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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Bodentreppe hinauf, um durch die Dachluken auszu¬
schauen. Der Prädikant aber lud seine Muskete wieder
und stellte sich an das schmale vergitterte Küchenfenster,
das nach der Gasse ging, wie hinter eine Schießscharte.

" Die Schurken!" rief er dem Zürcher zu, der eben
hastig aus seiner Kammer trat, wo er sein Ränzchen
geholt und seinen leichten Reisedegen umgeschnallt hatte,
"wir wollen unser Leben theuer verkaufen!"

"Um Gottes willen, Herr Blasius," warnte dieser,
"gedenkt denn Ihr, ein Diener am Wort, auf die Leute
zu schießen?"

"Wer nicht hören will, muß fühlen," war des
Bündners kaltblütige Antwort.

Jetzt aber faßte Pancrazi den tapfern Alten mit
beiden Armen um den Leib und riß ihn von dem
Mauerloche zurück: "Willst Du uns Alle verderben mit
Deiner wahnwitzigen Gegenwehr? -- Macht, daß Ihr
von hinnen und in die Berge kommt!" --

"Misericordia!" dröhnte Fauschens Stimme durch
die Treppenöffnung herunter, "Sie kommen in hellen
Haufen, sie stürmen das Haus des Poretto! Wir
sind verloren!"

"Macht, daß Ihr fortkommt!" schrie der Pater,
während immer heftigere Beilhiebe gegen die Thüre
schmetterten.

Bodentreppe hinauf, um durch die Dachluken auszu¬
ſchauen. Der Prädikant aber lud ſeine Muskete wieder
und ſtellte ſich an das ſchmale vergitterte Küchenfenſter,
das nach der Gaſſe ging, wie hinter eine Schießſcharte.

„ Die Schurken!“ rief er dem Zürcher zu, der eben
haſtig aus ſeiner Kammer trat, wo er ſein Ränzchen
geholt und ſeinen leichten Reiſedegen umgeſchnallt hatte,
„wir wollen unſer Leben theuer verkaufen!“

„Um Gottes willen, Herr Blaſius,“ warnte dieſer,
„gedenkt denn Ihr, ein Diener am Wort, auf die Leute
zu ſchießen?“

„Wer nicht hören will, muß fühlen,“ war des
Bündners kaltblütige Antwort.

Jetzt aber faßte Pancrazi den tapfern Alten mit
beiden Armen um den Leib und riß ihn von dem
Mauerloche zurück: „Willſt Du uns Alle verderben mit
Deiner wahnwitzigen Gegenwehr? — Macht, daß Ihr
von hinnen und in die Berge kommt!“ —

„Miſericordia!“ dröhnte Fauſchens Stimme durch
die Treppenöffnung herunter, „Sie kommen in hellen
Haufen, ſie ſtürmen das Haus des Poretto! Wir
ſind verloren!“

„Macht, daß Ihr fortkommt!“ ſchrie der Pater,
während immer heftigere Beilhiebe gegen die Thüre
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[93/0103] Bodentreppe hinauf, um durch die Dachluken auszu¬ ſchauen. Der Prädikant aber lud ſeine Muskete wieder und ſtellte ſich an das ſchmale vergitterte Küchenfenſter, das nach der Gaſſe ging, wie hinter eine Schießſcharte. „ Die Schurken!“ rief er dem Zürcher zu, der eben haſtig aus ſeiner Kammer trat, wo er ſein Ränzchen geholt und ſeinen leichten Reiſedegen umgeſchnallt hatte, „wir wollen unſer Leben theuer verkaufen!“ „Um Gottes willen, Herr Blaſius,“ warnte dieſer, „gedenkt denn Ihr, ein Diener am Wort, auf die Leute zu ſchießen?“ „Wer nicht hören will, muß fühlen,“ war des Bündners kaltblütige Antwort. Jetzt aber faßte Pancrazi den tapfern Alten mit beiden Armen um den Leib und riß ihn von dem Mauerloche zurück: „Willſt Du uns Alle verderben mit Deiner wahnwitzigen Gegenwehr? — Macht, daß Ihr von hinnen und in die Berge kommt!“ — „Miſericordia!“ dröhnte Fauſchens Stimme durch die Treppenöffnung herunter, „Sie kommen in hellen Haufen, ſie ſtürmen das Haus des Poretto! Wir ſind verloren!“ „Macht, daß Ihr fortkommt!“ ſchrie der Pater, während immer heftigere Beilhiebe gegen die Thüre ſchmetterten.

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/103>, abgerufen am 22.11.2024.