Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
Im Konzert.
Heut im Konzerte hielt ich Zwiegespräch
Mit einem allerliebsten Mädchenhals,
Der aus derselben Bank geschimmert schon
Ein früher Mal ... Du hattest, sagt' ich ihm,
Ein schmales Kettlein an, besinne dich!
Vielteilig, sein gefügt, von blassem Gold,
Süß leuchtend aus dem Dunkel des Gewands.
Verloren ging's? Vielleicht ist's nur verlegt?
Zerbrach es eben erst der Finger Hast?
Trug's ein Gespiel davon, ein schmeichelndes?
Warf, dich betörend, eine Hand dir's um,
Die Treue brach? Du hassest jetzt das Band?
Du trauerst, Hälschen? Heute neigst du dich
Ein bischen tiefer als das letzte Mal?
Der eigenartige Satz: Die Flöte klagt:
"Das Hälschen neigt sich etwas tiefer heut!"
"O dunkles Schicksal!" dröhnt verhängnisvoll
Das melancholische Violoncell ...
Ein feines Glöckchen aber spottet hell:
"Das Kettlein steckt im blauen Sammt des Schreins.
Aus einer reinen Laune blieb's zu Haus."

C. F. Meyer, Gedichte. 5
Im Konzert.
Heut im Konzerte hielt ich Zwiegeſpräch
Mit einem allerliebſten Mädchenhals,
Der aus derſelben Bank geſchimmert ſchon
Ein früher Mal ... Du hatteſt, ſagt' ich ihm,
Ein ſchmales Kettlein an, beſinne dich!
Vielteilig, ſein gefügt, von blaſſem Gold,
Süß leuchtend aus dem Dunkel des Gewands.
Verloren ging's? Vielleicht iſt's nur verlegt?
Zerbrach es eben erſt der Finger Haſt?
Trug's ein Geſpiel davon, ein ſchmeichelndes?
Warf, dich betörend, eine Hand dir's um,
Die Treue brach? Du haſſeſt jetzt das Band?
Du trauerſt, Hälschen? Heute neigſt du dich
Ein bischen tiefer als das letzte Mal?
Der eigenartige Satz: Die Flöte klagt:
„Das Hälschen neigt ſich etwas tiefer heut!“
„O dunkles Schickſal!“ dröhnt verhängnisvoll
Das melancholiſche Violoncell ...
Ein feines Glöckchen aber ſpottet hell:
„Das Kettlein ſteckt im blauen Sammt des Schreins.
Aus einer reinen Laune blieb's zu Haus.“

C. F. Meyer, Gedichte. 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0079" n="65"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Im Konzert.<lb/></head>
          <lg type="poem">
            <l>Heut im Konzerte hielt ich Zwiege&#x017F;präch</l><lb/>
            <l>Mit einem allerlieb&#x017F;ten Mädchenhals,</l><lb/>
            <l>Der aus der&#x017F;elben Bank ge&#x017F;chimmert &#x017F;chon</l><lb/>
            <l>Ein früher Mal ... Du hatte&#x017F;t, &#x017F;agt' ich ihm,</l><lb/>
            <l>Ein &#x017F;chmales Kettlein an, be&#x017F;inne dich!</l><lb/>
            <l>Vielteilig, &#x017F;ein gefügt, von bla&#x017F;&#x017F;em Gold,</l><lb/>
            <l>Süß leuchtend aus dem Dunkel des Gewands.</l><lb/>
            <l>Verloren ging's? Vielleicht i&#x017F;t's nur verlegt?</l><lb/>
            <l>Zerbrach es eben er&#x017F;t der Finger Ha&#x017F;t?</l><lb/>
            <l>Trug's ein Ge&#x017F;piel davon, ein &#x017F;chmeichelndes?</l><lb/>
            <l>Warf, dich betörend, eine Hand dir's um,</l><lb/>
            <l>Die Treue brach? Du ha&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t jetzt das Band?</l><lb/>
            <l>Du trauer&#x017F;t, Hälschen? Heute neig&#x017F;t du dich</l><lb/>
            <l>Ein bischen tiefer als das letzte Mal?</l><lb/>
            <l>Der eigenartige Satz: Die Flöte klagt:</l><lb/>
            <l>&#x201E;Das Hälschen neigt &#x017F;ich etwas tiefer heut!&#x201C;</l><lb/>
            <l>&#x201E;O dunkles Schick&#x017F;al!&#x201C; dröhnt verhängnisvoll</l><lb/>
            <l>Das melancholi&#x017F;che Violoncell ...</l><lb/>
            <l>Ein feines Glöckchen aber &#x017F;pottet hell:</l><lb/>
            <l>&#x201E;Das Kettlein &#x017F;teckt im blauen Sammt des Schreins.</l><lb/>
            <l>Aus einer reinen Laune blieb's zu Haus.&#x201C;</l><lb/>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <fw place="bottom" type="sig">C. F. <hi rendition="#g">Meyer</hi>, Gedichte. 5<lb/></fw>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0079] Im Konzert. Heut im Konzerte hielt ich Zwiegeſpräch Mit einem allerliebſten Mädchenhals, Der aus derſelben Bank geſchimmert ſchon Ein früher Mal ... Du hatteſt, ſagt' ich ihm, Ein ſchmales Kettlein an, beſinne dich! Vielteilig, ſein gefügt, von blaſſem Gold, Süß leuchtend aus dem Dunkel des Gewands. Verloren ging's? Vielleicht iſt's nur verlegt? Zerbrach es eben erſt der Finger Haſt? Trug's ein Geſpiel davon, ein ſchmeichelndes? Warf, dich betörend, eine Hand dir's um, Die Treue brach? Du haſſeſt jetzt das Band? Du trauerſt, Hälschen? Heute neigſt du dich Ein bischen tiefer als das letzte Mal? Der eigenartige Satz: Die Flöte klagt: „Das Hälschen neigt ſich etwas tiefer heut!“ „O dunkles Schickſal!“ dröhnt verhängnisvoll Das melancholiſche Violoncell ... Ein feines Glöckchen aber ſpottet hell: „Das Kettlein ſteckt im blauen Sammt des Schreins. Aus einer reinen Laune blieb's zu Haus.“ C. F. Meyer, Gedichte. 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/79
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/79>, abgerufen am 25.11.2024.