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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Das Vermögen.
Bedarf an denselben", und gäbe es somit in einer Gesellschaft,
welcher alle Güter in einer ihren Bedarf übersteigenden Menge
verfügbar wären, weder ökonomische Güter, noch auch "Ver-
mögen." Das Vermögen ist demnach wohl ein Massstab für den
Grad der Vollständigkeit, mit welcher eine Person ihre Bedürf-
nisse im Vergleiche mit andern Personen, die unter gleichen Ver-
hältnissen ihre wirthschaftliche Thätigkeit entwickeln, befriedigen
kann, aber durchaus nicht ein absoluter Massstab derselben *),
denn die höchste Wohlfahrt aller Individuen und der Gesellschaft
wäre dann erreicht, wenn die der Gesellschaft verfügbaren Güter-
quantitäten so gross wären, dass Niemand eines Vermögens
bedürfte.

Es sollen aber diese Bemerkungen die Lösung eines Problems
einleiten, welches, wegen der scheinbaren Antinomien, zu welchen
es führt, geeignet ist, Misstrauen gegen die Richtigkeit der
Grundsätze unserer Wissenschaft hervorzurufen. Es wurde nämlich
darauf hingewiesen, dass durch eine fortgesetzte Vermehrung
der den wirthschaftenden Subjecten verfügbaren ökonomischen
Güter, diese letzteren schliesslich nothwendigerweise den öko-
nomischen Charakter einbüssen und solcherart die Vermögens-
bestandtheile eine Verminderung erfahren müssten. Es würde
demnach der eigenthümliche Widerspruch zu Tage treten, dass
eine fortgesetzte Vermehrung der Vermögens-Objecte schliesslich
eine Verminderung der Vermögens-Objecte zur nothwendigen
Folge hätte **).


*) Der bloss relative Massstab, welchen das Vermögen für die Be-
urtheilung des Grades der Vollständigkeit bietet, mit welcher ein Individuum
seine Bedürfnisse befriedigen kann, hat dazu geführt, dass einige Schrift-
steller das Vermögen im Sinne der Individualwirthschaft wohl als die Ge-
sammtheit der ökonomischen, das Vermögen im Sinne der Volkswirthschaft
dagegen als die Gesammtheit aller Güter definirten, und zwar zunächst des-
halb, weil sie bei dem erstern die relative Wohlfahrt der einzelnen Individuen,
bei dem letztern die absolute Wohlfahrt der Gesellschaft im Auge hatten. So
zumal Landerdale, Inquiry into the nature etc. S. 39 ff. insb. S. 56 ff.
1804. Auch die von Roscher (System I, §. 8) neuerdings aufgeworfene
Frage, ob nicht das Volksvermögen nach seinem Gebrauchswerthe, das Privat-
vermögen aber nach seinem Tauschwerthe zu schätzen sei, ist auf den obigen
Gegensatz zurückzuführen.
**) Vgl. schon Landerdale a. a. O. S. 43.

Das Vermögen.
Bedarf an denselben“, und gäbe es somit in einer Gesellschaft,
welcher alle Güter in einer ihren Bedarf übersteigenden Menge
verfügbar wären, weder ökonomische Güter, noch auch „Ver-
mögen.“ Das Vermögen ist demnach wohl ein Massstab für den
Grad der Vollständigkeit, mit welcher eine Person ihre Bedürf-
nisse im Vergleiche mit andern Personen, die unter gleichen Ver-
hältnissen ihre wirthschaftliche Thätigkeit entwickeln, befriedigen
kann, aber durchaus nicht ein absoluter Massstab derselben *),
denn die höchste Wohlfahrt aller Individuen und der Gesellschaft
wäre dann erreicht, wenn die der Gesellschaft verfügbaren Güter-
quantitäten so gross wären, dass Niemand eines Vermögens
bedürfte.

Es sollen aber diese Bemerkungen die Lösung eines Problems
einleiten, welches, wegen der scheinbaren Antinomien, zu welchen
es führt, geeignet ist, Misstrauen gegen die Richtigkeit der
Grundsätze unserer Wissenschaft hervorzurufen. Es wurde nämlich
darauf hingewiesen, dass durch eine fortgesetzte Vermehrung
der den wirthschaftenden Subjecten verfügbaren ökonomischen
Güter, diese letzteren schliesslich nothwendigerweise den öko-
nomischen Charakter einbüssen und solcherart die Vermögens-
bestandtheile eine Verminderung erfahren müssten. Es würde
demnach der eigenthümliche Widerspruch zu Tage treten, dass
eine fortgesetzte Vermehrung der Vermögens-Objecte schliesslich
eine Verminderung der Vermögens-Objecte zur nothwendigen
Folge hätte **).


