Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Gesetze, unter welchen die Güter stehen.
Zeiten des Ueberflusses zumeist noch zur Arbeit eine geringe
Nöthigung finden und die Erntearbeiten wegen des einseitigen
Weizenbaues auf einen sehr kurzen Zeitraum zusammengedrängt
sind. Unter solchen Verhältnissen (z. B. in den fruchtbaren
Ebenen Ungarns), wo der Bedarf an Arbeitsleistungen innerhalb
eines kurzen Zeitraumes ein sehr grosser ist, die verfügbaren Ar-
beitsleistungen aber nicht ausreichen, pflegen grosse Quantitäten
Getreide auf den Feldern zu verderben; der Grund hievon liegt
aber darin, dass die complementären Güter der auf den Feldern
stehenden Früchte, (die zu ihrer Einbringung nöthigen Arbeits-
leistungen,) mangeln, und so jene Feldfrüchte selbst ihre Güter-
qualität einbüssen.

Wenn die wirthschaftlichen Verhältnisse eines Volkes hoch
entwickelt sind, so sind der Regel nach die verschiedenen com-
plementären Güter höherer Ordnung in den Händen verschie-
dener Personen. Die Producenten jedes einzelnen Artikels füh-
ren der Regel nach in mechanischer Weise ihr Geschäft fort,
während die Producenten der complementären Güter ebensowenig
sich es in den Sinn kommen lassen, dass die Güterqualität der Dinge,
die sie produciren oder verarbeiten, durch das Vorhandensein
anderer Güter bedingt sei, die sich gar nicht in ihrem Besitze
befinden, und es kann der Irrthum, dass die Güter höherer Ord-
nung auch für sich und ohne alle Rücksicht auf das Vorhanden-
sein complementärer Güter die Güterqualität besitzen, in der
That am leichtesten in Ländern entstehen, wo durch einen regen
Verkehr und eine hochentwickelte Volkswirthschaft fast jedes
Product unter der stillschweigenden, ja der Regel nach dem
Producenten gar nicht bewussten Voraussetzung entsteht, dass
andere mit ihm durch Verkehr verbundene Personen für die
complementären Güter rechtzeitig vorsorgen werden. Erst
wenn diese stillschweigende Voraussetzung bei einem Wechsel
der Verhältnisse nicht zutrifft, und die Gesetze, unter welchen
die Güter stehen, ihre Einwirkung bis auf die Oberfläche der
Erscheinungen erstrecken, pflegt dann der gewohnte mechanische
Geschäftsbetrieb unterbrochen zu werden, und die öffentliche
Aufmerksamkeit sich solchen Erscheinungen und ihren tiefer
liegenden Ursachen zuzuwenden.


Die Gesetze, unter welchen die Güter stehen.
Zeiten des Ueberflusses zumeist noch zur Arbeit eine geringe
Nöthigung finden und die Erntearbeiten wegen des einseitigen
Weizenbaues auf einen sehr kurzen Zeitraum zusammengedrängt
sind. Unter solchen Verhältnissen (z. B. in den fruchtbaren
Ebenen Ungarns), wo der Bedarf an Arbeitsleistungen innerhalb
eines kurzen Zeitraumes ein sehr grosser ist, die verfügbaren Ar-
beitsleistungen aber nicht ausreichen, pflegen grosse Quantitäten
Getreide auf den Feldern zu verderben; der Grund hievon liegt
aber darin, dass die complementären Güter der auf den Feldern
stehenden Früchte, (die zu ihrer Einbringung nöthigen Arbeits-
leistungen,) mangeln, und so jene Feldfrüchte selbst ihre Güter-
qualität einbüssen.

