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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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vom Französischen unsrer Kriegskameraden nur die
Flüche erlernt zu haben."

"Morbleu", rief Guler hitzig, "da will ich Dir
ein Anderes beweisen. Ich weiß einen häßlichen Witz
des boshaften Kobolds, den ich ganz allein verstanden
habe. Er höhnte, der Herzog habe ihn gesandt, uns
an die Grenze zurückzutreiben, und solcherweise das
Amt auszuüben, das sein Name bedeute. Dieser Aus¬
spruch ließ mir keine Ruhe. Ich suchte das Wörter¬
buch hervor, welches mir mein in Paris verstorbener
Bruder -- gewissermaßen ein verlorner Sohn -- als
einziges Erbstück hinterlassen hat. Was heißt nun
Lasnier, Ihr Herren? -- Der Eseltreiber. Hätte ich's
gewußt, als er noch da war, ich hätte das Männchen
trotz seines Scorpionengifts zwischen Daumen und Zeige¬
finger zerrieben."

Jenatsch, der während dieser Rede mit zusammen¬
gezogenen Brauen nachgedacht hatte, wandte sich auf
einmal zur ganzen Gesellschaft mit den Worten: "Haltet
Ihr mich für zahlungsfähig? . . . Ihr wißt, ich war
immer ein guter Haushalter. Aus meiner Kriegsbeute
habe ich mir in Davos ein stattliches Haus erbaut
und mir ringsum schöne Alpen erworben. Ueberdies
liegen mir Summen bei a Marca in Venedig, welche
der kluge Wechsler nicht müßig gehen läßt. Das Alles

vom Franzöſiſchen unſrer Kriegskameraden nur die
Flüche erlernt zu haben.“

Morbleu“, rief Guler hitzig, „da will ich Dir
ein Anderes beweiſen. Ich weiß einen häßlichen Witz
des boshaften Kobolds, den ich ganz allein verſtanden
habe. Er höhnte, der Herzog habe ihn geſandt, uns
an die Grenze zurückzutreiben, und ſolcherweiſe das
Amt auszuüben, das ſein Name bedeute. Dieſer Aus¬
ſpruch ließ mir keine Ruhe. Ich ſuchte das Wörter¬
buch hervor, welches mir mein in Paris verſtorbener
Bruder — gewiſſermaßen ein verlorner Sohn — als
einziges Erbſtück hinterlaſſen hat. Was heißt nun
Lasnier, Ihr Herren? — Der Eſeltreiber. Hätte ich's
gewußt, als er noch da war, ich hätte das Männchen
trotz ſeines Scorpionengifts zwiſchen Daumen und Zeige¬
finger zerrieben.“

Jenatſch, der während dieſer Rede mit zuſammen¬
gezogenen Brauen nachgedacht hatte, wandte ſich auf
einmal zur ganzen Geſellſchaft mit den Worten: „Haltet
Ihr mich für zahlungsfähig? . . . Ihr wißt, ich war
immer ein guter Haushalter. Aus meiner Kriegsbeute
habe ich mir in Davos ein ſtattliches Haus erbaut
und mir ringsum ſchöne Alpen erworben. Ueberdies
liegen mir Summen bei a Marca in Venedig, welche
der kluge Wechsler nicht müßig gehen läßt. Das Alles

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[254/0264] vom Franzöſiſchen unſrer Kriegskameraden nur die Flüche erlernt zu haben.“ „Morbleu“, rief Guler hitzig, „da will ich Dir ein Anderes beweiſen. Ich weiß einen häßlichen Witz des boshaften Kobolds, den ich ganz allein verſtanden habe. Er höhnte, der Herzog habe ihn geſandt, uns an die Grenze zurückzutreiben, und ſolcherweiſe das Amt auszuüben, das ſein Name bedeute. Dieſer Aus¬ ſpruch ließ mir keine Ruhe. Ich ſuchte das Wörter¬ buch hervor, welches mir mein in Paris verſtorbener Bruder — gewiſſermaßen ein verlorner Sohn — als einziges Erbſtück hinterlaſſen hat. Was heißt nun Lasnier, Ihr Herren? — Der Eſeltreiber. Hätte ich's gewußt, als er noch da war, ich hätte das Männchen trotz ſeines Scorpionengifts zwiſchen Daumen und Zeige¬ finger zerrieben.“ Jenatſch, der während dieſer Rede mit zuſammen¬ gezogenen Brauen nachgedacht hatte, wandte ſich auf einmal zur ganzen Geſellſchaft mit den Worten: „Haltet Ihr mich für zahlungsfähig? . . . Ihr wißt, ich war immer ein guter Haushalter. Aus meiner Kriegsbeute habe ich mir in Davos ein ſtattliches Haus erbaut und mir ringsum ſchöne Alpen erworben. Ueberdies liegen mir Summen bei a Marca in Venedig, welche der kluge Wechsler nicht müßig gehen läßt. Das Alles

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/264>, abgerufen am 22.11.2024.