sprach Görres aus. Das consequenteste System, das sich zugleich der Empirie am vollkommensten anschmiegte und gleichsam den ganzen Thatbestand der Naturge¬ schichte wie durch einen Zauberschlag in eine Philo¬ sophie verwandelte, verdanken wir Oken. Er über¬ trifft alle Naturphilosophen an empirischen Kenntnissen, alle Empiriker an Philosophie. In der Anwendung der Mathematik auf die Naturphilosophie erwarben sich vorzüglich Wagner und Eschenmayer Verdienste. Steffens zeichnete sich durch Untersuchungen über die Vorgeschichte, Schubert durch Aufklärung der Nacht¬ seite der Naturwissenschaft aus. Sie alle brachten in das Studium der Natur einen neuen großen Schwung. Durch Hegel hat ohnstreitig die Logik viel gewonnen. Es liegt in seiner Taschenspielerei mit Begriffen ein Talisman, den man ihm abgewinnen muß, um ihn würdiger zu gebrauchen.
Wenn wir durch jeden, der auf isolirter Bahn etwas Großes geleistet, uns im Einzelnen belehren lassen müssen, so sollen wir doch immer den Blick nach den universellen Geistern, den Polarsternen des Himmels richten, um welche die größte Sphäre sich umwälzt. Zwar eine ewige Kluft ist festgestellt zwi¬ schen der Weisheit Gottes und der der Menschen; doch eine Stelle gibt es, wo auch der menschliche Geist am höchsten steht, und die freieste und reichste Aus¬ sicht zugleich gewinnt. Heil dem Genius, in welchem der Sinn für die Natur, die moralische Kraft, der Scharfsinn des Verstandes, die tiefe Innigkeit des
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ſprach Goͤrres aus. Das conſequenteſte Syſtem, das ſich zugleich der Empirie am vollkommenſten anſchmiegte und gleichſam den ganzen Thatbeſtand der Naturge¬ ſchichte wie durch einen Zauberſchlag in eine Philo¬ ſophie verwandelte, verdanken wir Oken. Er uͤber¬ trifft alle Naturphiloſophen an empiriſchen Kenntniſſen, alle Empiriker an Philoſophie. In der Anwendung der Mathematik auf die Naturphiloſophie erwarben ſich vorzuͤglich Wagner und Eſchenmayer Verdienſte. Steffens zeichnete ſich durch Unterſuchungen uͤber die Vorgeſchichte, Schubert durch Aufklaͤrung der Nacht¬ ſeite der Naturwiſſenſchaft aus. Sie alle brachten in das Studium der Natur einen neuen großen Schwung. Durch Hegel hat ohnſtreitig die Logik viel gewonnen. Es liegt in ſeiner Taſchenſpielerei mit Begriffen ein Talisman, den man ihm abgewinnen muß, um ihn wuͤrdiger zu gebrauchen.
Wenn wir durch jeden, der auf iſolirter Bahn etwas Großes geleiſtet, uns im Einzelnen belehren laſſen muͤſſen, ſo ſollen wir doch immer den Blick nach den univerſellen Geiſtern, den Polarſternen des Himmels richten, um welche die groͤßte Sphaͤre ſich umwaͤlzt. Zwar eine ewige Kluft iſt feſtgeſtellt zwi¬ ſchen der Weisheit Gottes und der der Menſchen; doch eine Stelle gibt es, wo auch der menſchliche Geiſt am hoͤchſten ſteht, und die freieſte und reichſte Aus¬ ſicht zugleich gewinnt. Heil dem Genius, in welchem der Sinn fuͤr die Natur, die moraliſche Kraft, der Scharfſinn des Verſtandes, die tiefe Innigkeit des
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ſprach Goͤrres aus. Das conſequenteſte Syſtem, das
ſich zugleich der Empirie am vollkommenſten anſchmiegte
und gleichſam den ganzen Thatbeſtand der Naturge¬
ſchichte wie durch einen Zauberſchlag in eine Philo¬
ſophie verwandelte, verdanken wir Oken. Er uͤber¬
trifft alle Naturphiloſophen an empiriſchen Kenntniſſen,
alle Empiriker an Philoſophie. In der Anwendung
der Mathematik auf die Naturphiloſophie erwarben
ſich vorzuͤglich Wagner und Eſchenmayer Verdienſte.
Steffens zeichnete ſich durch Unterſuchungen uͤber die
Vorgeſchichte, Schubert durch Aufklaͤrung der Nacht¬
ſeite der Naturwiſſenſchaft aus. Sie alle brachten in
das Studium der Natur einen neuen großen Schwung.
Durch Hegel hat ohnſtreitig die Logik viel gewonnen.
Es liegt in ſeiner Taſchenſpielerei mit Begriffen ein
Talisman, den man ihm abgewinnen muß, um ihn
wuͤrdiger zu gebrauchen.
Wenn wir durch jeden, der auf iſolirter Bahn
etwas Großes geleiſtet, uns im Einzelnen belehren
laſſen muͤſſen, ſo ſollen wir doch immer den Blick
nach den univerſellen Geiſtern, den Polarſternen des
Himmels richten, um welche die groͤßte Sphaͤre ſich
umwaͤlzt. Zwar eine ewige Kluft iſt feſtgeſtellt zwi¬
ſchen der Weisheit Gottes und der der Menſchen; doch
eine Stelle gibt es, wo auch der menſchliche Geiſt
am hoͤchſten ſteht, und die freieſte und reichſte Aus¬
ſicht zugleich gewinnt. Heil dem Genius, in welchem
der Sinn fuͤr die Natur, die moraliſche Kraft, der
Scharfſinn des Verſtandes, die tiefe Innigkeit des
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/181>, abgerufen am 19.07.2024.
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