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Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

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Sonntags.
Ich liebe, Nymphe, deine keusche Flut,
Die kühl im allertiefsten Walde ruht.
Du spiegelst weder Stadt noch Firneschnee,
Den Himmel schimmerst du, mein kleiner See!
Dein Antlitz sagt mir Alles, rasch erregt,
Was dir das kindliche Gemüth bewegt,
Und leicht erhellt, verdunkelt ohne Grund,
Macht es mir alle deine Launen kund.
Der Kahn, verborgen tief im Schilfe dort,
Gefesselt ist er durch ein Zauberwort.
Nie hat gelöst ihn eine trunkne Schaar,
Nie hat sich eine Dirn im Flatterhaar,
Von rohen Buhlen durch den Wald gehetzt,
Vor deinen Spiegel keuchend hingesetzt.
Nie hat ein unstet zuckend Fackelrot
Dir über deine kühle Stirn geloht!
Horch! Stimmen durch den Wald! Ein Lustgeschrei!
Gekreisch! Gewieher! Freches Volk, vorbei!
Den Gassenhauer, liederlich gejohlt --
Schäme dich, Echo! -- hast du wiederholt!
Verhülle, Nymphe, deiner Augen Schein,
Verbirg dich tiefer in den Wald hinein!
Und zürnend gegen den Tumult gewandt:
"Hinweg!" gebot ich mit erhobner Hand.
Sonntags.
Ich liebe, Nymphe, deine keuſche Flut,
Die kühl im allertiefſten Walde ruht.
Du ſpiegelſt weder Stadt noch Firneſchnee,
Den Himmel ſchimmerſt du, mein kleiner See!
Dein Antlitz ſagt mir Alles, raſch erregt,
Was dir das kindliche Gemüth bewegt,
Und leicht erhellt, verdunkelt ohne Grund,
Macht es mir alle deine Launen kund.
Der Kahn, verborgen tief im Schilfe dort,
Gefeſſelt iſt er durch ein Zauberwort.
Nie hat gelöſt ihn eine trunkne Schaar,
Nie hat ſich eine Dirn im Flatterhaar,
Von rohen Buhlen durch den Wald gehetzt,
Vor deinen Spiegel keuchend hingeſetzt.
Nie hat ein unſtet zuckend Fackelrot
Dir über deine kühle Stirn geloht!
Horch! Stimmen durch den Wald! Ein Luſtgeſchrei!
Gekreiſch! Gewieher! Freches Volk, vorbei!
Den Gaſſenhauer, liederlich gejohlt —
Schäme dich, Echo! — haſt du wiederholt!
Verhülle, Nymphe, deiner Augen Schein,
Verbirg dich tiefer in den Wald hinein!
Und zürnend gegen den Tumult gewandt:
„Hinweg!“ gebot ich mit erhobner Hand.
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[45/0059] Sonntags. Ich liebe, Nymphe, deine keuſche Flut, Die kühl im allertiefſten Walde ruht. Du ſpiegelſt weder Stadt noch Firneſchnee, Den Himmel ſchimmerſt du, mein kleiner See! Dein Antlitz ſagt mir Alles, raſch erregt, Was dir das kindliche Gemüth bewegt, Und leicht erhellt, verdunkelt ohne Grund, Macht es mir alle deine Launen kund. Der Kahn, verborgen tief im Schilfe dort, Gefeſſelt iſt er durch ein Zauberwort. Nie hat gelöſt ihn eine trunkne Schaar, Nie hat ſich eine Dirn im Flatterhaar, Von rohen Buhlen durch den Wald gehetzt, Vor deinen Spiegel keuchend hingeſetzt. Nie hat ein unſtet zuckend Fackelrot Dir über deine kühle Stirn geloht! Horch! Stimmen durch den Wald! Ein Luſtgeſchrei! Gekreiſch! Gewieher! Freches Volk, vorbei! Den Gaſſenhauer, liederlich gejohlt — Schäme dich, Echo! — haſt du wiederholt! Verhülle, Nymphe, deiner Augen Schein, Verbirg dich tiefer in den Wald hinein! Und zürnend gegen den Tumult gewandt: „Hinweg!“ gebot ich mit erhobner Hand.

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/59>, abgerufen am 25.11.2024.