auf rohe Weise in seiner Kirche befriedigt. Er sieht seinen Gott, er fühlt sich von seinem Daseyn mit andächtiger Leidenschaft ergriffen, er denkt ihn und er handelt für ihn. Darum genügt dem rohen Men¬ schen die katholische Religion, wie keine andre, und auch der gebildetste würde sich damit begnügen, er würde keine andre mehr kennen, wenn bei ihm nicht einseitig ein Organ vorherrschte oder mit Hintanse¬ tzung des andern ausgebildet wäre, wenn die Zeit so weit vorgerückt wäre, um so viel umfassen zu kön¬ nen, als der vollendete Katholicismus an Bildung verlangt. Die Idee Gott mit allen Organen zu ver¬ nehmen und anzubeten, im Gegensatz gegen alle an¬ dern Religionen, in denen nur das eine Organ vor¬ waltet, ist äußerst einfach, aber die Realisirung ei¬ ner ihr entsprechenden Kirche übersteigt das Vermögen der Geschlechter, die bis jetzt gelebt haben und leben. Ich wiederhole also, nur die Befriedigung jenes Be¬ dürfnisses, wie sie der gemeine Katholik auf rohe Weise in seiner Kirche findet, ist die erhaltende Kraft, ist das Wesen des Katholicismus, und die Bücher, die das Volk nicht einmal kennt, sind nur einseitige Ausflüsse jener Kraft für die Gelehrten und gegen die Gegner, und allen Gebrechen der Wissenschaft unterworfen. Wer sie angreift, hat leichte Mühe, trifft aber den wahren Katholicismus nicht darin an. Alle Mißgriffe, ja alle Schändlichkeiten derer, welche die Volksstimme als echte Gottesstimme Pfaffen nennt, haben der erhabenen Idee nichts von ihrer Würde
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auf rohe Weiſe in ſeiner Kirche befriedigt. Er ſieht ſeinen Gott, er fuͤhlt ſich von ſeinem Daſeyn mit andaͤchtiger Leidenſchaft ergriffen, er denkt ihn und er handelt fuͤr ihn. Darum genuͤgt dem rohen Men¬ ſchen die katholiſche Religion, wie keine andre, und auch der gebildetſte wuͤrde ſich damit begnuͤgen, er wuͤrde keine andre mehr kennen, wenn bei ihm nicht einſeitig ein Organ vorherrſchte oder mit Hintanſe¬ tzung des andern ausgebildet waͤre, wenn die Zeit ſo weit vorgeruͤckt waͤre, um ſo viel umfaſſen zu koͤn¬ nen, als der vollendete Katholicismus an Bildung verlangt. Die Idee Gott mit allen Organen zu ver¬ nehmen und anzubeten, im Gegenſatz gegen alle an¬ dern Religionen, in denen nur das eine Organ vor¬ waltet, iſt aͤußerſt einfach, aber die Realiſirung ei¬ ner ihr entſprechenden Kirche uͤberſteigt das Vermoͤgen der Geſchlechter, die bis jetzt gelebt haben und leben. Ich wiederhole alſo, nur die Befriedigung jenes Be¬ duͤrfniſſes, wie ſie der gemeine Katholik auf rohe Weiſe in ſeiner Kirche findet, iſt die erhaltende Kraft, iſt das Weſen des Katholicismus, und die Buͤcher, die das Volk nicht einmal kennt, ſind nur einſeitige Ausfluͤſſe jener Kraft fuͤr die Gelehrten und gegen die Gegner, und allen Gebrechen der Wiſſenſchaft unterworfen. Wer ſie angreift, hat leichte Muͤhe, trifft aber den wahren Katholicismus nicht darin an. Alle Mißgriffe, ja alle Schaͤndlichkeiten derer, welche die Volksſtimme als echte Gottesſtimme Pfaffen nennt, haben der erhabenen Idee nichts von ihrer Wuͤrde
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auf rohe Weiſe in ſeiner Kirche befriedigt. Er ſieht
ſeinen Gott, er fuͤhlt ſich von ſeinem Daſeyn mit
andaͤchtiger Leidenſchaft ergriffen, er denkt ihn und
er handelt fuͤr ihn. Darum genuͤgt dem rohen Men¬
ſchen die katholiſche Religion, wie keine andre, und
auch der gebildetſte wuͤrde ſich damit begnuͤgen, er
wuͤrde keine andre mehr kennen, wenn bei ihm nicht
einſeitig ein Organ vorherrſchte oder mit Hintanſe¬
tzung des andern ausgebildet waͤre, wenn die Zeit ſo
weit vorgeruͤckt waͤre, um ſo viel umfaſſen zu koͤn¬
nen, als der vollendete Katholicismus an Bildung
verlangt. Die Idee Gott mit allen Organen zu ver¬
nehmen und anzubeten, im Gegenſatz gegen alle an¬
dern Religionen, in denen nur das eine Organ vor¬
waltet, iſt aͤußerſt einfach, aber die Realiſirung ei¬
ner ihr entſprechenden Kirche uͤberſteigt das Vermoͤgen
der Geſchlechter, die bis jetzt gelebt haben und leben.
Ich wiederhole alſo, nur die Befriedigung jenes Be¬
duͤrfniſſes, wie ſie der gemeine Katholik auf rohe
Weiſe in ſeiner Kirche findet, iſt die erhaltende Kraft,
iſt das Weſen des Katholicismus, und die Buͤcher,
die das Volk nicht einmal kennt, ſind nur einſeitige
Ausfluͤſſe jener Kraft fuͤr die Gelehrten und gegen
die Gegner, und allen Gebrechen der Wiſſenſchaft
unterworfen. Wer ſie angreift, hat leichte Muͤhe,
trifft aber den wahren Katholicismus nicht darin an.
Alle Mißgriffe, ja alle Schaͤndlichkeiten derer, welche
die Volksſtimme als echte Gottesſtimme Pfaffen nennt,
haben der erhabenen Idee nichts von ihrer Wuͤrde
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/109>, abgerufen am 27.11.2024.
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