Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.eine Karrikatur die altmodische Tracht, Perücke, Zopf In der jüngsten Zeit ist das Lustspiel sehr herab¬ Die Rührspiele können wir als besondre Gat¬ eine Karrikatur die altmodiſche Tracht, Peruͤcke, Zopf In der juͤngſten Zeit iſt das Luſtſpiel ſehr herab¬ Die Ruͤhrſpiele koͤnnen wir als beſondre Gat¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0276" n="266"/> eine Karrikatur die altmodiſche Tracht, Peruͤcke, Zopf<lb/> und Haarbeutel truͤge. Die Verſpottung des Alten<lb/> iſt gewiſſermaßen zum Syſtem erhoben worden. Wenn<lb/> man ſich aber in dieſem Spott gewiß ſchon hinlaͤng¬<lb/> lich erſchoͤpft hat, thaͤte man beſſer, die Thorheiten<lb/> der Gegenwart ſchaͤrfer ins Auge zu faſſen.</p><lb/> <p>In der juͤngſten Zeit iſt das Luſtſpiel ſehr herab¬<lb/> geſunken. Kleine Stuͤcke von einem Act, meiſt den<lb/> Pariſern abgeborgt, haben die groͤßern einheimiſchen<lb/> mehr als billig verdraͤngt. Sey es, daß man die<lb/> Kuͤrze und den Wechſel uͤberhaupt lieb gewonnen hat,<lb/> oder daß die Ballette und kleinen Opern Vor-, Zwi¬<lb/> ſchen- und Nachſpiele noͤthiger gemacht haben, man<lb/> ſieht auf den Buͤhnen unverhaͤltnißmaͤßig mehr kleine<lb/> Stuͤcke, als große, und auch im Buchhandel erſcheinen<lb/> mehr Sammlungen kleiner Luſtſpiele, als einzelne große.<lb/> Dieſe dramatiſchen Kleinigkeiten ſind faſt immer nur<lb/> Fabrikwaare der Pariſer und aͤußerſt geiſtlos, oder<lb/> wenn ſie geiſtreich ſind, ſo bezieht ſich ihr Witz auf<lb/> oͤrtliche Verhaͤltniſſe, welche dieſſeits des Rheins keine<lb/> Anwendung mehr finden.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Ruͤhrſpiele</hi> koͤnnen wir als beſondre Gat¬<lb/> tung kaum unterſcheiden, da ſie groͤßtentheils Luſt¬<lb/> ſpiele heißen und in den meiſten eigentlichen Luſtſpie¬<lb/> len auch etwas Ruͤhrendes vorkommt. Diderot fuͤhrte<lb/> dieſe ruͤhrende Manier ein und wirkte damit mehr<lb/> auf die Deutſchen, als auf ſeine eignen Landsleute.<lb/> Iffland war der Heros des Ruͤhr- und Thraͤnen¬<lb/> ſpiels, doch hat auch Kotzebue dafuͤr das Seinige<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [266/0276]
eine Karrikatur die altmodiſche Tracht, Peruͤcke, Zopf
und Haarbeutel truͤge. Die Verſpottung des Alten
iſt gewiſſermaßen zum Syſtem erhoben worden. Wenn
man ſich aber in dieſem Spott gewiß ſchon hinlaͤng¬
lich erſchoͤpft hat, thaͤte man beſſer, die Thorheiten
der Gegenwart ſchaͤrfer ins Auge zu faſſen.
In der juͤngſten Zeit iſt das Luſtſpiel ſehr herab¬
geſunken. Kleine Stuͤcke von einem Act, meiſt den
Pariſern abgeborgt, haben die groͤßern einheimiſchen
mehr als billig verdraͤngt. Sey es, daß man die
Kuͤrze und den Wechſel uͤberhaupt lieb gewonnen hat,
oder daß die Ballette und kleinen Opern Vor-, Zwi¬
ſchen- und Nachſpiele noͤthiger gemacht haben, man
ſieht auf den Buͤhnen unverhaͤltnißmaͤßig mehr kleine
Stuͤcke, als große, und auch im Buchhandel erſcheinen
mehr Sammlungen kleiner Luſtſpiele, als einzelne große.
Dieſe dramatiſchen Kleinigkeiten ſind faſt immer nur
Fabrikwaare der Pariſer und aͤußerſt geiſtlos, oder
wenn ſie geiſtreich ſind, ſo bezieht ſich ihr Witz auf
oͤrtliche Verhaͤltniſſe, welche dieſſeits des Rheins keine
Anwendung mehr finden.
Die Ruͤhrſpiele koͤnnen wir als beſondre Gat¬
tung kaum unterſcheiden, da ſie groͤßtentheils Luſt¬
ſpiele heißen und in den meiſten eigentlichen Luſtſpie¬
len auch etwas Ruͤhrendes vorkommt. Diderot fuͤhrte
dieſe ruͤhrende Manier ein und wirkte damit mehr
auf die Deutſchen, als auf ſeine eignen Landsleute.
Iffland war der Heros des Ruͤhr- und Thraͤnen¬
ſpiels, doch hat auch Kotzebue dafuͤr das Seinige
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