Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

aufgereihten, fein geschliffenen Kelchen und funkelte in
dem Purpurweine, welchen Meister Lorenz dem in sich Ver¬
tieften unaufgefordert vorgesetzt hatte. Eine gute Weile
noch schwieg dieser, das Haupt auf den Arm gestützt,
während Fausch die Hände auf die glänzende Marmor¬
platte stemmte und, einer Anrede gewärtig, nachdenklich
vor ihm stand.

Endlich entrang sich der Brust des Gastes ein
schwerer Seufzer: "Ich bin ein Mann des Unglücks!"
sprach er vor sich hin. Dann richtete er sich mit einem
trotzigen Rucke auf, als ob ihn sein eigenes muthloses
Wort aus einem bösen Traume geweckt und seinen
Stolz beschämt hätte, heftete seine finstern Augen fest,
aber voll inniger Freundlichkeit auf Meister Lorenz und
begann: "Du wunderst Dich, Fausch, mich hier in
Venedig zu sehen! Du glaubtest, ich hätte noch eine
lange Arbeit in Dalmatien, aber ich bin zuletzt rascher
damit fertig geworden und unblutiger als ich selber es
dachte. Die dalmatischen Räuber sind zu Paaren ge¬
trieben und die Republik von San Marco kann mit
mir zufrieden sein. Es war kein leichtes Spiel. Bei
Gott, ich kenne den Gebirgskrieg von der Heimat her,
aber hätt' ich nicht Verräther unter ihnen gefunden, und
sie entzweit durch mancherlei List und Vorspiegelung, ich
säße noch vor ihren Bergmauern drüben in Zara. Auch

Meyer, Georg Jenatsch. 9

aufgereihten, fein geſchliffenen Kelchen und funkelte in
dem Purpurweine, welchen Meiſter Lorenz dem in ſich Ver¬
tieften unaufgefordert vorgeſetzt hatte. Eine gute Weile
noch ſchwieg dieſer, das Haupt auf den Arm geſtützt,
während Fauſch die Hände auf die glänzende Marmor¬
platte ſtemmte und, einer Anrede gewärtig, nachdenklich
vor ihm ſtand.

Endlich entrang ſich der Bruſt des Gaſtes ein
ſchwerer Seufzer: „Ich bin ein Mann des Unglücks!“
ſprach er vor ſich hin. Dann richtete er ſich mit einem
trotzigen Rucke auf, als ob ihn ſein eigenes muthloſes
Wort aus einem böſen Traume geweckt und ſeinen
Stolz beſchämt hätte, heftete ſeine finſtern Augen feſt,
aber voll inniger Freundlichkeit auf Meiſter Lorenz und
begann: „Du wunderſt Dich, Fauſch, mich hier in
Venedig zu ſehen! Du glaubteſt, ich hätte noch eine
lange Arbeit in Dalmatien, aber ich bin zuletzt raſcher
damit fertig geworden und unblutiger als ich ſelber es
dachte. Die dalmatiſchen Räuber ſind zu Paaren ge¬
trieben und die Republik von San Marco kann mit
mir zufrieden ſein. Es war kein leichtes Spiel. Bei
Gott, ich kenne den Gebirgskrieg von der Heimat her,
aber hätt' ich nicht Verräther unter ihnen gefunden, und
ſie entzweit durch mancherlei Liſt und Vorſpiegelung, ich
ſäße noch vor ihren Bergmauern drüben in Zara. Auch

