Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.wehr gegen thierische Abstumpfung und Niederträch¬ Seit einiger Zeit haben sich auch sehr gelehrte wehr gegen thieriſche Abſtumpfung und Niedertraͤch¬ Seit einiger Zeit haben ſich auch ſehr gelehrte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0164" n="154"/> wehr gegen thieriſche Abſtumpfung und Niedertraͤch¬<lb/> tigkeit, wie gegen frivole oder verzweifelte, zu Re¬<lb/> volutionen fuͤhrende Entſchließungen? Ein Umſtand<lb/> wird dem Pietismus beſonders jetzt guͤnſtig, der<lb/> Mangel an oͤffentlichem Leben und der Eigennutz,<lb/> der das Privatleben zerruͤttet. Waͤhrend der Eng¬<lb/> laͤnder ſeine große Staatsthaͤtigkeit, der Franzoſe<lb/> ſeine geſelligen Genuͤſſe, der Italiaͤner ſeine Natur<lb/> beſitzt, findet der Deutſche den Himmel nur in ſich<lb/> ſelbſt. Die Langweiligkeit des Staatslebens, die<lb/> Perfidie der buͤrgerlichen Geſellſchaft und oft zugleich<lb/> die Einfoͤrmigkeit der Natur und des haͤuslichen Le¬<lb/> bens machen ihm, wie die Wonne frommer Herzens¬<lb/> ergießung, ſo die Geſellſchaft theuer und unentbehr¬<lb/> lich, die mit ihm die gleiche Geſinnung theilt, und<lb/> es verbindet ſich damit eine eigenthuͤmliche Sehnſucht,<lb/> welche die Deutſchen in allen Parteien immer aus¬<lb/> gezeichnet hat, eine abgeſchloſſene Gemeinde der Hei¬<lb/> ligen, der Auserwaͤhlten, der Apoſtel einer Idee zu<lb/> bilden. Dieß war und iſt das ſtaͤrkſte Band unter<lb/> den Separatiſten.</p><lb/> <p>Seit einiger Zeit haben ſich auch ſehr gelehrte<lb/> Maͤnner des Pietismus direct oder indirect angenom¬<lb/> men. Ein pietiſtiſcher Geſchmack, eine gewiſſe An¬<lb/> ſteckung pietiſtiſcher Gefuͤhle und Ausdruͤcke iſt in der<lb/> Literatur eben ſo weit verbreitet, als im Leben. Dieß<lb/> finden wir zunaͤchſt in der theologiſchen Literatur.<lb/> Eine Menge proteſtantiſche Geiſtliche neigen zum<lb/> Gefuͤhlsglauben und reden ihm in Dogmen, Predig¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [154/0164]
wehr gegen thieriſche Abſtumpfung und Niedertraͤch¬
tigkeit, wie gegen frivole oder verzweifelte, zu Re¬
volutionen fuͤhrende Entſchließungen? Ein Umſtand
wird dem Pietismus beſonders jetzt guͤnſtig, der
Mangel an oͤffentlichem Leben und der Eigennutz,
der das Privatleben zerruͤttet. Waͤhrend der Eng¬
laͤnder ſeine große Staatsthaͤtigkeit, der Franzoſe
ſeine geſelligen Genuͤſſe, der Italiaͤner ſeine Natur
beſitzt, findet der Deutſche den Himmel nur in ſich
ſelbſt. Die Langweiligkeit des Staatslebens, die
Perfidie der buͤrgerlichen Geſellſchaft und oft zugleich
die Einfoͤrmigkeit der Natur und des haͤuslichen Le¬
bens machen ihm, wie die Wonne frommer Herzens¬
ergießung, ſo die Geſellſchaft theuer und unentbehr¬
lich, die mit ihm die gleiche Geſinnung theilt, und
es verbindet ſich damit eine eigenthuͤmliche Sehnſucht,
welche die Deutſchen in allen Parteien immer aus¬
gezeichnet hat, eine abgeſchloſſene Gemeinde der Hei¬
ligen, der Auserwaͤhlten, der Apoſtel einer Idee zu
bilden. Dieß war und iſt das ſtaͤrkſte Band unter
den Separatiſten.
Seit einiger Zeit haben ſich auch ſehr gelehrte
Maͤnner des Pietismus direct oder indirect angenom¬
men. Ein pietiſtiſcher Geſchmack, eine gewiſſe An¬
ſteckung pietiſtiſcher Gefuͤhle und Ausdruͤcke iſt in der
Literatur eben ſo weit verbreitet, als im Leben. Dieß
finden wir zunaͤchſt in der theologiſchen Literatur.
Eine Menge proteſtantiſche Geiſtliche neigen zum
Gefuͤhlsglauben und reden ihm in Dogmen, Predig¬
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