Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.Wir haben genug gelitten, um uns um Politik Wir haben uns nur nothgedrungen auf den poli¬ Von jeher sind nur solche Völker, deren ganze Wir haben genug gelitten, um uns um Politik Wir haben uns nur nothgedrungen auf den poli¬ Von jeher ſind nur ſolche Voͤlker, deren ganze <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0225" n="215"/> <p>Wir haben genug gelitten, um uns um Politik<lb/> bekuͤmmern zu muͤſſen, und zu wenig gethan, um zu¬<lb/> gleich etwas Großes dafuͤr leiſten zu koͤnnen. Wir ha¬<lb/> ben zu viel Muſter vor uns und zu wenige Selbſtaͤndig¬<lb/> keit, um ſelbſt Muſter zu ſeyn. Unſer Zuſtand wech¬<lb/> ſelt deßfalls, ohne feſten Charakter, wie wir geſto¬<lb/> ßen werden. Man findet nirgend ſo viele <hi rendition="#g">Mittel¬<lb/> zuſtaͤnde</hi>, als in Deutſchland. Man will es uͤberall<lb/> recht machen, und gewiß haben Wenige die Macht,<lb/> die nicht zugleich die Nothwendigkeit fuͤhlten, es recht<lb/> machen zu muͤſſen; aber der Anſpruͤche ſind zu viele<lb/> und da der Hauptanſpruch wie der gegenwaͤrtigen<lb/> Zeit ſo des deutſchen Phlegmas uͤberhaupt Maͤßigung<lb/> und Frieden iſt, ſo kann es nicht wohl anders ſeyn.</p><lb/> <p>Wir haben uns nur nothgedrungen auf den poli¬<lb/> tiſchen Schauplatz reißen laſſen und finden uns noch<lb/> nicht ſonderlich darauf zurecht. Was wir etwa ha¬<lb/> ben thun muͤſſen, kann man kein eigentliches Handeln<lb/> nennen, und unſre Reden wollen deßfalls noch weni¬<lb/> ger bedeuten.</p><lb/> <p>Von jeher ſind nur ſolche Voͤlker, deren ganze<lb/> Thaͤtigkeit im oͤffentlichen Staatsleben ſich concen¬<lb/> trirte, zugleich durch eine politiſche Literatur ausge¬<lb/> zeichnet geweſen, Griechen, Roͤmer, Englaͤnder, Fran¬<lb/> zoſen und in beſſern Zeiten auch die Italiaͤner. Die¬<lb/> ſen muͤſſen wir den Vorrang zugeſtehn. Zwar fehlt<lb/> es uns an <hi rendition="#g">Theorien</hi> und phantaſtiſchen Traͤumen<lb/> nicht, und wir ſind daran vielleicht ſogar reicher,<lb/> als andre Voͤlker, weil die Phantaſie einen deſto<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [215/0225]
Wir haben genug gelitten, um uns um Politik
bekuͤmmern zu muͤſſen, und zu wenig gethan, um zu¬
gleich etwas Großes dafuͤr leiſten zu koͤnnen. Wir ha¬
ben zu viel Muſter vor uns und zu wenige Selbſtaͤndig¬
keit, um ſelbſt Muſter zu ſeyn. Unſer Zuſtand wech¬
ſelt deßfalls, ohne feſten Charakter, wie wir geſto¬
ßen werden. Man findet nirgend ſo viele Mittel¬
zuſtaͤnde, als in Deutſchland. Man will es uͤberall
recht machen, und gewiß haben Wenige die Macht,
die nicht zugleich die Nothwendigkeit fuͤhlten, es recht
machen zu muͤſſen; aber der Anſpruͤche ſind zu viele
und da der Hauptanſpruch wie der gegenwaͤrtigen
Zeit ſo des deutſchen Phlegmas uͤberhaupt Maͤßigung
und Frieden iſt, ſo kann es nicht wohl anders ſeyn.
Wir haben uns nur nothgedrungen auf den poli¬
tiſchen Schauplatz reißen laſſen und finden uns noch
nicht ſonderlich darauf zurecht. Was wir etwa ha¬
ben thun muͤſſen, kann man kein eigentliches Handeln
nennen, und unſre Reden wollen deßfalls noch weni¬
ger bedeuten.
Von jeher ſind nur ſolche Voͤlker, deren ganze
Thaͤtigkeit im oͤffentlichen Staatsleben ſich concen¬
trirte, zugleich durch eine politiſche Literatur ausge¬
zeichnet geweſen, Griechen, Roͤmer, Englaͤnder, Fran¬
zoſen und in beſſern Zeiten auch die Italiaͤner. Die¬
ſen muͤſſen wir den Vorrang zugeſtehn. Zwar fehlt
es uns an Theorien und phantaſtiſchen Traͤumen
nicht, und wir ſind daran vielleicht ſogar reicher,
als andre Voͤlker, weil die Phantaſie einen deſto
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |