noch jugendweichen Zügen. Aber nicht klösterlich kalt war ihr Ausdruck, sondern von kräftigem Leben durch¬ glüht. Sie flehte nicht, rang nicht um Erhörung. Sie brachte, so schien es, ein tägliches Opfer, ein gewohn¬ tes Gelübde dar, das ihre Seele erfüllte und dem ihr Leben geweiht war.
In steigender Neugier war der junge Cavalier immer näher herangetreten, da hatte sie sich erhoben und war seinem unbescheidenen Auge unverschleiert mit einem stolzen fremden Blicke begegnet. Dann hatte sie die Kirche verlassen. Zwiefach enttäuscht, -- denn in der Ferne war ihm die Dame jünger erschienen und auf ihre einfache Hoheit war er nach seinen venetianischen Erfahrungen und Gewohnheiten nicht gefaßt, -- hatte er noch einen Blick auf die verschiedenen Kirchenbilder ge¬ worfen und ein Wort mit dem Küster gesprochen.
Als Fausch, das Fläschchen auf einem silbernen Teller mit einiger Feierlichkeit vor sich hertragend, in der Hinterpforte seines Schenkraumes erschien, hatte sich der Gast schon in nachlässigster Haltung auf einer Otto¬ mane nächst der Thüre niedergelassen. Er zog jetzt seine Füße von dem Marmortischchen, auf das er sie gelegt hatte, der Bäcker aber holte ein fein geschliffenes kleines Kelchglas herbei, stellte es neben die Flasche und begann nach seiner Gewohnheit selbst das Gespräch.
noch jugendweichen Zügen. Aber nicht klöſterlich kalt war ihr Ausdruck, ſondern von kräftigem Leben durch¬ glüht. Sie flehte nicht, rang nicht um Erhörung. Sie brachte, ſo ſchien es, ein tägliches Opfer, ein gewohn¬ tes Gelübde dar, das ihre Seele erfüllte und dem ihr Leben geweiht war.
In ſteigender Neugier war der junge Cavalier immer näher herangetreten, da hatte ſie ſich erhoben und war ſeinem unbeſcheidenen Auge unverſchleiert mit einem ſtolzen fremden Blicke begegnet. Dann hatte ſie die Kirche verlaſſen. Zwiefach enttäuſcht, — denn in der Ferne war ihm die Dame jünger erſchienen und auf ihre einfache Hoheit war er nach ſeinen venetianiſchen Erfahrungen und Gewohnheiten nicht gefaßt, — hatte er noch einen Blick auf die verſchiedenen Kirchenbilder ge¬ worfen und ein Wort mit dem Küſter geſprochen.
Als Fauſch, das Fläſchchen auf einem ſilbernen Teller mit einiger Feierlichkeit vor ſich hertragend, in der Hinterpforte ſeines Schenkraumes erſchien, hatte ſich der Gaſt ſchon in nachläſſigſter Haltung auf einer Otto¬ mane nächſt der Thüre niedergelaſſen. Er zog jetzt ſeine Füße von dem Marmortiſchchen, auf das er ſie gelegt hatte, der Bäcker aber holte ein fein geſchliffenes kleines Kelchglas herbei, ſtellte es neben die Flaſche und begann nach ſeiner Gewohnheit ſelbſt das Geſpräch.
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noch jugendweichen Zügen. Aber nicht klöſterlich kalt
war ihr Ausdruck, ſondern von kräftigem Leben durch¬
glüht. Sie flehte nicht, rang nicht um Erhörung. Sie
brachte, ſo ſchien es, ein tägliches Opfer, ein gewohn¬
tes Gelübde dar, das ihre Seele erfüllte und dem ihr
Leben geweiht war.
In ſteigender Neugier war der junge Cavalier
immer näher herangetreten, da hatte ſie ſich erhoben
und war ſeinem unbeſcheidenen Auge unverſchleiert mit
einem ſtolzen fremden Blicke begegnet. Dann hatte ſie
die Kirche verlaſſen. Zwiefach enttäuſcht, — denn in der
Ferne war ihm die Dame jünger erſchienen und auf
ihre einfache Hoheit war er nach ſeinen venetianiſchen
Erfahrungen und Gewohnheiten nicht gefaßt, — hatte er
noch einen Blick auf die verſchiedenen Kirchenbilder ge¬
worfen und ein Wort mit dem Küſter geſprochen.
Als Fauſch, das Fläſchchen auf einem ſilbernen
Teller mit einiger Feierlichkeit vor ſich hertragend, in
der Hinterpforte ſeines Schenkraumes erſchien, hatte ſich
der Gaſt ſchon in nachläſſigſter Haltung auf einer Otto¬
mane nächſt der Thüre niedergelaſſen. Er zog jetzt
ſeine Füße von dem Marmortiſchchen, auf das er ſie
gelegt hatte, der Bäcker aber holte ein fein geſchliffenes
kleines Kelchglas herbei, ſtellte es neben die Flaſche und
begann nach ſeiner Gewohnheit ſelbſt das Geſpräch.
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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/131>, abgerufen am 30.11.2024.
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