Meyer, Georg Jenatſch. 9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0139" n="129"/>
aufgereihten, fein ge&#x017F;chliffenen Kelchen und funkelte in<lb/>
dem Purpurweine, welchen Mei&#x017F;ter Lorenz dem in &#x017F;ich Ver¬<lb/>
tieften unaufgefordert vorge&#x017F;etzt hatte. Eine gute Weile<lb/>
noch &#x017F;chwieg die&#x017F;er, das Haupt auf den Arm ge&#x017F;tützt,<lb/>
während Fau&#x017F;ch die Hände auf die glänzende Marmor¬<lb/>
platte &#x017F;temmte und, einer Anrede gewärtig, nachdenklich<lb/>
vor ihm &#x017F;tand.</p><lb/>
          <p>Endlich entrang &#x017F;ich der Bru&#x017F;t des Ga&#x017F;tes ein<lb/>
&#x017F;chwerer Seufzer: &#x201E;Ich bin ein Mann des Unglücks!&#x201C;<lb/>
&#x017F;prach er vor &#x017F;ich hin. Dann richtete er &#x017F;ich mit einem<lb/>
trotzigen Rucke auf, als ob ihn &#x017F;ein eigenes muthlo&#x017F;es<lb/>
Wort aus einem bö&#x017F;en Traume geweckt und &#x017F;einen<lb/>
Stolz be&#x017F;chämt hätte, heftete &#x017F;eine fin&#x017F;tern Augen fe&#x017F;t,<lb/>
aber voll inniger Freundlichkeit auf Mei&#x017F;ter Lorenz und<lb/>
begann: &#x201E;Du wunder&#x017F;t Dich, Fau&#x017F;ch, mich hier in<lb/>
Venedig zu &#x017F;ehen! Du glaubte&#x017F;t, ich hätte noch eine<lb/>
lange Arbeit in Dalmatien, aber ich bin zuletzt ra&#x017F;cher<lb/>
damit fertig geworden und unblutiger als ich &#x017F;elber es<lb/>
dachte. Die dalmati&#x017F;chen Räuber &#x017F;ind zu Paaren ge¬<lb/>
trieben und die Republik von San Marco kann mit<lb/>
mir zufrieden &#x017F;ein. Es war kein leichtes Spiel. Bei<lb/>
Gott, ich kenne den Gebirgskrieg von der Heimat her,<lb/>
aber hätt' ich nicht Verräther unter ihnen gefunden, und<lb/>
&#x017F;ie entzweit durch mancherlei Li&#x017F;t und Vor&#x017F;piegelung, ich<lb/>
&#x017F;äße noch vor ihren Bergmauern drüben in Zara. Auch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Meyer</hi>, Georg Jenat&#x017F;ch. 9<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0139] aufgereihten, fein geſchliffenen Kelchen und funkelte in dem Purpurweine, welchen Meiſter Lorenz dem in ſich Ver¬ tieften unaufgefordert vorgeſetzt hatte. Eine gute Weile noch ſchwieg dieſer, das Haupt auf den Arm geſtützt, während Fauſch die Hände auf die glänzende Marmor¬ platte ſtemmte und, einer Anrede gewärtig, nachdenklich vor ihm ſtand. Endlich entrang ſich der Bruſt des Gaſtes ein ſchwerer Seufzer: „Ich bin ein Mann des Unglücks!“ ſprach er vor ſich hin. Dann richtete er ſich mit einem trotzigen Rucke auf, als ob ihn ſein eigenes muthloſes Wort aus einem böſen Traume geweckt und ſeinen Stolz beſchämt hätte, heftete ſeine finſtern Augen feſt, aber voll inniger Freundlichkeit auf Meiſter Lorenz und begann: „Du wunderſt Dich, Fauſch, mich hier in Venedig zu ſehen! Du glaubteſt, ich hätte noch eine lange Arbeit in Dalmatien, aber ich bin zuletzt raſcher damit fertig geworden und unblutiger als ich ſelber es dachte. Die dalmatiſchen Räuber ſind zu Paaren ge¬ trieben und die Republik von San Marco kann mit mir zufrieden ſein. Es war kein leichtes Spiel. Bei Gott, ich kenne den Gebirgskrieg von der Heimat her, aber hätt' ich nicht Verräther unter ihnen gefunden, und ſie entzweit durch mancherlei Liſt und Vorſpiegelung, ich ſäße noch vor ihren Bergmauern drüben in Zara. Auch Meyer, Georg Jenatſch. 9

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/139
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/139>, abgerufen am 29.11.2024.