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Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

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"Sage, wer bist du, krauslockiges Haupt,
Schimmernd von purpurnen Blättern umlaubt?"
-- "Rehe, die Rehe, so heiß' ich im Land
Von meinem braunen Gelock und Gewand" --
"Mein ist die Rehe! Des Herrn ist die Jagd!"
Jubelt der Jüngling, es sträubt sich die Magd ...
Halali! hetzt es und tobt es und hallt.
Ringend entwindet sie sich der Gewalt.
Lodernde Augen, wie Blitze der Nacht --
Doch sie besinnt sich. Dann redet sie sacht:
"Rehe, die Rehe, so heiß' ich im Land,
Wilpert, der Schütz, ist der Vater genannt --
Auf eine Jagd, die dem Herrn nur gebührt,
Hat ihn ein ätzendes Rudel verführt.
Siehe, da kniet er, da zielt er und knallt --
Heut hat der Vater gefrevelt im Wald!
Doch deine Förster ergriffen ihn, weh,
Ihn und das sündlich erbeutete Reh.
Ich, von der Angst und dem Jammer gejagt,
Lief in den Wald, eine hilflose Magd.
Da schier das Herz mir im Busen zersprang,
Sah ich die Kerzen und hörte den Klang --
Glaubte die gütige Herzogin hier
Und nun erzittr' ich und steh' ich vor dir.
Gieb mir den Vater und gieb mir ihn bald,
Daß ich getröstet verlasse den Wald.
Gnade!"
„Sage, wer biſt du, krauslockiges Haupt,
Schimmernd von purpurnen Blättern umlaubt?“
— „Rehe, die Rehe, ſo heiß' ich im Land
Von meinem braunen Gelock und Gewand“ —
„Mein iſt die Rehe! Des Herrn iſt die Jagd!“
Jubelt der Jüngling, es ſträubt ſich die Magd ...
Halali! hetzt es und tobt es und hallt.
Ringend entwindet ſie ſich der Gewalt.
Lodernde Augen, wie Blitze der Nacht —
Doch ſie beſinnt ſich. Dann redet ſie ſacht:
„Rehe, die Rehe, ſo heiß' ich im Land,
Wilpert, der Schütz, iſt der Vater genannt —
Auf eine Jagd, die dem Herrn nur gebührt,
Hat ihn ein ätzendes Rudel verführt.
Siehe, da kniet er, da zielt er und knallt —
Heut hat der Vater gefrevelt im Wald!
Doch deine Förſter ergriffen ihn, weh,
Ihn und das ſündlich erbeutete Reh.
Ich, von der Angſt und dem Jammer gejagt,
Lief in den Wald, eine hilfloſe Magd.
Da ſchier das Herz mir im Buſen zerſprang,
Sah ich die Kerzen und hörte den Klang —
Glaubte die gütige Herzogin hier
Und nun erzittr' ich und ſteh' ich vor dir.
Gieb mir den Vater und gieb mir ihn bald,
Daß ich getröſtet verlaſſe den Wald.
Gnade!“
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[106/0120] „Sage, wer biſt du, krauslockiges Haupt, Schimmernd von purpurnen Blättern umlaubt?“ — „Rehe, die Rehe, ſo heiß' ich im Land Von meinem braunen Gelock und Gewand“ — „Mein iſt die Rehe! Des Herrn iſt die Jagd!“ Jubelt der Jüngling, es ſträubt ſich die Magd ... Halali! hetzt es und tobt es und hallt. Ringend entwindet ſie ſich der Gewalt. Lodernde Augen, wie Blitze der Nacht — Doch ſie beſinnt ſich. Dann redet ſie ſacht: „Rehe, die Rehe, ſo heiß' ich im Land, Wilpert, der Schütz, iſt der Vater genannt — Auf eine Jagd, die dem Herrn nur gebührt, Hat ihn ein ätzendes Rudel verführt. Siehe, da kniet er, da zielt er und knallt — Heut hat der Vater gefrevelt im Wald! Doch deine Förſter ergriffen ihn, weh, Ihn und das ſündlich erbeutete Reh. Ich, von der Angſt und dem Jammer gejagt, Lief in den Wald, eine hilfloſe Magd. Da ſchier das Herz mir im Buſen zerſprang, Sah ich die Kerzen und hörte den Klang — Glaubte die gütige Herzogin hier Und nun erzittr' ich und ſteh' ich vor dir. Gieb mir den Vater und gieb mir ihn bald, Daß ich getröſtet verlaſſe den Wald. Gnade!“

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/120>, abgerufen am 27.11.2024.