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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.

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von bekommt. Es erscheinen: Mythologien für Da¬
men, populäre Vorlesungen über die Astronomie, Haus¬
apotheker und Selbstärzte, Weltgeschichten für die
Jugend, die Weltweisheit in einer Nuß, und die
Theologie in acht Bänden oder Stunden der Andacht
und dergleichen. Wie zu des Heilands Geburt hält
man einen allgemeinen Kindermarkt, und alle Buch¬
händlerbuden hängen voll Schriften für die (elegante)
Welt, das Volk, die (gebildeten) Stände, die Da¬
men, die (deutschen) Frauen, das (reifere) Alter,
die (zartere, liebe) Jugend, Söhne und Töchter
edler Herkunft, Bürger und Landmann, für Jeder¬
mann, für allerlei Leser, kurz für so viele, als der
Buchhändler zusammen trommeln kann.

An und für sich ist das Bestreben, faßlich zu
schreiben und die ungebildete Mitwelt zu belehren,
eben so lobenswürdig, als die gelehrte Vornehmigkeit,
die mit ihrer Hieroglyphensprache prahlt, und stolz
darauf ist, daß der große Haufe sie nicht versteht,
verworfen werden muß. Auch die wenige Strenge,
mit welcher wissenschaftliche Gegenstände im populä¬
ren Vortrag abgehandelt zu werden pflegen und der
fade Ton, der sich dabei einschleicht, läßt sich zum
Theil durch das Publikum entschuldigen, nach dessen
Fassungskräften der Autor sich richten muß, wenn er
gehört und verstanden werden will. Indeß läßt sich
nicht verkennen, daß es doch nur wieder die vielen
unberufenen Autoren sind, die auch hier das meiste
verderben. Auch der seichteste Kopf maßt sich an,

von bekommt. Es erſcheinen: Mythologien fuͤr Da¬
men, populaͤre Vorleſungen uͤber die Aſtronomie, Haus¬
apotheker und Selbſtaͤrzte, Weltgeſchichten fuͤr die
Jugend, die Weltweisheit in einer Nuß, und die
Theologie in acht Baͤnden oder Stunden der Andacht
und dergleichen. Wie zu des Heilands Geburt haͤlt
man einen allgemeinen Kindermarkt, und alle Buch¬
haͤndlerbuden haͤngen voll Schriften fuͤr die (elegante)
Welt, das Volk, die (gebildeten) Staͤnde, die Da¬
men, die (deutſchen) Frauen, das (reifere) Alter,
die (zartere, liebe) Jugend, Soͤhne und Toͤchter
edler Herkunft, Buͤrger und Landmann, fuͤr Jeder¬
mann, fuͤr allerlei Leſer, kurz fuͤr ſo viele, als der
Buchhaͤndler zuſammen trommeln kann.

An und fuͤr ſich iſt das Beſtreben, faßlich zu
ſchreiben und die ungebildete Mitwelt zu belehren,
eben ſo lobenswuͤrdig, als die gelehrte Vornehmigkeit,
die mit ihrer Hieroglyphenſprache prahlt, und ſtolz
darauf iſt, daß der große Haufe ſie nicht verſteht,
verworfen werden muß. Auch die wenige Strenge,
mit welcher wiſſenſchaftliche Gegenſtaͤnde im populaͤ¬
ren Vortrag abgehandelt zu werden pflegen und der
fade Ton, der ſich dabei einſchleicht, laͤßt ſich zum
Theil durch das Publikum entſchuldigen, nach deſſen
Faſſungskraͤften der Autor ſich richten muß, wenn er
gehoͤrt und verſtanden werden will. Indeß laͤßt ſich
nicht verkennen, daß es doch nur wieder die vielen
unberufenen Autoren ſind, die auch hier das meiſte
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[71/0081] von bekommt. Es erſcheinen: Mythologien fuͤr Da¬ men, populaͤre Vorleſungen uͤber die Aſtronomie, Haus¬ apotheker und Selbſtaͤrzte, Weltgeſchichten fuͤr die Jugend, die Weltweisheit in einer Nuß, und die Theologie in acht Baͤnden oder Stunden der Andacht und dergleichen. Wie zu des Heilands Geburt haͤlt man einen allgemeinen Kindermarkt, und alle Buch¬ haͤndlerbuden haͤngen voll Schriften fuͤr die (elegante) Welt, das Volk, die (gebildeten) Staͤnde, die Da¬ men, die (deutſchen) Frauen, das (reifere) Alter, die (zartere, liebe) Jugend, Soͤhne und Toͤchter edler Herkunft, Buͤrger und Landmann, fuͤr Jeder¬ mann, fuͤr allerlei Leſer, kurz fuͤr ſo viele, als der Buchhaͤndler zuſammen trommeln kann. An und fuͤr ſich iſt das Beſtreben, faßlich zu ſchreiben und die ungebildete Mitwelt zu belehren, eben ſo lobenswuͤrdig, als die gelehrte Vornehmigkeit, die mit ihrer Hieroglyphenſprache prahlt, und ſtolz darauf iſt, daß der große Haufe ſie nicht verſteht, verworfen werden muß. Auch die wenige Strenge, mit welcher wiſſenſchaftliche Gegenſtaͤnde im populaͤ¬ ren Vortrag abgehandelt zu werden pflegen und der fade Ton, der ſich dabei einſchleicht, laͤßt ſich zum Theil durch das Publikum entſchuldigen, nach deſſen Faſſungskraͤften der Autor ſich richten muß, wenn er gehoͤrt und verſtanden werden will. Indeß laͤßt ſich nicht verkennen, daß es doch nur wieder die vielen unberufenen Autoren ſind, die auch hier das meiſte verderben. Auch der ſeichteſte Kopf maßt ſich an,

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/81>, abgerufen am 24.11.2024.