Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
Schön Irma schwebt hin mit dem Krönlein von Licht,
Als fesselte fürder die Erde sie nicht,
Er schwingt ihr zu Häupten den Thyrsus umrankt
Mit üppigem Laube, von Trauben umschwankt ...
Zwölf Schläge verkünden die Mitte der Nacht.
Der Reigen ermüdet. Das Fest ist vollbracht!
"Herunter die Masken! So will es der Brauch!
Du Führer des Reigens, entlarve dich auch!
Wir sind unser zwanzig, und voll ist die Zahl!
Wer bist du, der frech in die Gilde sich stahl?
Ein Gaukler? Ein Zaub'rer? Sprich wie du dich nennst!
Sonst fürcht' unsre Messer, bist du kein Gespenst!"
Ein Mönchlein, ein zechend entschlafnes, wird reg:
"Wer bist du? Der Satan? Dir weis' ich den Weg!"
Er zeichnet ein Kreuz. "Nun entmumme dich nur!
Ich bin der gelehrte Pancrazi von Cur!"
Der Jüngling entlarvt ein von Eppich umlaubt,
Ein hohes, ein mildes, ein gnädiges Haupt:
"Zu Füßen dem Herrscher, vermessen Gesind!
Ich bin Dionysus, des Donnerers Kind!"
Er lächelt dem Mönch in das feiste Gesicht:
"Silenos, Silenos, verleugne mich nicht!
Mich hat seine Gnaden, der Bischof, gebannt
Und ist doch mein treu'ster Bekenner im Land.
Schön Irma ſchwebt hin mit dem Krönlein von Licht,
Als feſſelte fürder die Erde ſie nicht,
Er ſchwingt ihr zu Häupten den Thyrſus umrankt
Mit üppigem Laube, von Trauben umſchwankt ...
Zwölf Schläge verkünden die Mitte der Nacht.
Der Reigen ermüdet. Das Feſt iſt vollbracht!
„Herunter die Masken! So will es der Brauch!
Du Führer des Reigens, entlarve dich auch!
Wir ſind unſer zwanzig, und voll iſt die Zahl!
Wer biſt du, der frech in die Gilde ſich ſtahl?
Ein Gaukler? Ein Zaub'rer? Sprich wie du dich nennſt!
Sonſt fürcht' unſre Meſſer, biſt du kein Geſpenſt!“
Ein Mönchlein, ein zechend entſchlafnes, wird reg:
„Wer biſt du? Der Satan? Dir weiſ' ich den Weg!“
Er zeichnet ein Kreuz. „Nun entmumme dich nur!
Ich bin der gelehrte Pancrazi von Cur!“
Der Jüngling entlarvt ein von Eppich umlaubt,
Ein hohes, ein mildes, ein gnädiges Haupt:
„Zu Füßen dem Herrſcher, vermeſſen Geſind!
Ich bin Dionyſus, des Donnerers Kind!“
Er lächelt dem Mönch in das feiſte Geſicht:
„Silenos, Silenos, verleugne mich nicht!
Mich hat ſeine Gnaden, der Biſchof, gebannt
Und iſt doch mein treu'ſter Bekenner im Land.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0108" n="94"/>
            <lg n="6">
              <l>Schön Irma &#x017F;chwebt hin mit dem Krönlein von Licht,</l><lb/>
              <l>Als fe&#x017F;&#x017F;elte fürder die Erde &#x017F;ie nicht,</l><lb/>
              <l>Er &#x017F;chwingt ihr zu Häupten den Thyr&#x017F;us umrankt</l><lb/>
              <l>Mit üppigem Laube, von Trauben um&#x017F;chwankt ...</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="7">
              <l>Zwölf Schläge verkünden die Mitte der Nacht.</l><lb/>
              <l>Der Reigen ermüdet. Das Fe&#x017F;t i&#x017F;t vollbracht!</l><lb/>
              <l>&#x201E;Herunter die Masken! So will es der Brauch!</l><lb/>
              <l>Du Führer des Reigens, entlarve dich auch!</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="8">
              <l>Wir &#x017F;ind un&#x017F;er zwanzig, und voll i&#x017F;t die Zahl!</l><lb/>
              <l>Wer bi&#x017F;t du, der frech in die Gilde &#x017F;ich &#x017F;tahl?</l><lb/>
              <l>Ein Gaukler? Ein Zaub'rer? Sprich wie du dich nenn&#x017F;t!</l><lb/>
              <l>Son&#x017F;t fürcht' un&#x017F;re Me&#x017F;&#x017F;er, bi&#x017F;t du kein Ge&#x017F;pen&#x017F;t!&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="9">
              <l>Ein Mönchlein, ein zechend ent&#x017F;chlafnes, wird reg:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Wer bi&#x017F;t du? Der Satan? Dir wei&#x017F;' ich den Weg!&#x201C;</l><lb/>
              <l>Er zeichnet ein Kreuz. &#x201E;Nun entmumme dich nur!</l><lb/>
              <l>Ich bin der gelehrte Pancrazi von Cur!&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="10">
              <l>Der Jüngling entlarvt ein von Eppich umlaubt,</l><lb/>
              <l>Ein hohes, ein mildes, ein gnädiges Haupt:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Zu Füßen dem Herr&#x017F;cher, verme&#x017F;&#x017F;en Ge&#x017F;ind!</l><lb/>
              <l>Ich bin Diony&#x017F;us, des Donnerers Kind!&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="11">
              <l>Er lächelt dem Mönch in das fei&#x017F;te Ge&#x017F;icht:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Silenos, Silenos, verleugne mich nicht!</l><lb/>
              <l>Mich hat &#x017F;eine Gnaden, der Bi&#x017F;chof, gebannt</l><lb/>
              <l>Und i&#x017F;t doch mein treu'&#x017F;ter Bekenner im Land.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0108] Schön Irma ſchwebt hin mit dem Krönlein von Licht, Als feſſelte fürder die Erde ſie nicht, Er ſchwingt ihr zu Häupten den Thyrſus umrankt Mit üppigem Laube, von Trauben umſchwankt ... Zwölf Schläge verkünden die Mitte der Nacht. Der Reigen ermüdet. Das Feſt iſt vollbracht! „Herunter die Masken! So will es der Brauch! Du Führer des Reigens, entlarve dich auch! Wir ſind unſer zwanzig, und voll iſt die Zahl! Wer biſt du, der frech in die Gilde ſich ſtahl? Ein Gaukler? Ein Zaub'rer? Sprich wie du dich nennſt! Sonſt fürcht' unſre Meſſer, biſt du kein Geſpenſt!“ Ein Mönchlein, ein zechend entſchlafnes, wird reg: „Wer biſt du? Der Satan? Dir weiſ' ich den Weg!“ Er zeichnet ein Kreuz. „Nun entmumme dich nur! Ich bin der gelehrte Pancrazi von Cur!“ Der Jüngling entlarvt ein von Eppich umlaubt, Ein hohes, ein mildes, ein gnädiges Haupt: „Zu Füßen dem Herrſcher, vermeſſen Geſind! Ich bin Dionyſus, des Donnerers Kind!“ Er lächelt dem Mönch in das feiſte Geſicht: „Silenos, Silenos, verleugne mich nicht! Mich hat ſeine Gnaden, der Biſchof, gebannt Und iſt doch mein treu'ſter Bekenner im Land.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/108
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/108>, abgerufen am 27.11.2024.