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Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

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In Nebel eingeschleiert lag die Stadt,
Der See, ein Boden spiegelhell und glatt,
Drauf in die Wette flogen, Gleis an Gleis,
Die Läufer; Wimpel flaggten auf dem Eis ...
Sie schwebte still, zuerst umkreist von vielen
Geflügelten wettlaufenden Gespielen --
Dort stürmte wild die purpurne Bacchantin,
Hier maß den Lauf die peinliche Pedantin --
Sie aber wiegte sich mit schlanker Kraft
Und leichten Leibes, luftig, elfenhaft,
Sie glitt dahin, das Eis berührend kaum,
Bis sich die Bahn in einem weiten Raum
Verlor und dann in schmal're Bahnen theilte.
Da lockt es ihren Fuß in Einsamkeiten,
In blaue Dämmerung hinauszugleiten,
Ins Märchenreich; sie zagte nicht und eilte
Und sah, daß ich an ihrer Seite fuhr,
Nahm meine Hand und eilte rascher nur.
Bald hinter uns verscholl der Menge Schall,
Die Wintersonne sank, ein Feuerball,
Doch nicht zu hemmen war das leichte Schweben,
Der sel'ge Reigen, die beschwingte Flucht
Und warme Kreise zog das rasche Leben
Auf harterstarrter, geisterhafter Bucht.
An uns vorüber schoß ein Fackellauf,
Ein glüh Phantom, den grauen See hinauf ...
In stiller Luft ein ungewisses Klingen,
Wie Glockenlaut, des Eises surrend Singen ...
Ein dumpf Getos, das aus der Tiefe droht --
Sie lauscht, erschrickt, ihr graut, das ist der Tod!
Jäh wendet sie den Lauf, sie strebt zurück,
In Nebel eingeſchleiert lag die Stadt,
Der See, ein Boden ſpiegelhell und glatt,
Drauf in die Wette flogen, Gleis an Gleis,
Die Läufer; Wimpel flaggten auf dem Eis ...
Sie ſchwebte ſtill, zuerſt umkreiſt von vielen
Geflügelten wettlaufenden Geſpielen —
Dort ſtürmte wild die purpurne Bacchantin,
Hier maß den Lauf die peinliche Pedantin —
Sie aber wiegte ſich mit ſchlanker Kraft
Und leichten Leibes, luftig, elfenhaft,
Sie glitt dahin, das Eis berührend kaum,
Bis ſich die Bahn in einem weiten Raum
Verlor und dann in ſchmal're Bahnen theilte.
Da lockt es ihren Fuß in Einſamkeiten,
In blaue Dämmerung hinauszugleiten,
Ins Märchenreich; ſie zagte nicht und eilte
Und ſah, daß ich an ihrer Seite fuhr,
Nahm meine Hand und eilte raſcher nur.
Bald hinter uns verſcholl der Menge Schall,
Die Winterſonne ſank, ein Feuerball,
Doch nicht zu hemmen war das leichte Schweben,
Der ſel'ge Reigen, die beſchwingte Flucht
Und warme Kreiſe zog das raſche Leben
Auf harterſtarrter, geiſterhafter Bucht.
An uns vorüber ſchoß ein Fackellauf,
Ein glüh Phantom, den grauen See hinauf ...
In ſtiller Luft ein ungewiſſes Klingen,
Wie Glockenlaut, des Eiſes ſurrend Singen ...
Ein dumpf Getos, das aus der Tiefe droht —
Sie lauſcht, erſchrickt, ihr graut, das iſt der Tod!
Jäh wendet ſie den Lauf, ſie ſtrebt zurück,
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[63/0077] In Nebel eingeſchleiert lag die Stadt, Der See, ein Boden ſpiegelhell und glatt, Drauf in die Wette flogen, Gleis an Gleis, Die Läufer; Wimpel flaggten auf dem Eis ... Sie ſchwebte ſtill, zuerſt umkreiſt von vielen Geflügelten wettlaufenden Geſpielen — Dort ſtürmte wild die purpurne Bacchantin, Hier maß den Lauf die peinliche Pedantin — Sie aber wiegte ſich mit ſchlanker Kraft Und leichten Leibes, luftig, elfenhaft, Sie glitt dahin, das Eis berührend kaum, Bis ſich die Bahn in einem weiten Raum Verlor und dann in ſchmal're Bahnen theilte. Da lockt es ihren Fuß in Einſamkeiten, In blaue Dämmerung hinauszugleiten, Ins Märchenreich; ſie zagte nicht und eilte Und ſah, daß ich an ihrer Seite fuhr, Nahm meine Hand und eilte raſcher nur. Bald hinter uns verſcholl der Menge Schall, Die Winterſonne ſank, ein Feuerball, Doch nicht zu hemmen war das leichte Schweben, Der ſel'ge Reigen, die beſchwingte Flucht Und warme Kreiſe zog das raſche Leben Auf harterſtarrter, geiſterhafter Bucht. An uns vorüber ſchoß ein Fackellauf, Ein glüh Phantom, den grauen See hinauf ... In ſtiller Luft ein ungewiſſes Klingen, Wie Glockenlaut, des Eiſes ſurrend Singen ... Ein dumpf Getos, das aus der Tiefe droht — Sie lauſcht, erſchrickt, ihr graut, das iſt der Tod! Jäh wendet ſie den Lauf, ſie ſtrebt zurück,

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/77>, abgerufen am 26.11.2024.