Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.Buch in seinem Zusammenhange verstehn, oder nur Was soll am Ende aus unsrer kritischen Litera¬ Es scheint, als ob hier das Heil nur von einer Buch in ſeinem Zuſammenhange verſtehn, oder nur Was ſoll am Ende aus unſrer kritiſchen Litera¬ Es ſcheint, als ob hier das Heil nur von einer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0310" n="300"/> Buch in ſeinem Zuſammenhange verſtehn, oder nur<lb/> leſen, denn die meiſten begnuͤgen ſich mit einem blo¬<lb/> ßen Durchblaͤttern. Dieſer Kleinigkeitsgeiſt gefaͤllt ſich<lb/> vorzuͤglich auch in Perſoͤnlichkeiten. Statt unbefan¬<lb/> gen das Buch zu betrachten, ſtellt man ſich lieber<lb/> den Autor vor, und macht ihn mit oder ohne Grund<lb/> laͤcherlich. Aber nicht nur Buͤcher, ſondern auch Kunſt¬<lb/> werke und namentlich Saͤnger und Schauſpieler wer¬<lb/> den auf dieſe jaͤmmerliche Weiſe kritiſirt. Man kann<lb/> unter hundert Kritikern immer darauf rechnen, daß<lb/> neunundneunzig ſich blos mit Einzelheiten ſtatt mit<lb/> dem Ganzen, und blos mit Perſoͤnlichkeiten, ſtatt<lb/> mit der Sache befaſſen. Deßfalls iſt namentlich un¬<lb/> ſere Theaterkritik das Schaͤndlichſte und Elendeſte<lb/> unſrer Literatur, oder, wie Tieck ſagt, ihr Aus¬<lb/> kehricht.</p><lb/> <p>Was ſoll am Ende aus unſrer kritiſchen Litera¬<lb/> tur, was ſoll aus der unermeßlichen Menge von<lb/> Journalen werden? Man gehe auf eins der Muſeen,<lb/> wo ſie in einiger Vollſtaͤndigkeit ſeit dreißig und mehr<lb/> Jahren in großen Bibliotheken zuſammengehaͤuft lie¬<lb/> gen und muthe einem Enkel zu, alle das Zeug zu<lb/> leſen.</p><lb/> <p>Es ſcheint, als ob hier das Heil nur von einer<lb/> auserleſenen Geſellſchaft gelehrter und genialer Maͤn¬<lb/> ner zu erwarten waͤre, die ſich fuͤr den Zweck einer<lb/> beſſern Kritik verbinden, und durch ihre gehaltvol¬<lb/> len, umfaſſenden und <hi rendition="#g">einigen</hi> Arbeiten der kritiſchen<lb/> Fabrikation und polemiſchen Buſchklepperei ein er¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [300/0310]
Buch in ſeinem Zuſammenhange verſtehn, oder nur
leſen, denn die meiſten begnuͤgen ſich mit einem blo¬
ßen Durchblaͤttern. Dieſer Kleinigkeitsgeiſt gefaͤllt ſich
vorzuͤglich auch in Perſoͤnlichkeiten. Statt unbefan¬
gen das Buch zu betrachten, ſtellt man ſich lieber
den Autor vor, und macht ihn mit oder ohne Grund
laͤcherlich. Aber nicht nur Buͤcher, ſondern auch Kunſt¬
werke und namentlich Saͤnger und Schauſpieler wer¬
den auf dieſe jaͤmmerliche Weiſe kritiſirt. Man kann
unter hundert Kritikern immer darauf rechnen, daß
neunundneunzig ſich blos mit Einzelheiten ſtatt mit
dem Ganzen, und blos mit Perſoͤnlichkeiten, ſtatt
mit der Sache befaſſen. Deßfalls iſt namentlich un¬
ſere Theaterkritik das Schaͤndlichſte und Elendeſte
unſrer Literatur, oder, wie Tieck ſagt, ihr Aus¬
kehricht.
Was ſoll am Ende aus unſrer kritiſchen Litera¬
tur, was ſoll aus der unermeßlichen Menge von
Journalen werden? Man gehe auf eins der Muſeen,
wo ſie in einiger Vollſtaͤndigkeit ſeit dreißig und mehr
Jahren in großen Bibliotheken zuſammengehaͤuft lie¬
gen und muthe einem Enkel zu, alle das Zeug zu
leſen.
Es ſcheint, als ob hier das Heil nur von einer
auserleſenen Geſellſchaft gelehrter und genialer Maͤn¬
ner zu erwarten waͤre, die ſich fuͤr den Zweck einer
beſſern Kritik verbinden, und durch ihre gehaltvol¬
len, umfaſſenden und einigen Arbeiten der kritiſchen
Fabrikation und polemiſchen Buſchklepperei ein er¬
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