität in dem einen Falle für 103 fl. ver-
kauft wird, finden nicht selten am selben Markte gleichzeitig
Transactionen zu höheren und zu niedrigeren Preisen, z. B. zu
104, 103½ und zu 102 und 102½ fl. statt, und während die
am Markte noch vorhandenen Käufer sich bereit erklären, mit
101 fl. zu „nehmen,“ wollen die Verkäufer gleichzeitig nur mit
105 fl. „geben.“ Was ist in einem solchen Falle der „Tausch-
werth“ eines Centners Wolle? Oder umgekehrt, welche Quan-
tität von Wolle ist z. B. der „Tauschwerth“ von 100 fl.? Offenbar
lässt sich nur sagen, dass ein Centner Wolle innerhalb der Grenzen
von 101—105 fl. auf dem in Rede stehenden Markte und in dem
gegebenen Zeitpunkte abgesetzt, beziehungsweise erstanden wer-
den kann, aber eine bestimmte Quantität von Wolle und eine
bestimmte Quantität von Geld, (oder sonst einer Waare,)
welche wechselseitig umgetauscht werden könnten, also Aequi-
valente im objectiven Sinne des Wortes sind nirgends zu be-
obachten — nirgends vorhanden, und es kann demnach auch
von einem Masse dieser Aequivalente (des „Tauschwerthes“)
nicht die Rede sein.

Wohl hat das practische Leben mit Rücksicht auf manche
wirthschaftliche Zwecke auch das Bedürfniss nach Schätzungen
von ungefährer Genauigkeit, zumal nach solchen in Gelde, zu
Tage gefördert, und werden in allen Fällen, wo es nur auf eine
annäherungsweise Richtigkeit der Berechnungen ankommt, die
Durchschnittspreise, als diejenigen, welche diesem Zwecke im
allgemeinen am besten entsprechen, mit Recht den bezüglichen
Schätzungen zu Grunde gelegt. Es ist aber klar, dass diese Me-
thode der Schätzung von Gütern, wo immer es auf einen höheren
Grad von Genauigkeit ankommt, sich selbst für das practische
Leben als völlig unzureichend, ja geradezu als irreführend er-
weisen müsste. Ueberall dort, wo es sich um eine genaue
Schätzung handelt, muss vielmehr, je nach der Absicht des
Schätzenden, ein Dreifaches unterschieden werden. Die Absicht
des Schätzenden kann darauf gerichtet sein:

1. den Preis zu berechnen, für welchen bestimmte Güter,

Menger, Volkswirthschaftslehre. 18
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[273/0291] Das Geld als Massstab der Preise. in nichts, denn die Grundlage derselben ist eine Fiction, ein Irrthum. Wenn auf einem Wollmarkte der Centner Wolle irgend einer bestimmten Qualität in dem einen Falle für 103 fl. ver- kauft wird, finden nicht selten am selben Markte gleichzeitig Transactionen zu höheren und zu niedrigeren Preisen, z. B. zu 104, 103½ und zu 102 und 102½ fl. statt, und während die am Markte noch vorhandenen Käufer sich bereit erklären, mit 101 fl. zu „nehmen,“ wollen die Verkäufer gleichzeitig nur mit 105 fl. „geben.“ Was ist in einem solchen Falle der „Tausch- werth“ eines Centners Wolle? Oder umgekehrt, welche Quan- tität von Wolle ist z. B. der „Tauschwerth“ von 100 fl.? Offenbar lässt sich nur sagen, dass ein Centner Wolle innerhalb der Grenzen von 101—105 fl. auf dem in Rede stehenden Markte und in dem gegebenen Zeitpunkte abgesetzt, beziehungsweise erstanden wer- den kann, aber eine bestimmte Quantität von Wolle und eine bestimmte Quantität von Geld, (oder sonst einer Waare,) welche wechselseitig umgetauscht werden könnten, also Aequi- valente im objectiven Sinne des Wortes sind nirgends zu be- obachten — nirgends vorhanden, und es kann demnach auch von einem Masse dieser Aequivalente (des „Tauschwerthes“) nicht die Rede sein. Wohl hat das practische Leben mit Rücksicht auf manche wirthschaftliche Zwecke auch das Bedürfniss nach Schätzungen von ungefährer Genauigkeit, zumal nach solchen in Gelde, zu Tage gefördert, und werden in allen Fällen, wo es nur auf eine annäherungsweise Richtigkeit der Berechnungen ankommt, die Durchschnittspreise, als diejenigen, welche diesem Zwecke im allgemeinen am besten entsprechen, mit Recht den bezüglichen Schätzungen zu Grunde gelegt. Es ist aber klar, dass diese Me- thode der Schätzung von Gütern, wo immer es auf einen höheren Grad von Genauigkeit ankommt, sich selbst für das practische Leben als völlig unzureichend, ja geradezu als irreführend er- weisen müsste. Ueberall dort, wo es sich um eine genaue Schätzung handelt, muss vielmehr, je nach der Absicht des Schätzenden, ein Dreifaches unterschieden werden. Die Absicht des Schätzenden kann darauf gerichtet sein: 1. den Preis zu berechnen, für welchen bestimmte Güter, Menger, Volkswirthschaftslehre. 18

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/291>, abgerufen am 21.11.2024.