Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.Da schwang man einen Reigen, Sie reigte mit dem Lützelstein -- "Wilt, junger Edelknabe, Mein Trautgeselle sein?" Mir schwoll die Brust vor Eifer, Ein Hader reißt die Klingen bloß -- "Herzbruder, mein Herzbruder, Gabst mir den Todesstoß!" Einsiedel mahnt: "Erwache!" Und schiebt zurück sein Fensterlein. Da strömt mit Tannendüften Ein Erdgeruch herein. Und horch, ein Hifthorn schmettert Und eine frische Stimme schallt: "Wo steckt der Gerold Wendel? Den such' ich durch den Wald!" Da ſchwang man einen Reigen, Sie reigte mit dem Lützelſtein — „Wilt, junger Edelknabe, Mein Trautgeſelle ſein?“ Mir ſchwoll die Bruſt vor Eifer, Ein Hader reißt die Klingen bloß — „Herzbruder, mein Herzbruder, Gabſt mir den Todesſtoß!“ Einſiedel mahnt: „Erwache!“ Und ſchiebt zurück ſein Fenſterlein. Da ſtrömt mit Tannendüften Ein Erdgeruch herein. Und horch, ein Hifthorn ſchmettert Und eine friſche Stimme ſchallt: „Wo ſteckt der Gerold Wendel? Den ſuch' ich durch den Wald!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0284" n="270"/> <lg n="13"> <l>Da ſchwang man einen Reigen,</l><lb/> <l>Sie reigte mit dem Lützelſtein —</l><lb/> <l>„Wilt, junger Edelknabe,</l><lb/> <l>Mein Trautgeſelle ſein?“</l><lb/> </lg> <lg n="14"> <l>Mir ſchwoll die Bruſt vor Eifer,</l><lb/> <l>Ein Hader reißt die Klingen bloß —</l><lb/> <l>„Herzbruder, mein Herzbruder,</l><lb/> <l>Gabſt mir den Todesſtoß!“</l><lb/> </lg> <lg n="15"> <l>Einſiedel mahnt: „Erwache!“</l><lb/> <l>Und ſchiebt zurück ſein Fenſterlein.</l><lb/> <l>Da ſtrömt mit Tannendüften</l><lb/> <l>Ein Erdgeruch herein.</l><lb/> </lg> <lg n="16"> <l>Und horch, ein Hifthorn ſchmettert</l><lb/> <l>Und eine friſche Stimme ſchallt:</l><lb/> <l>„Wo ſteckt der Gerold Wendel?</l><lb/> <l>Den ſuch' ich durch den Wald!“</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [270/0284]
Da ſchwang man einen Reigen,
Sie reigte mit dem Lützelſtein —
„Wilt, junger Edelknabe,
Mein Trautgeſelle ſein?“
Mir ſchwoll die Bruſt vor Eifer,
Ein Hader reißt die Klingen bloß —
„Herzbruder, mein Herzbruder,
Gabſt mir den Todesſtoß!“
Einſiedel mahnt: „Erwache!“
Und ſchiebt zurück ſein Fenſterlein.
Da ſtrömt mit Tannendüften
Ein Erdgeruch herein.
Und horch, ein Hifthorn ſchmettert
Und eine friſche Stimme ſchallt:
„Wo ſteckt der Gerold Wendel?
Den ſuch' ich durch den Wald!“
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