Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
Spielzeug.
Liebchen fand ich spielend. Einen Kasten
Hatte sie entdeckt voll längst vergeßnen
Staub'gen Kinderspielzeugs: Mauern, Thore,
Rathhaus, Häuser, Häuserchen und Kirche ...
Sie erbaut' das Städtchen mit gelenken
Händen, stellt' den Kirchthurm in die Mitte.
Doch ein Häuschen hatt' sie vorbehalten,
Vorbehalten sieben grüne Pappeln
Für ein allerliebstes kleines Landgut.
Nicht zu nah! Im Städtchen klatscht man sündlich.
Nicht zu ferne! Man bedarf der Menschen.
"Eben sind wir eingezogen!" jubelt'
Sie und klatscht' in ihre kleinen Hände.
In der Wonne des erworbnen Heimes
Riß ich Liebchen an mich so gewaltsam,
Daß den Arm sie streckte wie ertrinkend ...
Was erwischte sie mit schnellen Fingern,
Eng an meine Brust gepreßt? Die Kirche,
Ja, die Kirche mit dem rothen Dach war's
Und sie stellt' sie dicht vor unser Landhaus.

Spielzeug.
Liebchen fand ich ſpielend. Einen Kaſten
Hatte ſie entdeckt voll längſt vergeßnen
Staub'gen Kinderſpielzeugs: Mauern, Thore,
Rathhaus, Häuſer, Häuſerchen und Kirche ...
Sie erbaut' das Städtchen mit gelenken
Händen, ſtellt' den Kirchthurm in die Mitte.
Doch ein Häuschen hatt' ſie vorbehalten,
Vorbehalten ſieben grüne Pappeln
Für ein allerliebſtes kleines Landgut.
Nicht zu nah! Im Städtchen klatſcht man ſündlich.
Nicht zu ferne! Man bedarf der Menſchen.
„Eben ſind wir eingezogen!“ jubelt'
Sie und klatſcht' in ihre kleinen Hände.
In der Wonne des erworbnen Heimes
Riß ich Liebchen an mich ſo gewaltſam,
Daß den Arm ſie ſtreckte wie ertrinkend ...
Was erwiſchte ſie mit ſchnellen Fingern,
Eng an meine Bruſt gepreßt? Die Kirche,
Ja, die Kirche mit dem rothen Dach war's
Und ſie ſtellt' ſie dicht vor unſer Landhaus.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0174" n="160"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Spielzeug.<lb/></head>
          <lg type="poem">
            <l>Liebchen fand ich &#x017F;pielend. Einen Ka&#x017F;ten</l><lb/>
            <l>Hatte &#x017F;ie entdeckt voll läng&#x017F;t vergeßnen</l><lb/>
            <l>Staub'gen Kinder&#x017F;pielzeugs: Mauern, Thore,</l><lb/>
            <l>Rathhaus, Häu&#x017F;er, Häu&#x017F;erchen und Kirche ...</l><lb/>
            <l>Sie erbaut' das Städtchen mit gelenken</l><lb/>
            <l>Händen, &#x017F;tellt' den Kirchthurm in die Mitte.</l><lb/>
            <l>Doch ein Häuschen hatt' &#x017F;ie vorbehalten,</l><lb/>
            <l>Vorbehalten &#x017F;ieben grüne Pappeln</l><lb/>
            <l>Für ein allerlieb&#x017F;tes kleines Landgut.</l><lb/>
            <l>Nicht zu nah! Im Städtchen klat&#x017F;cht man &#x017F;ündlich.</l><lb/>
            <l>Nicht zu ferne! Man bedarf der Men&#x017F;chen.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Eben &#x017F;ind wir eingezogen!&#x201C; jubelt'</l><lb/>
            <l>Sie und klat&#x017F;cht' in ihre kleinen Hände.</l><lb/>
            <l>In der Wonne des erworbnen Heimes</l><lb/>
            <l>Riß ich Liebchen an mich &#x017F;o gewalt&#x017F;am,</l><lb/>
            <l>Daß den Arm &#x017F;ie &#x017F;treckte wie ertrinkend ...</l><lb/>
            <l>Was erwi&#x017F;chte &#x017F;ie mit &#x017F;chnellen Fingern,</l><lb/>
            <l>Eng an meine Bru&#x017F;t gepreßt? Die Kirche,</l><lb/>
            <l>Ja, die Kirche mit dem rothen Dach war's</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;ie &#x017F;tellt' &#x017F;ie dicht vor un&#x017F;er Landhaus.</l><lb/>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[160/0174] Spielzeug. Liebchen fand ich ſpielend. Einen Kaſten Hatte ſie entdeckt voll längſt vergeßnen Staub'gen Kinderſpielzeugs: Mauern, Thore, Rathhaus, Häuſer, Häuſerchen und Kirche ... Sie erbaut' das Städtchen mit gelenken Händen, ſtellt' den Kirchthurm in die Mitte. Doch ein Häuschen hatt' ſie vorbehalten, Vorbehalten ſieben grüne Pappeln Für ein allerliebſtes kleines Landgut. Nicht zu nah! Im Städtchen klatſcht man ſündlich. Nicht zu ferne! Man bedarf der Menſchen. „Eben ſind wir eingezogen!“ jubelt' Sie und klatſcht' in ihre kleinen Hände. In der Wonne des erworbnen Heimes Riß ich Liebchen an mich ſo gewaltſam, Daß den Arm ſie ſtreckte wie ertrinkend ... Was erwiſchte ſie mit ſchnellen Fingern, Eng an meine Bruſt gepreßt? Die Kirche, Ja, die Kirche mit dem rothen Dach war's Und ſie ſtellt' ſie dicht vor unſer Landhaus.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/174
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/174>, abgerufen am 27.11.2024.