Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

bleibe einstweilen in Mailand, daß Ihr außer dem hohen
Herrn von niemand erblickt werdet. Könnet Ihr Euch
daheim nicht frei machen, was ein Unglück wäre, so
schickt eine Vollmacht, aber nur durch einen Mann, dem
Ihr traut wie Euch selbst, wenn Ihr einen solchen kennt.

Vergebt meinen Vorwitz und säumt nicht!

Der für meines Herrn Obersten zeitliches und
ewiges Heil täglich betende

Pater Pancraz.

Das Schreiben des Kapuziners, dessen menschen¬
erfahrene Klugheit und schlaue Vorsicht der Oberst zu
gut kannte, um sich über das Gewicht und den Ernst
dieser Mittheilung zu täuschen, deckte ihm in blitzartiger
Beleuchtung die Windungen eines halsbrechenden Pfades
auf. Vielleicht hatte in schlimmen entmuthigten Stun¬
den sein Blick schon früher sich zuweilen dahin verirrt,
aber immer hatte er ihn mit einem Gefühl der Ver¬
achtung seiner selbst erschrocken und ekelnd wieder davon
abgewandt. Dieser Weg der Gefahr und Schande war
das Bündniß mit Spanien. Jene Macht, die er von
Kindheit an mit der ganzen Kraft seines jungen Her¬
zens gehaßt, die er dann in vermessenem Jugendmuthe
mit fast wahnsinniger, vor keinem Greuel zurückbeben¬
der Leidenschaft bekämpft, welcher er sein ganzes Leben

18*

bleibe einſtweilen in Mailand, daß Ihr außer dem hohen
Herrn von niemand erblickt werdet. Könnet Ihr Euch
daheim nicht frei machen, was ein Unglück wäre, ſo
ſchickt eine Vollmacht, aber nur durch einen Mann, dem
Ihr traut wie Euch ſelbſt, wenn Ihr einen ſolchen kennt.

Vergebt meinen Vorwitz und ſäumt nicht!

Der für meines Herrn Oberſten zeitliches und
ewiges Heil täglich betende

Pater Pancraz.

Das Schreiben des Kapuziners, deſſen menſchen¬
erfahrene Klugheit und ſchlaue Vorſicht der Oberſt zu
gut kannte, um ſich über das Gewicht und den Ernſt
dieſer Mittheilung zu täuſchen, deckte ihm in blitzartiger
Beleuchtung die Windungen eines halsbrechenden Pfades
auf. Vielleicht hatte in ſchlimmen entmuthigten Stun¬
den ſein Blick ſchon früher ſich zuweilen dahin verirrt,
aber immer hatte er ihn mit einem Gefühl der Ver¬
achtung ſeiner ſelbſt erſchrocken und ekelnd wieder davon
abgewandt. Dieſer Weg der Gefahr und Schande war
das Bündniß mit Spanien. Jene Macht, die er von
Kindheit an mit der ganzen Kraft ſeines jungen Her¬
zens gehaßt, die er dann in vermeſſenem Jugendmuthe
mit faſt wahnſinniger, vor keinem Greuel zurückbeben¬
der Leidenſchaft bekämpft, welcher er ſein ganzes Leben

18*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <floatingText>
            <body>
              <div type="letter">
                <p><pb facs="#f0285" n="275"/>
bleibe ein&#x017F;tweilen in Mailand, daß Ihr außer dem hohen<lb/>
Herrn von niemand erblickt werdet. Könnet Ihr Euch<lb/>
daheim nicht frei machen, was ein Unglück wäre, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chickt eine Vollmacht, aber nur durch einen Mann, dem<lb/>
Ihr traut wie Euch &#x017F;elb&#x017F;t, wenn Ihr einen &#x017F;olchen kennt.</p><lb/>
                <p>Vergebt meinen Vorwitz und &#x017F;äumt nicht!</p><lb/>
                <p>Der für meines Herrn Ober&#x017F;ten zeitliches und<lb/>
ewiges Heil täglich betende</p><lb/>
                <closer>
                  <salute> <hi rendition="#right">Pater Pancraz.</hi> </salute>
                </closer><lb/>
              </div>
            </body>
          </floatingText>
          <p>Das Schreiben des Kapuziners, de&#x017F;&#x017F;en men&#x017F;chen¬<lb/>
erfahrene Klugheit und &#x017F;chlaue Vor&#x017F;icht der Ober&#x017F;t zu<lb/>
gut kannte, um &#x017F;ich über das Gewicht und den Ern&#x017F;t<lb/>
die&#x017F;er Mittheilung zu täu&#x017F;chen, deckte ihm in blitzartiger<lb/>
Beleuchtung die Windungen eines halsbrechenden Pfades<lb/>
auf. Vielleicht hatte in &#x017F;chlimmen entmuthigten Stun¬<lb/>
den &#x017F;ein Blick &#x017F;chon früher &#x017F;ich zuweilen dahin verirrt,<lb/>
aber immer hatte er ihn mit einem Gefühl der Ver¬<lb/>
achtung &#x017F;einer &#x017F;elb&#x017F;t er&#x017F;chrocken und ekelnd wieder davon<lb/>
abgewandt. Die&#x017F;er Weg der Gefahr und Schande war<lb/>
das Bündniß mit Spanien. Jene Macht, die er von<lb/>
Kindheit an mit der ganzen Kraft &#x017F;eines jungen Her¬<lb/>
zens gehaßt, die er dann in verme&#x017F;&#x017F;enem Jugendmuthe<lb/>
mit fa&#x017F;t wahn&#x017F;inniger, vor keinem Greuel zurückbeben¬<lb/>
der Leiden&#x017F;chaft bekämpft, welcher er &#x017F;ein ganzes Leben<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">18*<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[275/0285] bleibe einſtweilen in Mailand, daß Ihr außer dem hohen Herrn von niemand erblickt werdet. Könnet Ihr Euch daheim nicht frei machen, was ein Unglück wäre, ſo ſchickt eine Vollmacht, aber nur durch einen Mann, dem Ihr traut wie Euch ſelbſt, wenn Ihr einen ſolchen kennt. Vergebt meinen Vorwitz und ſäumt nicht! Der für meines Herrn Oberſten zeitliches und ewiges Heil täglich betende Pater Pancraz. Das Schreiben des Kapuziners, deſſen menſchen¬ erfahrene Klugheit und ſchlaue Vorſicht der Oberſt zu gut kannte, um ſich über das Gewicht und den Ernſt dieſer Mittheilung zu täuſchen, deckte ihm in blitzartiger Beleuchtung die Windungen eines halsbrechenden Pfades auf. Vielleicht hatte in ſchlimmen entmuthigten Stun¬ den ſein Blick ſchon früher ſich zuweilen dahin verirrt, aber immer hatte er ihn mit einem Gefühl der Ver¬ achtung ſeiner ſelbſt erſchrocken und ekelnd wieder davon abgewandt. Dieſer Weg der Gefahr und Schande war das Bündniß mit Spanien. Jene Macht, die er von Kindheit an mit der ganzen Kraft ſeines jungen Her¬ zens gehaßt, die er dann in vermeſſenem Jugendmuthe mit faſt wahnſinniger, vor keinem Greuel zurückbeben¬ der Leidenſchaft bekämpft, welcher er ſein ganzes Leben 18*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/285
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/285>, abgerufen am 22.11.2024.