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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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Kunstgeschwätz verdorben wird. Euer moralisches
Gefühl ist für Feinheiten dieser Art abgestumpft,
nur mit einer sinnlichen Gourmandise mögt ihr in
eurer Vornehmigkeit prahlen.

Schiller hat zahllose Nachahmer gefunden, und
wie es das Schicksal aller Nachahmer ist, sie sind in
Einseitigkeit und Übertreibung oder in ein mattes,
mechanisches Nachkopiren verfallen. Schon in der
Form stehen sie alle tief unter Schiller. Sie haben
allesammt seine Jamben, seine Diction, seine Sen¬
tenzen nachgeahmt, aber nirgends finden wir jene
stahlfeste, elastische, wohlklingende Sprache. Am
nächsten ist ihm Theodor Körner gekommen, ob¬
gleich der Abstand sehr groß ist. Die übrigen Nach¬
ahmer haben entweder mehr philosophische oder mehr
historische Trauerspiele geschrieben. Unter den erstern
steht Raupach oben an. Bei einem großen poeti¬
schen Talent muß ihm doch vorgeworfen werden, daß
er nicht wie Schiller, ideale Naturen geschaffen, son¬
dern nur gewisse philosophische und namentlich poli¬
tische Begriffe in dramatisirten Beispielen auf den
Brettern versinnlicht hat. Die meisten andern Jün¬
ger der Schillerschen Schule haben, wie Collin, Klin¬
gemann, Öhlenschläger, historische Stoffe zum Theil
im patriotischen Sinn, zum Theil des Theaterpom¬
pes wegen auf die Bühne gebracht, und nur selten
sind wahrhaft ideale Naturen darin nach Schiller's
Weise verherrlicht worden. Ganz außer den Grän¬

Kunſtgeſchwaͤtz verdorben wird. Euer moraliſches
Gefuͤhl iſt fuͤr Feinheiten dieſer Art abgeſtumpft,
nur mit einer ſinnlichen Gourmandiſe moͤgt ihr in
eurer Vornehmigkeit prahlen.

Schiller hat zahlloſe Nachahmer gefunden, und
wie es das Schickſal aller Nachahmer iſt, ſie ſind in
Einſeitigkeit und Übertreibung oder in ein mattes,
mechaniſches Nachkopiren verfallen. Schon in der
Form ſtehen ſie alle tief unter Schiller. Sie haben
alleſammt ſeine Jamben, ſeine Diction, ſeine Sen¬
tenzen nachgeahmt, aber nirgends finden wir jene
ſtahlfeſte, elaſtiſche, wohlklingende Sprache. Am
naͤchſten iſt ihm Theodor Koͤrner gekommen, ob¬
gleich der Abſtand ſehr groß iſt. Die uͤbrigen Nach¬
ahmer haben entweder mehr philoſophiſche oder mehr
hiſtoriſche Trauerſpiele geſchrieben. Unter den erſtern
ſteht Raupach oben an. Bei einem großen poeti¬
ſchen Talent muß ihm doch vorgeworfen werden, daß
er nicht wie Schiller, ideale Naturen geſchaffen, ſon¬
dern nur gewiſſe philoſophiſche und namentlich poli¬
tiſche Begriffe in dramatiſirten Beiſpielen auf den
Brettern verſinnlicht hat. Die meiſten andern Juͤn¬
ger der Schillerſchen Schule haben, wie Collin, Klin¬
gemann, Öhlenſchlaͤger, hiſtoriſche Stoffe zum Theil
im patriotiſchen Sinn, zum Theil des Theaterpom¬
pes wegen auf die Buͤhne gebracht, und nur ſelten
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[131/0141] Kunſtgeſchwaͤtz verdorben wird. Euer moraliſches Gefuͤhl iſt fuͤr Feinheiten dieſer Art abgeſtumpft, nur mit einer ſinnlichen Gourmandiſe moͤgt ihr in eurer Vornehmigkeit prahlen. Schiller hat zahlloſe Nachahmer gefunden, und wie es das Schickſal aller Nachahmer iſt, ſie ſind in Einſeitigkeit und Übertreibung oder in ein mattes, mechaniſches Nachkopiren verfallen. Schon in der Form ſtehen ſie alle tief unter Schiller. Sie haben alleſammt ſeine Jamben, ſeine Diction, ſeine Sen¬ tenzen nachgeahmt, aber nirgends finden wir jene ſtahlfeſte, elaſtiſche, wohlklingende Sprache. Am naͤchſten iſt ihm Theodor Koͤrner gekommen, ob¬ gleich der Abſtand ſehr groß iſt. Die uͤbrigen Nach¬ ahmer haben entweder mehr philoſophiſche oder mehr hiſtoriſche Trauerſpiele geſchrieben. Unter den erſtern ſteht Raupach oben an. Bei einem großen poeti¬ ſchen Talent muß ihm doch vorgeworfen werden, daß er nicht wie Schiller, ideale Naturen geſchaffen, ſon¬ dern nur gewiſſe philoſophiſche und namentlich poli¬ tiſche Begriffe in dramatiſirten Beiſpielen auf den Brettern verſinnlicht hat. Die meiſten andern Juͤn¬ ger der Schillerſchen Schule haben, wie Collin, Klin¬ gemann, Öhlenſchlaͤger, hiſtoriſche Stoffe zum Theil im patriotiſchen Sinn, zum Theil des Theaterpom¬ pes wegen auf die Buͤhne gebracht, und nur ſelten ſind wahrhaft ideale Naturen darin nach Schiller's Weiſe verherrlicht worden. Ganz außer den Graͤn¬

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/141>, abgerufen am 23.11.2024.