Wenn die wirthschaftlichen Verhältnisse eines Volkes hoch
entwickelt sind, so sind der Regel nach die verschiedenen com-
plementären Güter höherer Ordnung in den Händen verschie-
dener Personen. Die Producenten jedes einzelnen Artikels füh-
ren der Regel nach in mechanischer Weise ihr Geschäft fort,
während die Producenten der complementären Güter ebensowenig
sich es in den Sinn kommen lassen, dass die Güterqualität der Dinge,
die sie produciren oder verarbeiten, durch das Vorhandensein
anderer Güter bedingt sei, die sich gar nicht in ihrem Besitze
befinden, und es kann der Irrthum, dass die Güter höherer Ord-
nung auch für sich und ohne alle Rücksicht auf das Vorhanden-
sein complementärer Güter die Güterqualität besitzen, in der
That am leichtesten in Ländern entstehen, wo durch einen regen
Verkehr und eine hochentwickelte Volkswirthschaft fast jedes
Product unter der stillschweigenden, ja der Regel nach dem
Producenten gar nicht bewussten Voraussetzung entsteht, dass
andere mit ihm durch Verkehr verbundene Personen für die
complementären Güter rechtzeitig vorsorgen werden. Erst
wenn diese stillschweigende Voraussetzung bei einem Wechsel
der Verhältnisse nicht zutrifft, und die Gesetze, unter welchen
die Güter stehen, ihre Einwirkung bis auf die Oberfläche der
Erscheinungen erstrecken, pflegt dann der gewohnte mechanische
Geschäftsbetrieb unterbrochen zu werden, und die öffentliche
Aufmerksamkeit sich solchen Erscheinungen und ihren tiefer
liegenden Ursachen zuzuwenden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0034" n="16"/><fw place="top" type="header">Die Gesetze, unter welchen die Güter stehen.</fw><lb/>
Zeiten des Ueberflusses zumeist noch zur Arbeit eine geringe<lb/>
Nöthigung finden und die Erntearbeiten wegen des einseitigen<lb/>
Weizenbaues auf einen sehr kurzen Zeitraum zusammengedrängt<lb/>
sind. Unter solchen Verhältnissen (z. B. in den fruchtbaren<lb/>
Ebenen Ungarns), wo der Bedarf an Arbeitsleistungen innerhalb<lb/>
eines kurzen Zeitraumes ein sehr grosser ist, die verfügbaren Ar-<lb/>
beitsleistungen aber nicht ausreichen, pflegen grosse Quantitäten<lb/>
Getreide auf den Feldern zu verderben; der Grund hievon liegt<lb/>
aber darin, dass die complementären Güter der auf den Feldern<lb/>
stehenden Früchte, (die zu ihrer Einbringung nöthigen Arbeits-<lb/>
leistungen,) mangeln, und so jene Feldfrüchte selbst ihre Güter-<lb/>
qualität einbüssen.</p><lb/>
            <p>Wenn die wirthschaftlichen Verhältnisse eines Volkes hoch<lb/>
entwickelt sind, so sind der Regel nach die verschiedenen com-<lb/>
plementären Güter höherer Ordnung in den Händen verschie-<lb/>
dener Personen. Die Producenten jedes einzelnen Artikels füh-<lb/>
ren der Regel nach in mechanischer Weise ihr Geschäft fort,<lb/>
während die Producenten der complementären Güter ebensowenig<lb/>
sich es in den Sinn kommen lassen, dass die Güterqualität der Dinge,<lb/>
die sie produciren oder verarbeiten, durch das Vorhandensein<lb/>
anderer Güter bedingt sei, die sich gar nicht in ihrem Besitze<lb/>
befinden, und es kann der Irrthum, dass die Güter höherer Ord-<lb/>
nung auch für sich und ohne alle Rücksicht auf das Vorhanden-<lb/>
sein complementärer Güter die Güterqualität besitzen, in der<lb/>
That am leichtesten in Ländern entstehen, wo durch einen regen<lb/>
Verkehr und eine hochentwickelte Volkswirthschaft fast jedes<lb/>
Product unter der stillschweigenden, ja der Regel nach dem<lb/>
Producenten gar nicht bewussten Voraussetzung entsteht, dass<lb/>
andere mit ihm durch Verkehr verbundene Personen für die<lb/>
complementären Güter rechtzeitig vorsorgen werden. Erst<lb/>
wenn diese stillschweigende Voraussetzung bei einem Wechsel<lb/>
der Verhältnisse nicht zutrifft, und die Gesetze, unter welchen<lb/>
die Güter stehen, ihre Einwirkung bis auf die Oberfläche der<lb/>
Erscheinungen erstrecken, pflegt dann der gewohnte mechanische<lb/>
Geschäftsbetrieb unterbrochen zu werden, und die öffentliche<lb/>
Aufmerksamkeit sich solchen Erscheinungen und ihren tiefer<lb/>
liegenden Ursachen zuzuwenden.</p>
          </div><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0034] Die Gesetze, unter welchen die Güter stehen. Zeiten des Ueberflusses zumeist noch zur Arbeit eine geringe Nöthigung finden und die Erntearbeiten wegen des einseitigen Weizenbaues auf einen sehr kurzen Zeitraum zusammengedrängt sind. Unter solchen Verhältnissen (z. B. in den fruchtbaren Ebenen Ungarns), wo der Bedarf an Arbeitsleistungen innerhalb eines kurzen Zeitraumes ein sehr grosser ist, die verfügbaren Ar- beitsleistungen aber nicht ausreichen, pflegen grosse Quantitäten Getreide auf den Feldern zu verderben; der Grund hievon liegt aber darin, dass die complementären Güter der auf den Feldern stehenden Früchte, (die zu ihrer Einbringung nöthigen Arbeits- leistungen,) mangeln, und so jene Feldfrüchte selbst ihre Güter- qualität einbüssen. Wenn die wirthschaftlichen Verhältnisse eines Volkes hoch entwickelt sind, so sind der Regel nach die verschiedenen com- plementären Güter höherer Ordnung in den Händen verschie- dener Personen. Die Producenten jedes einzelnen Artikels füh- ren der Regel nach in mechanischer Weise ihr Geschäft fort, während die Producenten der complementären Güter ebensowenig sich es in den Sinn kommen lassen, dass die Güterqualität der Dinge, die sie produciren oder verarbeiten, durch das Vorhandensein anderer Güter bedingt sei, die sich gar nicht in ihrem Besitze befinden, und es kann der Irrthum, dass die Güter höherer Ord- nung auch für sich und ohne alle Rücksicht auf das Vorhanden- sein complementärer Güter die Güterqualität besitzen, in der That am leichtesten in Ländern entstehen, wo durch einen regen Verkehr und eine hochentwickelte Volkswirthschaft fast jedes Product unter der stillschweigenden, ja der Regel nach dem Producenten gar nicht bewussten Voraussetzung entsteht, dass andere mit ihm durch Verkehr verbundene Personen für die complementären Güter rechtzeitig vorsorgen werden. Erst wenn diese stillschweigende Voraussetzung bei einem Wechsel der Verhältnisse nicht zutrifft, und die Gesetze, unter welchen die Güter stehen, ihre Einwirkung bis auf die Oberfläche der Erscheinungen erstrecken, pflegt dann der gewohnte mechanische Geschäftsbetrieb unterbrochen zu werden, und die öffentliche Aufmerksamkeit sich solchen Erscheinungen und ihren tiefer liegenden Ursachen zuzuwenden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/34
Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/34>, abgerufen am 21.11.2024.