Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.die Geist und Sprache der Nation auf ewig unter Wir bemerken also drei verschiedne Entwicklun¬ Unter den Hohenstauffischen Kaisern war der Adel Deutsche Literatur. II. 4
die Geiſt und Sprache der Nation auf ewig unter Wir bemerken alſo drei verſchiedne Entwicklun¬ Unter den Hohenſtauffiſchen Kaiſern war der Adel Deutſche Literatur. II. 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0083" n="73"/> die Geiſt und Sprache der Nation auf ewig unter<lb/> das fremde Joch zu erzwingen unternahm, und ihr<lb/> Vorwuͤther war <hi rendition="#g">Voß</hi>. Endlich ſah man auch dieſe<lb/> Verkehrtheit ein und ſinnvolle Dichter ſuchten zu be¬<lb/> weiſen, daß es nur darauf ankaͤme, den griechiſchen<lb/> Geiſt bei uns heimiſch zu machen, daß es dagegen<lb/> unſrer Sprache unmoͤglich ſey, ſtreng alle Formen der<lb/> griechiſchen nachzucopiren. Dieſe Dichter ahmten nun<lb/> in reinem fließendem Deutſch die Heiterkeit des Ho¬<lb/> mer, den Flug Pindar's, die Wuͤrde des Sopho¬<lb/> kles, die Feinheit des Lucian nach. Hiermit ſchließt<lb/> ſich der Kreislauf des antiken Geſchmacks in unſrer<lb/> poetiſchen Literatur.</p><lb/> <p>Wir bemerken alſo drei verſchiedne Entwicklun¬<lb/> gen der antiken Schule. In der erſten nahm ſie nur<lb/> von oben weg die Namen und Begriffe des Alter¬<lb/> thums, in der zweiten copirte ſie mit ſklaviſcher<lb/> Treue die antiken Formen, in der dritten drang ſie<lb/> in den Geiſt des Antiken und ſuchte die innerſte Gra¬<lb/> zie deſſelben ſich eigen zu machen.</p><lb/> <p>Unter den Hohenſtauffiſchen Kaiſern war der Adel<lb/> poetiſch geweſen, unter den Luxemburgiſchen waren<lb/> es die Buͤrger, unter den Habsburgiſchen kam die<lb/> Poeſie an die Gelehrten, aus der lebendigen Hand<lb/> an die todte Hand. Die Reformation riß nieder, der<lb/> dreißigjaͤhrige Krieg kehrte aus. Mit ſo vielem Al¬<lb/> ten erſtarb auch die deutſche Poeſie, und um die<lb/> Leere zu fuͤllen, beſchworen die Gelehrten den Schat¬<lb/> ten der griechiſch-roͤmiſchen Poeſie. Die Zeit war ſo<lb/> <fw place="bottom" type="sig">Deutſche Literatur. <hi rendition="#aq">II</hi>. 4<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [73/0083]
die Geiſt und Sprache der Nation auf ewig unter
das fremde Joch zu erzwingen unternahm, und ihr
Vorwuͤther war Voß. Endlich ſah man auch dieſe
Verkehrtheit ein und ſinnvolle Dichter ſuchten zu be¬
weiſen, daß es nur darauf ankaͤme, den griechiſchen
Geiſt bei uns heimiſch zu machen, daß es dagegen
unſrer Sprache unmoͤglich ſey, ſtreng alle Formen der
griechiſchen nachzucopiren. Dieſe Dichter ahmten nun
in reinem fließendem Deutſch die Heiterkeit des Ho¬
mer, den Flug Pindar's, die Wuͤrde des Sopho¬
kles, die Feinheit des Lucian nach. Hiermit ſchließt
ſich der Kreislauf des antiken Geſchmacks in unſrer
poetiſchen Literatur.
Wir bemerken alſo drei verſchiedne Entwicklun¬
gen der antiken Schule. In der erſten nahm ſie nur
von oben weg die Namen und Begriffe des Alter¬
thums, in der zweiten copirte ſie mit ſklaviſcher
Treue die antiken Formen, in der dritten drang ſie
in den Geiſt des Antiken und ſuchte die innerſte Gra¬
zie deſſelben ſich eigen zu machen.
Unter den Hohenſtauffiſchen Kaiſern war der Adel
poetiſch geweſen, unter den Luxemburgiſchen waren
es die Buͤrger, unter den Habsburgiſchen kam die
Poeſie an die Gelehrten, aus der lebendigen Hand
an die todte Hand. Die Reformation riß nieder, der
dreißigjaͤhrige Krieg kehrte aus. Mit ſo vielem Al¬
ten erſtarb auch die deutſche Poeſie, und um die
Leere zu fuͤllen, beſchworen die Gelehrten den Schat¬
ten der griechiſch-roͤmiſchen Poeſie. Die Zeit war ſo
Deutſche Literatur. II. 4
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