Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.Ehre gereichen würden, daß dem ehrlichen Deutschen Auch was in der deutschen Sprache verdorben Die wahre Bildung ist immer Sache des Vol¬ Ehre gereichen wuͤrden, daß dem ehrlichen Deutſchen Auch was in der deutſchen Sprache verdorben Die wahre Bildung iſt immer Sache des Vol¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0050" n="40"/> Ehre gereichen wuͤrden, daß dem ehrlichen Deutſchen<lb/> dumm dabei zu Muthe wird. Bald bedienen ſie ſich<lb/> der abgefeimteſten Raͤnke oder der groͤbſten Ausfaͤlle,<lb/> deren ſich ſelbſt der Poͤbel ſchaͤmen wuͤrde.</p><lb/> <p>Auch was in der deutſchen Sprache verdorben<lb/> wurde, kommt groͤßtentheils auf Rechnung der Schul¬<lb/> gelehrten. Daß ſie mit fremden Begriffen fremde<lb/> Terminologien annahmen, war natuͤrlich; in ihrer<lb/> Vornehmigkeit affectirten ſie aber auch eine <hi rendition="#g">heilige<lb/> Unverſtaͤndlichkeit</hi>, um ſich den Laien deſto ehr¬<lb/> wuͤrdiger zu machen, oder ſie waren zu traͤg, und<lb/> wurden zu wenig genoͤthigt, der Popularitaͤt ein<lb/> Opfer zu bringen. Die Fakultaͤtsmenſchen koͤnnen<lb/> ſich ſo deutſch ausdruͤcken, daß kein Ungeweihter ſie<lb/> verſteht, und die Philoſophen verſtehen ſich oft ſelber<lb/> nicht.</p><lb/> <p>Die wahre Bildung iſt immer Sache des Vol¬<lb/> kes, die Schulgelehrſamkeit Sache eines Standes,<lb/> einer Kaſte. Die Gelehrſamkeit bevogtet aber bei<lb/> uns noch die Bildung, die Kaſte noch das Volk.<lb/> Dieß iſt ein Mißverhaͤltniß, das ſich mit Nothwen¬<lb/> digkeit aufheben muß. Die gelehrte Vornehmigkeit<lb/> iſt nur ein Bettelſtolz, der zu Schanden werden<lb/> wird. Soll unſre Weisheit wirkſam werden, ſo muß<lb/> ſie zuerſt allgemein faßlich ſeyn, und das kann ſie<lb/> nur, wenn ſie aus dem Zwange der Schulgelehrſam¬<lb/> keit ſich befreit. Man fuͤrchtet ſich gewoͤhnlich vor<lb/> der Popularitaͤt, weil man ſie mit Gemeinheit ver¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [40/0050]
Ehre gereichen wuͤrden, daß dem ehrlichen Deutſchen
dumm dabei zu Muthe wird. Bald bedienen ſie ſich
der abgefeimteſten Raͤnke oder der groͤbſten Ausfaͤlle,
deren ſich ſelbſt der Poͤbel ſchaͤmen wuͤrde.
Auch was in der deutſchen Sprache verdorben
wurde, kommt groͤßtentheils auf Rechnung der Schul¬
gelehrten. Daß ſie mit fremden Begriffen fremde
Terminologien annahmen, war natuͤrlich; in ihrer
Vornehmigkeit affectirten ſie aber auch eine heilige
Unverſtaͤndlichkeit, um ſich den Laien deſto ehr¬
wuͤrdiger zu machen, oder ſie waren zu traͤg, und
wurden zu wenig genoͤthigt, der Popularitaͤt ein
Opfer zu bringen. Die Fakultaͤtsmenſchen koͤnnen
ſich ſo deutſch ausdruͤcken, daß kein Ungeweihter ſie
verſteht, und die Philoſophen verſtehen ſich oft ſelber
nicht.
Die wahre Bildung iſt immer Sache des Vol¬
kes, die Schulgelehrſamkeit Sache eines Standes,
einer Kaſte. Die Gelehrſamkeit bevogtet aber bei
uns noch die Bildung, die Kaſte noch das Volk.
Dieß iſt ein Mißverhaͤltniß, das ſich mit Nothwen¬
digkeit aufheben muß. Die gelehrte Vornehmigkeit
iſt nur ein Bettelſtolz, der zu Schanden werden
wird. Soll unſre Weisheit wirkſam werden, ſo muß
ſie zuerſt allgemein faßlich ſeyn, und das kann ſie
nur, wenn ſie aus dem Zwange der Schulgelehrſam¬
keit ſich befreit. Man fuͤrchtet ſich gewoͤhnlich vor
der Popularitaͤt, weil man ſie mit Gemeinheit ver¬
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