vom Französischen unsrer Kriegskameraden nur die Flüche erlernt zu haben."
"Morbleu", rief Guler hitzig, "da will ich Dir ein Anderes beweisen. Ich weiß einen häßlichen Witz des boshaften Kobolds, den ich ganz allein verstanden habe. Er höhnte, der Herzog habe ihn gesandt, uns an die Grenze zurückzutreiben, und solcherweise das Amt auszuüben, das sein Name bedeute. Dieser Aus¬ spruch ließ mir keine Ruhe. Ich suchte das Wörter¬ buch hervor, welches mir mein in Paris verstorbener Bruder -- gewissermaßen ein verlorner Sohn -- als einziges Erbstück hinterlassen hat. Was heißt nun Lasnier, Ihr Herren? -- Der Eseltreiber. Hätte ich's gewußt, als er noch da war, ich hätte das Männchen trotz seines Scorpionengifts zwischen Daumen und Zeige¬ finger zerrieben."
Jenatsch, der während dieser Rede mit zusammen¬ gezogenen Brauen nachgedacht hatte, wandte sich auf einmal zur ganzen Gesellschaft mit den Worten: "Haltet Ihr mich für zahlungsfähig? . . . Ihr wißt, ich war immer ein guter Haushalter. Aus meiner Kriegsbeute habe ich mir in Davos ein stattliches Haus erbaut und mir ringsum schöne Alpen erworben. Ueberdies liegen mir Summen bei a Marca in Venedig, welche der kluge Wechsler nicht müßig gehen läßt. Das Alles
vom Franzöſiſchen unſrer Kriegskameraden nur die Flüche erlernt zu haben.“
„Morbleu“, rief Guler hitzig, „da will ich Dir ein Anderes beweiſen. Ich weiß einen häßlichen Witz des boshaften Kobolds, den ich ganz allein verſtanden habe. Er höhnte, der Herzog habe ihn geſandt, uns an die Grenze zurückzutreiben, und ſolcherweiſe das Amt auszuüben, das ſein Name bedeute. Dieſer Aus¬ ſpruch ließ mir keine Ruhe. Ich ſuchte das Wörter¬ buch hervor, welches mir mein in Paris verſtorbener Bruder — gewiſſermaßen ein verlorner Sohn — als einziges Erbſtück hinterlaſſen hat. Was heißt nun Lasnier, Ihr Herren? — Der Eſeltreiber. Hätte ich's gewußt, als er noch da war, ich hätte das Männchen trotz ſeines Scorpionengifts zwiſchen Daumen und Zeige¬ finger zerrieben.“
Jenatſch, der während dieſer Rede mit zuſammen¬ gezogenen Brauen nachgedacht hatte, wandte ſich auf einmal zur ganzen Geſellſchaft mit den Worten: „Haltet Ihr mich für zahlungsfähig? . . . Ihr wißt, ich war immer ein guter Haushalter. Aus meiner Kriegsbeute habe ich mir in Davos ein ſtattliches Haus erbaut und mir ringsum ſchöne Alpen erworben. Ueberdies liegen mir Summen bei a Marca in Venedig, welche der kluge Wechsler nicht müßig gehen läßt. Das Alles
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0264"n="254"/>
vom Franzöſiſchen unſrer Kriegskameraden nur die<lb/>
Flüche erlernt zu haben.“</p><lb/><p>„<hirendition="#aq">Morbleu</hi>“, rief Guler hitzig, „da will ich Dir<lb/>
ein Anderes beweiſen. Ich weiß einen häßlichen Witz<lb/>
des boshaften Kobolds, den ich ganz allein verſtanden<lb/>
habe. Er höhnte, der Herzog habe ihn geſandt, uns<lb/>
an die Grenze zurückzutreiben, und ſolcherweiſe das<lb/>
Amt auszuüben, das ſein Name bedeute. Dieſer Aus¬<lb/>ſpruch ließ mir keine Ruhe. Ich ſuchte das Wörter¬<lb/>
buch hervor, welches mir mein in Paris verſtorbener<lb/>
Bruder — gewiſſermaßen ein verlorner Sohn — als<lb/>
einziges Erbſtück hinterlaſſen hat. Was heißt nun<lb/>
Lasnier, Ihr Herren? — Der Eſeltreiber. Hätte ich's<lb/>
gewußt, als er noch da war, ich hätte das Männchen<lb/>
trotz ſeines Scorpionengifts zwiſchen Daumen und Zeige¬<lb/>
finger zerrieben.“</p><lb/><p>Jenatſch, der während dieſer Rede mit zuſammen¬<lb/>
gezogenen Brauen nachgedacht hatte, wandte ſich auf<lb/>
einmal zur ganzen Geſellſchaft mit den Worten: „Haltet<lb/>
Ihr mich für zahlungsfähig? . . . Ihr wißt, ich war<lb/>
immer ein guter Haushalter. Aus meiner Kriegsbeute<lb/>
habe ich mir in Davos ein ſtattliches Haus erbaut<lb/>
und mir ringsum ſchöne Alpen erworben. Ueberdies<lb/>
liegen mir Summen bei a Marca in Venedig, welche<lb/>
der kluge Wechsler nicht müßig gehen läßt. Das Alles<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[254/0264]
vom Franzöſiſchen unſrer Kriegskameraden nur die
Flüche erlernt zu haben.“
„Morbleu“, rief Guler hitzig, „da will ich Dir
ein Anderes beweiſen. Ich weiß einen häßlichen Witz
des boshaften Kobolds, den ich ganz allein verſtanden
habe. Er höhnte, der Herzog habe ihn geſandt, uns
an die Grenze zurückzutreiben, und ſolcherweiſe das
Amt auszuüben, das ſein Name bedeute. Dieſer Aus¬
ſpruch ließ mir keine Ruhe. Ich ſuchte das Wörter¬
buch hervor, welches mir mein in Paris verſtorbener
Bruder — gewiſſermaßen ein verlorner Sohn — als
einziges Erbſtück hinterlaſſen hat. Was heißt nun
Lasnier, Ihr Herren? — Der Eſeltreiber. Hätte ich's
gewußt, als er noch da war, ich hätte das Männchen
trotz ſeines Scorpionengifts zwiſchen Daumen und Zeige¬
finger zerrieben.“
Jenatſch, der während dieſer Rede mit zuſammen¬
gezogenen Brauen nachgedacht hatte, wandte ſich auf
einmal zur ganzen Geſellſchaft mit den Worten: „Haltet
Ihr mich für zahlungsfähig? . . . Ihr wißt, ich war
immer ein guter Haushalter. Aus meiner Kriegsbeute
habe ich mir in Davos ein ſtattliches Haus erbaut
und mir ringsum ſchöne Alpen erworben. Ueberdies
liegen mir Summen bei a Marca in Venedig, welche
der kluge Wechsler nicht müßig gehen läßt. Das Alles
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/264>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.