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Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

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Der gleitende Purpur.
"Eia Weihnacht! Eia Weihnacht!"
Schallt im Münsterchor der Psalm der Knaben.
Kaiser Otto lauscht der Mette,
Diener hinter sich mit Spend' und Gaben.
Eia Weihnacht! Eia Weihnacht!
Heute, da die Himmel niederschweben,
Wird dem Elend und der Blöße
Mäntel er und warme Röcke geben.
Hundert Bettler stehn erwartend --
Einer hält des Kaisers Knie umfangen
Mit den wundgeriebnen Armen,
Dran zerrissner Fesseln Enden hangen.
-- "Schalk! Was zerrst du mir den Purpur?
Harr und beite! Kennst du mich als Kargen?"
Doch der Bettler hält den Mantel
Fest und jammert: "Kennst Du mich, den Argen?
Du Gesalbter und Erlauchter!
Kennst Du mich? ... Du hast mit mir gelegen,
Mit dem Siechen, mit dem Wunden,
Unter Eines Mutterherzens Schlägen.
17*
Der gleitende Purpur.
„Eia Weihnacht! Eia Weihnacht!“
Schallt im Münſterchor der Pſalm der Knaben.
Kaiſer Otto lauſcht der Mette,
Diener hinter ſich mit Spend' und Gaben.
Eia Weihnacht! Eia Weihnacht!
Heute, da die Himmel niederſchweben,
Wird dem Elend und der Blöße
Mäntel er und warme Röcke geben.
Hundert Bettler ſtehn erwartend —
Einer hält des Kaiſers Knie umfangen
Mit den wundgeriebnen Armen,
Dran zerriſſner Feſſeln Enden hangen.
— „Schalk! Was zerrſt du mir den Purpur?
Harr und beite! Kennſt du mich als Kargen?“
Doch der Bettler hält den Mantel
Feſt und jammert: „Kennſt Du mich, den Argen?
Du Geſalbter und Erlauchter!
Kennſt Du mich? ... Du haſt mit mir gelegen,
Mit dem Siechen, mit dem Wunden,
Unter Eines Mutterherzens Schlägen.
17*
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[259/0273] Der gleitende Purpur. „Eia Weihnacht! Eia Weihnacht!“ Schallt im Münſterchor der Pſalm der Knaben. Kaiſer Otto lauſcht der Mette, Diener hinter ſich mit Spend' und Gaben. Eia Weihnacht! Eia Weihnacht! Heute, da die Himmel niederſchweben, Wird dem Elend und der Blöße Mäntel er und warme Röcke geben. Hundert Bettler ſtehn erwartend — Einer hält des Kaiſers Knie umfangen Mit den wundgeriebnen Armen, Dran zerriſſner Feſſeln Enden hangen. — „Schalk! Was zerrſt du mir den Purpur? Harr und beite! Kennſt du mich als Kargen?“ Doch der Bettler hält den Mantel Feſt und jammert: „Kennſt Du mich, den Argen? Du Geſalbter und Erlauchter! Kennſt Du mich? ... Du haſt mit mir gelegen, Mit dem Siechen, mit dem Wunden, Unter Eines Mutterherzens Schlägen. 17*

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/273>, abgerufen am 25.11.2024.