"Ihr seid ein Bündner?" sagte der Herzog, an¬ genehmer berührt durch die hinreißende Wärme des Re¬ denden als durch die stark aufgetragene Schmeichelei, die der Herzogin ein gewogenes Lächeln entlockt hatte. "Irr' ich mich, oder seid Ihr der Hauptmann Georg Jenatsch?"
Dieser verneigte sich bejahend.
"Ihr habt aus Zara an mich geschrieben," fuhr der Herzog fort. "Aus den Antworten meines Adju¬ tanten Wertmüller," und er stellte dem Hauptmann den schmächtigen Zürcher vor, der des Bündners Auftreten nicht ohne Mißtrauen scharf beobachtet hatte und bei der Nennung seines Namens nun hinzutrat, "aus Wert¬ müllers Antworten habt Ihr ersehen, daß Eure Mit¬ theilungen über die Zustände Eures Vaterlandes mir alle Beachtung zu verdienen scheinen und die beigelegten Karten mir von Nutzen waren. Wäre meine Zeit durch die Vorbereitung des Feldzuges nicht vollständig auf¬ gezehrt, so hätt' ich mir nicht versagt, Euch persönlich meine Zustimmung in den meisten Fällen, in andern meine Zweifel und Einwürfe mitzutheilen. Um so will¬ kommener ist mir nun Eure Gegenwart in Venedig. Mehr als einmal, seit ich in brieflichen Verkehr mit Euch getreten, hab' ich mich bei meinem Freunde, dem Provveditore Grimani um Eure Rückberufung aus Dal¬
„Ihr ſeid ein Bündner?“ ſagte der Herzog, an¬ genehmer berührt durch die hinreißende Wärme des Re¬ denden als durch die ſtark aufgetragene Schmeichelei, die der Herzogin ein gewogenes Lächeln entlockt hatte. „Irr' ich mich, oder ſeid Ihr der Hauptmann Georg Jenatſch?“
Dieſer verneigte ſich bejahend.
„Ihr habt aus Zara an mich geſchrieben,“ fuhr der Herzog fort. „Aus den Antworten meines Adju¬ tanten Wertmüller,“ und er ſtellte dem Hauptmann den ſchmächtigen Zürcher vor, der des Bündners Auftreten nicht ohne Mißtrauen ſcharf beobachtet hatte und bei der Nennung ſeines Namens nun hinzutrat, „aus Wert¬ müllers Antworten habt Ihr erſehen, daß Eure Mit¬ theilungen über die Zuſtände Eures Vaterlandes mir alle Beachtung zu verdienen ſcheinen und die beigelegten Karten mir von Nutzen waren. Wäre meine Zeit durch die Vorbereitung des Feldzuges nicht vollſtändig auf¬ gezehrt, ſo hätt' ich mir nicht verſagt, Euch perſönlich meine Zuſtimmung in den meiſten Fällen, in andern meine Zweifel und Einwürfe mitzutheilen. Um ſo will¬ kommener iſt mir nun Eure Gegenwart in Venedig. Mehr als einmal, ſeit ich in brieflichen Verkehr mit Euch getreten, hab' ich mich bei meinem Freunde, dem Provveditore Grimani um Eure Rückberufung aus Dal¬
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„Ihr ſeid ein Bündner?“ ſagte der Herzog, an¬
genehmer berührt durch die hinreißende Wärme des Re¬
denden als durch die ſtark aufgetragene Schmeichelei,
die der Herzogin ein gewogenes Lächeln entlockt hatte.
„Irr' ich mich, oder ſeid Ihr der Hauptmann Georg
Jenatſch?“
Dieſer verneigte ſich bejahend.
„Ihr habt aus Zara an mich geſchrieben,“ fuhr
der Herzog fort. „Aus den Antworten meines Adju¬
tanten Wertmüller,“ und er ſtellte dem Hauptmann den
ſchmächtigen Zürcher vor, der des Bündners Auftreten
nicht ohne Mißtrauen ſcharf beobachtet hatte und bei
der Nennung ſeines Namens nun hinzutrat, „aus Wert¬
müllers Antworten habt Ihr erſehen, daß Eure Mit¬
theilungen über die Zuſtände Eures Vaterlandes mir
alle Beachtung zu verdienen ſcheinen und die beigelegten
Karten mir von Nutzen waren. Wäre meine Zeit durch
die Vorbereitung des Feldzuges nicht vollſtändig auf¬
gezehrt, ſo hätt' ich mir nicht verſagt, Euch perſönlich
meine Zuſtimmung in den meiſten Fällen, in andern
meine Zweifel und Einwürfe mitzutheilen. Um ſo will¬
kommener iſt mir nun Eure Gegenwart in Venedig.
Mehr als einmal, ſeit ich in brieflichen Verkehr mit
Euch getreten, hab' ich mich bei meinem Freunde, dem
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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/154>, abgerufen am 28.11.2024.
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