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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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fügen. Die Sammlungen in hundert und mehr Quart¬
bänden, welche die Weltgeschichte im Detail behan¬
deln, und ungern einen assyrischen König oder deut¬
schen Kurfürsten auslassen, sind wegen ihrer monströsen
Unbehülflichkeit mit Recht aus der Mode gekommen.
Man sucht das Wichtigste der Weltgeschichte in ge¬
drängtem Zusammenhange zu begreifen, und das Ein¬
zelne gleich Bildern in kleine Rahmen zu fassen, in
Biographien, Sittengemälden, Memoires. Dies sind
allein die Formen, in welchen man das auf eine be¬
friedigende Weise schildern kann, was die Geschichte
ganzer Zeiten und Völker oder gar des ganzen Men¬
schengeschlechts unbeachtet lassen muß. Wer den Gang
der Geschichte im Großen verfolgt, kann sein Interesse
nicht endlos zersplittern; dem Interesse für das Ein¬
zelne wird aber vollkommen Genüge geleistet, wenn
wir den höhern Standpunkt verlassen, und uns nur
in einen Moment der Geschichte, in eine bestimmte
Gegend und in den Gesichtskreis eines oder weniger
Menschen versetzen. Hier geht nun aber die Special¬
geschichte unmittelbar in den Roman über. Es ist
wenig Unterschied, ob der Biograph die Wirklichkeit
in allen ihren reizenden, romanhaften Einzelheiten
schildert, oder ob der Romandichter sein Werk dem
Geist und Ton eines bestimmten Zeitalters genau an¬
paßt. Ist nicht ein gewöhnlicher Liebeshandel oder
irgend eine philosophische Idee der Zweck des Dich¬
ters, will er nur den alterthümlichen Geist, die Er¬
innerung an vergangene Tage heraufbeschwören, und

fuͤgen. Die Sammlungen in hundert und mehr Quart¬
baͤnden, welche die Weltgeſchichte im Detail behan¬
deln, und ungern einen aſſyriſchen Koͤnig oder deut¬
ſchen Kurfuͤrſten auslaſſen, ſind wegen ihrer monſtroͤſen
Unbehuͤlflichkeit mit Recht aus der Mode gekommen.
Man ſucht das Wichtigſte der Weltgeſchichte in ge¬
draͤngtem Zuſammenhange zu begreifen, und das Ein¬
zelne gleich Bildern in kleine Rahmen zu faſſen, in
Biographien, Sittengemaͤlden, Memoires. Dies ſind
allein die Formen, in welchen man das auf eine be¬
friedigende Weiſe ſchildern kann, was die Geſchichte
ganzer Zeiten und Voͤlker oder gar des ganzen Men¬
ſchengeſchlechts unbeachtet laſſen muß. Wer den Gang
der Geſchichte im Großen verfolgt, kann ſein Intereſſe
nicht endlos zerſplittern; dem Intereſſe fuͤr das Ein¬
zelne wird aber vollkommen Genuͤge geleiſtet, wenn
wir den hoͤhern Standpunkt verlaſſen, und uns nur
in einen Moment der Geſchichte, in eine beſtimmte
Gegend und in den Geſichtskreis eines oder weniger
Menſchen verſetzen. Hier geht nun aber die Special¬
geſchichte unmittelbar in den Roman uͤber. Es iſt
wenig Unterſchied, ob der Biograph die Wirklichkeit
in allen ihren reizenden, romanhaften Einzelheiten
ſchildert, oder ob der Romandichter ſein Werk dem
Geiſt und Ton eines beſtimmten Zeitalters genau an¬
paßt. Iſt nicht ein gewoͤhnlicher Liebeshandel oder
irgend eine philoſophiſche Idee der Zweck des Dich¬
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[185/0195] fuͤgen. Die Sammlungen in hundert und mehr Quart¬ baͤnden, welche die Weltgeſchichte im Detail behan¬ deln, und ungern einen aſſyriſchen Koͤnig oder deut¬ ſchen Kurfuͤrſten auslaſſen, ſind wegen ihrer monſtroͤſen Unbehuͤlflichkeit mit Recht aus der Mode gekommen. Man ſucht das Wichtigſte der Weltgeſchichte in ge¬ draͤngtem Zuſammenhange zu begreifen, und das Ein¬ zelne gleich Bildern in kleine Rahmen zu faſſen, in Biographien, Sittengemaͤlden, Memoires. Dies ſind allein die Formen, in welchen man das auf eine be¬ friedigende Weiſe ſchildern kann, was die Geſchichte ganzer Zeiten und Voͤlker oder gar des ganzen Men¬ ſchengeſchlechts unbeachtet laſſen muß. Wer den Gang der Geſchichte im Großen verfolgt, kann ſein Intereſſe nicht endlos zerſplittern; dem Intereſſe fuͤr das Ein¬ zelne wird aber vollkommen Genuͤge geleiſtet, wenn wir den hoͤhern Standpunkt verlaſſen, und uns nur in einen Moment der Geſchichte, in eine beſtimmte Gegend und in den Geſichtskreis eines oder weniger Menſchen verſetzen. Hier geht nun aber die Special¬ geſchichte unmittelbar in den Roman uͤber. Es iſt wenig Unterſchied, ob der Biograph die Wirklichkeit in allen ihren reizenden, romanhaften Einzelheiten ſchildert, oder ob der Romandichter ſein Werk dem Geiſt und Ton eines beſtimmten Zeitalters genau an¬ paßt. Iſt nicht ein gewoͤhnlicher Liebeshandel oder irgend eine philoſophiſche Idee der Zweck des Dich¬ ters, will er nur den alterthuͤmlichen Geiſt, die Er¬ innerung an vergangene Tage heraufbeſchwoͤren, und

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/195>, abgerufen am 21.11.2024.