*) Der bloss relative Massstab, welchen das Vermögen für die Be-
urtheilung des Grades der Vollständigkeit bietet, mit welcher ein Individuum
seine Bedürfnisse befriedigen kann, hat dazu geführt, dass einige Schrift-
steller das Vermögen im Sinne der Individualwirthschaft wohl als die Ge-
sammtheit der ökonomischen, das Vermögen im Sinne der Volkswirthschaft
dagegen als die Gesammtheit aller Güter definirten, und zwar zunächst des-
halb, weil sie bei dem erstern die relative Wohlfahrt der einzelnen Individuen,
bei dem letztern die absolute Wohlfahrt der Gesellschaft im Auge hatten. So
zumal Landerdale, Inquiry into the nature etc. S. 39 ff. insb. S. 56 ff.
1804. Auch die von Roscher (System I, §. 8) neuerdings aufgeworfene
Frage, ob nicht das Volksvermögen nach seinem Gebrauchswerthe, das Privat-
vermögen aber nach seinem Tauschwerthe zu schätzen sei, ist auf den obigen
Gegensatz zurückzuführen.
**) Vgl. schon Landerdale a. a. O. S. 43.
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[72/0090] Das Vermögen. Bedarf an denselben“, und gäbe es somit in einer Gesellschaft, welcher alle Güter in einer ihren Bedarf übersteigenden Menge verfügbar wären, weder ökonomische Güter, noch auch „Ver- mögen.“ Das Vermögen ist demnach wohl ein Massstab für den Grad der Vollständigkeit, mit welcher eine Person ihre Bedürf- nisse im Vergleiche mit andern Personen, die unter gleichen Ver- hältnissen ihre wirthschaftliche Thätigkeit entwickeln, befriedigen kann, aber durchaus nicht ein absoluter Massstab derselben *), denn die höchste Wohlfahrt aller Individuen und der Gesellschaft wäre dann erreicht, wenn die der Gesellschaft verfügbaren Güter- quantitäten so gross wären, dass Niemand eines Vermögens bedürfte. Es sollen aber diese Bemerkungen die Lösung eines Problems einleiten, welches, wegen der scheinbaren Antinomien, zu welchen es führt, geeignet ist, Misstrauen gegen die Richtigkeit der Grundsätze unserer Wissenschaft hervorzurufen. Es wurde nämlich darauf hingewiesen, dass durch eine fortgesetzte Vermehrung der den wirthschaftenden Subjecten verfügbaren ökonomischen Güter, diese letzteren schliesslich nothwendigerweise den öko- nomischen Charakter einbüssen und solcherart die Vermögens- bestandtheile eine Verminderung erfahren müssten. Es würde demnach der eigenthümliche Widerspruch zu Tage treten, dass eine fortgesetzte Vermehrung der Vermögens-Objecte schliesslich eine Verminderung der Vermögens-Objecte zur nothwendigen Folge hätte **). *) Der bloss relative Massstab, welchen das Vermögen für die Be- urtheilung des Grades der Vollständigkeit bietet, mit welcher ein Individuum seine Bedürfnisse befriedigen kann, hat dazu geführt, dass einige Schrift- steller das Vermögen im Sinne der Individualwirthschaft wohl als die Ge- sammtheit der ökonomischen, das Vermögen im Sinne der Volkswirthschaft dagegen als die Gesammtheit aller Güter definirten, und zwar zunächst des- halb, weil sie bei dem erstern die relative Wohlfahrt der einzelnen Individuen, bei dem letztern die absolute Wohlfahrt der Gesellschaft im Auge hatten. So zumal Landerdale, Inquiry into the nature etc. S. 39 ff. insb. S. 56 ff. 1804. Auch die von Roscher (System I, §. 8) neuerdings aufgeworfene Frage, ob nicht das Volksvermögen nach seinem Gebrauchswerthe, das Privat- vermögen aber nach seinem Tauschwerthe zu schätzen sei, ist auf den obigen Gegensatz zurückzuführen. **) Vgl. schon Landerdale a. a. O. S. 43.

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/90>, abgerufen am 21.11.2024.