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Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

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Der Musensaal.
Jüngst trug ein Traum auf dunkler Schwinge mich
Nach Rom der ew'gen Stadt. Den Vatican
Betrat ich. Ich betrat den Musensaal
Verwundert, denn er war ein andrer heut,
Als ich geschaut mit jungen Augen ihn,
Da Pio Nono höchster Priester war.
Verschwunden aus dem edeln Octogon,
Dem kuppelhellen, war der Musaget,
Apollo, der die Cither zierlich schlug,
Voranzugehn dem Chor tanzmeisterlich.
Die Neune saßen oder standen nicht
Umher vertheilt in schönen Stellungen --
In wilder Gruppe schritten eilig sie,
Wie Schnitterinnen, die auf blachem Feld
Ein leuchtendes Gewitter überrascht:
Voran die blutige Melpomene,
Die an den Söhnen rächt der Vater Schuld.
Sie trägt das Schwert und auch den Kranz von Wein.
"Ein Reich", so jubelt sie, "zerstör' ich jetzt!
Das Feuer knistert unter seinem Thron!
9*
Der Muſenſaal.
Jüngſt trug ein Traum auf dunkler Schwinge mich
Nach Rom der ew'gen Stadt. Den Vatican
Betrat ich. Ich betrat den Muſenſaal
Verwundert, denn er war ein andrer heut,
Als ich geſchaut mit jungen Augen ihn,
Da Pio Nono höchſter Prieſter war.
Verſchwunden aus dem edeln Octogon,
Dem kuppelhellen, war der Muſaget,
Apollo, der die Cither zierlich ſchlug,
Voranzugehn dem Chor tanzmeiſterlich.
Die Neune ſaßen oder ſtanden nicht
Umher vertheilt in ſchönen Stellungen —
In wilder Gruppe ſchritten eilig ſie,
Wie Schnitterinnen, die auf blachem Feld
Ein leuchtendes Gewitter überraſcht:
Voran die blutige Melpomene,
Die an den Söhnen rächt der Vater Schuld.
Sie trägt das Schwert und auch den Kranz von Wein.
„Ein Reich“, ſo jubelt ſie, „zerſtör' ich jetzt!
Das Feuer kniſtert unter ſeinem Thron!
9*
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[131/0145] Der Muſenſaal. Jüngſt trug ein Traum auf dunkler Schwinge mich Nach Rom der ew'gen Stadt. Den Vatican Betrat ich. Ich betrat den Muſenſaal Verwundert, denn er war ein andrer heut, Als ich geſchaut mit jungen Augen ihn, Da Pio Nono höchſter Prieſter war. Verſchwunden aus dem edeln Octogon, Dem kuppelhellen, war der Muſaget, Apollo, der die Cither zierlich ſchlug, Voranzugehn dem Chor tanzmeiſterlich. Die Neune ſaßen oder ſtanden nicht Umher vertheilt in ſchönen Stellungen — In wilder Gruppe ſchritten eilig ſie, Wie Schnitterinnen, die auf blachem Feld Ein leuchtendes Gewitter überraſcht: Voran die blutige Melpomene, Die an den Söhnen rächt der Vater Schuld. Sie trägt das Schwert und auch den Kranz von Wein. „Ein Reich“, ſo jubelt ſie, „zerſtör' ich jetzt! Das Feuer kniſtert unter ſeinem Thron! 9*

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/145>, abgerufen am 27.11.2024.