Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
"An euern Launen? ..." Der Despot
Begann zu schmähn und lästern.
"Ihr Knechte," schrie er, "Fesseln her!"
Und fesselte die Schwestern.
Der König wacht', um Mitternacht
Vernahm er leises Schreiten,
Geflüster: "Seid ihr alle da?"
Und Schüttern zarter Saiten.
Er fuhr empor. "Den hellen Chor
Ergreift, getreue Wächter!"
Die Schergen griffen in die Luft
Und silbern klang Gelächter.
Am Morgen war der Kerker leer,
Der Reigen über die Grenze --
Drin hingen statt der Ketten schwer
Zerrißne Blumenkränze.

„An euern Launen? ...“ Der Deſpot
Begann zu ſchmähn und läſtern.
„Ihr Knechte,“ ſchrie er, „Feſſeln her!“
Und feſſelte die Schweſtern.
Der König wacht', um Mitternacht
Vernahm er leiſes Schreiten,
Geflüſter: „Seid ihr alle da?“
Und Schüttern zarter Saiten.
Er fuhr empor. „Den hellen Chor
Ergreift, getreue Wächter!“
Die Schergen griffen in die Luft
Und ſilbern klang Gelächter.
Am Morgen war der Kerker leer,
Der Reigen über die Grenze —
Drin hingen ſtatt der Ketten ſchwer
Zerrißne Blumenkränze.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0046" n="32"/>
            <lg n="5">
              <l>&#x201E;An euern Launen? ...&#x201C; Der De&#x017F;pot</l><lb/>
              <l>Begann zu &#x017F;chmähn und lä&#x017F;tern.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ihr Knechte,&#x201C; &#x017F;chrie er, &#x201E;Fe&#x017F;&#x017F;eln her!&#x201C;</l><lb/>
              <l>Und fe&#x017F;&#x017F;elte die Schwe&#x017F;tern.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="6">
              <l>Der König wacht', um Mitternacht</l><lb/>
              <l>Vernahm er lei&#x017F;es Schreiten,</l><lb/>
              <l>Geflü&#x017F;ter: &#x201E;Seid ihr alle da?&#x201C;</l><lb/>
              <l>Und Schüttern zarter Saiten.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="7">
              <l>Er fuhr empor. &#x201E;Den hellen Chor</l><lb/>
              <l>Ergreift, getreue Wächter!&#x201C;</l><lb/>
              <l>Die Schergen griffen in die Luft</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ilbern klang Gelächter.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="8">
              <l>Am Morgen war der Kerker leer,</l><lb/>
              <l>Der Reigen über die Grenze &#x2014;</l><lb/>
              <l>Drin hingen &#x017F;tatt der Ketten &#x017F;chwer</l><lb/>
              <l>Zerrißne Blumenkränze.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0046] „An euern Launen? ...“ Der Deſpot Begann zu ſchmähn und läſtern. „Ihr Knechte,“ ſchrie er, „Feſſeln her!“ Und feſſelte die Schweſtern. Der König wacht', um Mitternacht Vernahm er leiſes Schreiten, Geflüſter: „Seid ihr alle da?“ Und Schüttern zarter Saiten. Er fuhr empor. „Den hellen Chor Ergreift, getreue Wächter!“ Die Schergen griffen in die Luft Und ſilbern klang Gelächter. Am Morgen war der Kerker leer, Der Reigen über die Grenze — Drin hingen ſtatt der Ketten ſchwer Zerrißne Blumenkränze.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/46
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/46>, abgerufen am 21.11.2024.