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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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wenn es unser ist. Die Weinlieder sind in Deutsch¬
land gewiß besser, als irgend wo anders, wie wir
denn auch trotz der Prahlereien einiger Fremden,
noch immer die besten Trinker sind und bleiben. Aber
auch in die Weinlieder hat sich ein falscher Ton na¬
mentlich durch die verschiedenen Zwecke der beim
Weine sich versammelnden Gesellschaften eingeschlichen.
Sie sind zu etwas verlängerten Toasten geworden.
Der Freimaurer trinkt der Menschheit, der Soldat
dem Kriege, der Liberale dem Vaterland und der
Freiheit, der Student seinen kleinen Privilegien zu.
Gemischte Gesellschaften aber haben eine gewisse
Sorte von Liedern, die sie eigentlich nur beim Was¬
ser singen sollten. Da heißt es, daß man beisam¬
men sitze, daß man lustig trinke, daß man Bier oder
Wein oder Punsch vor sich habe, daß dieselben
schmecken und lustig machen, und dergleichen mehr,
was sich für jeden von selbst versteht, der vor dem
Glase sitzt, und lustig genug ist, überhaupt ein Lied
anzustimmen.

Von dieser Art sind denn auch die Lieder, die
im Allgemeinen eine freudige Stimmung ausdrücken,
oder zu derselben auffordern sollen. Mit genauer Noth
bezeichnen sie die leere Stelle, in welche der Dichter
die Poesie hineingewünscht hat. Sie gleichen Über¬
schriften auf Noten: Allegro, Andante etc. aber die
Noten fehlen. Man ruft nach der Freude: komme
doch, erscheine, steige herunter, Tochter des Him¬
mels, sey unser Gast! oder man verkündigt sich: sie

wenn es unſer iſt. Die Weinlieder ſind in Deutſch¬
land gewiß beſſer, als irgend wo anders, wie wir
denn auch trotz der Prahlereien einiger Fremden,
noch immer die beſten Trinker ſind und bleiben. Aber
auch in die Weinlieder hat ſich ein falſcher Ton na¬
mentlich durch die verſchiedenen Zwecke der beim
Weine ſich verſammelnden Geſellſchaften eingeſchlichen.
Sie ſind zu etwas verlaͤngerten Toaſten geworden.
Der Freimaurer trinkt der Menſchheit, der Soldat
dem Kriege, der Liberale dem Vaterland und der
Freiheit, der Student ſeinen kleinen Privilegien zu.
Gemiſchte Geſellſchaften aber haben eine gewiſſe
Sorte von Liedern, die ſie eigentlich nur beim Waſ¬
ſer ſingen ſollten. Da heißt es, daß man beiſam¬
men ſitze, daß man luſtig trinke, daß man Bier oder
Wein oder Punſch vor ſich habe, daß dieſelben
ſchmecken und luſtig machen, und dergleichen mehr,
was ſich fuͤr jeden von ſelbſt verſteht, der vor dem
Glaſe ſitzt, und luſtig genug iſt, uͤberhaupt ein Lied
anzuſtimmen.

Von dieſer Art ſind denn auch die Lieder, die
im Allgemeinen eine freudige Stimmung ausdruͤcken,
oder zu derſelben auffordern ſollen. Mit genauer Noth
bezeichnen ſie die leere Stelle, in welche der Dichter
die Poeſie hineingewuͤnſcht hat. Sie gleichen Über¬
ſchriften auf Noten: Allegro, Andante etc. aber die
Noten fehlen. Man ruft nach der Freude: komme
doch, erſcheine, ſteige herunter, Tochter des Him¬
mels, ſey unſer Gaſt! oder man verkuͤndigt ſich: ſie

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[252/0262] wenn es unſer iſt. Die Weinlieder ſind in Deutſch¬ land gewiß beſſer, als irgend wo anders, wie wir denn auch trotz der Prahlereien einiger Fremden, noch immer die beſten Trinker ſind und bleiben. Aber auch in die Weinlieder hat ſich ein falſcher Ton na¬ mentlich durch die verſchiedenen Zwecke der beim Weine ſich verſammelnden Geſellſchaften eingeſchlichen. Sie ſind zu etwas verlaͤngerten Toaſten geworden. Der Freimaurer trinkt der Menſchheit, der Soldat dem Kriege, der Liberale dem Vaterland und der Freiheit, der Student ſeinen kleinen Privilegien zu. Gemiſchte Geſellſchaften aber haben eine gewiſſe Sorte von Liedern, die ſie eigentlich nur beim Waſ¬ ſer ſingen ſollten. Da heißt es, daß man beiſam¬ men ſitze, daß man luſtig trinke, daß man Bier oder Wein oder Punſch vor ſich habe, daß dieſelben ſchmecken und luſtig machen, und dergleichen mehr, was ſich fuͤr jeden von ſelbſt verſteht, der vor dem Glaſe ſitzt, und luſtig genug iſt, uͤberhaupt ein Lied anzuſtimmen. Von dieſer Art ſind denn auch die Lieder, die im Allgemeinen eine freudige Stimmung ausdruͤcken, oder zu derſelben auffordern ſollen. Mit genauer Noth bezeichnen ſie die leere Stelle, in welche der Dichter die Poeſie hineingewuͤnſcht hat. Sie gleichen Über¬ ſchriften auf Noten: Allegro, Andante etc. aber die Noten fehlen. Man ruft nach der Freude: komme doch, erſcheine, ſteige herunter, Tochter des Him¬ mels, ſey unſer Gaſt! oder man verkuͤndigt ſich: ſie

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/262>, abgerufen am 23.11.2024.