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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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sich mit starren blassen Zügen dem Herzog, der stolz
und fragend vor ihm stand. Seine Stimme klang
ruhig und seltsam kalt, als er zu reden anhob:

"Erlauchter Herr, Ihr seid in unserer Gewalt.
Unser Aufstand ist Gegenwehr und gilt nicht Euch,
sondern der Krone Frankreich. Was Euch dunkel blieb,
ist uns klar geworden: Der Kardinal will den von
Euch mit uns vereinbarten Vertrag nicht unterzeichnen.
Er will uns festhalten und im Tauschhandel des in
Aussicht stehenden allgemeinen Friedensschlusses als
französische Waare verschachern. Das Pfand Eurer
reinen Ehre, das er uns in die Hände gab, würde er
leicht verscherzen. So hat uns der König von Frank¬
reich und sein Kardinal dazu getrieben, bei unserm
Erbfeinde billigere Hilfe zu suchen, die uns auch ge¬
währt wurde. Gott weiß, was es uns gekostet hat,
unsere Freiheit unter Spaniens Schild zu stellen. --

Was wir von Euch verlangen und warum Ihr
es uns gewähren werdet, das kann ich Euch mit wenigen
Worten darlegen. Vor Eurer Rheinschanze strömt
Bündens ganzer Landsturm zusammen. Die Regimenter
rücken in Chur ein. Ich habe sie ihres Gehorsams
gegen Euch entbunden und den Eid ihrer Treue den
Häuptern unserer drei Bünde schwören lassen. Die
Oesterreicher stehen am Luziensteig, die Spanier bei

ſich mit ſtarren blaſſen Zügen dem Herzog, der ſtolz
und fragend vor ihm ſtand. Seine Stimme klang
ruhig und ſeltſam kalt, als er zu reden anhob:

„Erlauchter Herr, Ihr ſeid in unſerer Gewalt.
Unſer Aufſtand iſt Gegenwehr und gilt nicht Euch‚
ſondern der Krone Frankreich. Was Euch dunkel blieb,
iſt uns klar geworden: Der Kardinal will den von
Euch mit uns vereinbarten Vertrag nicht unterzeichnen.
Er will uns feſthalten und im Tauſchhandel des in
Ausſicht ſtehenden allgemeinen Friedensſchluſſes als
franzöſiſche Waare verſchachern. Das Pfand Eurer
reinen Ehre, das er uns in die Hände gab, würde er
leicht verſcherzen. So hat uns der König von Frank¬
reich und ſein Kardinal dazu getrieben, bei unſerm
Erbfeinde billigere Hilfe zu ſuchen, die uns auch ge¬
währt wurde. Gott weiß, was es uns gekoſtet hat,
unſere Freiheit unter Spaniens Schild zu ſtellen. —

Was wir von Euch verlangen und warum Ihr
es uns gewähren werdet, das kann ich Euch mit wenigen
Worten darlegen. Vor Eurer Rheinſchanze ſtrömt
Bündens ganzer Landſturm zuſammen. Die Regimenter
rücken in Chur ein. Ich habe ſie ihres Gehorſams
gegen Euch entbunden und den Eid ihrer Treue den
Häuptern unſerer drei Bünde ſchwören laſſen. Die
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[317/0327] ſich mit ſtarren blaſſen Zügen dem Herzog, der ſtolz und fragend vor ihm ſtand. Seine Stimme klang ruhig und ſeltſam kalt, als er zu reden anhob: „Erlauchter Herr, Ihr ſeid in unſerer Gewalt. Unſer Aufſtand iſt Gegenwehr und gilt nicht Euch‚ ſondern der Krone Frankreich. Was Euch dunkel blieb, iſt uns klar geworden: Der Kardinal will den von Euch mit uns vereinbarten Vertrag nicht unterzeichnen. Er will uns feſthalten und im Tauſchhandel des in Ausſicht ſtehenden allgemeinen Friedensſchluſſes als franzöſiſche Waare verſchachern. Das Pfand Eurer reinen Ehre, das er uns in die Hände gab, würde er leicht verſcherzen. So hat uns der König von Frank¬ reich und ſein Kardinal dazu getrieben, bei unſerm Erbfeinde billigere Hilfe zu ſuchen, die uns auch ge¬ währt wurde. Gott weiß, was es uns gekoſtet hat, unſere Freiheit unter Spaniens Schild zu ſtellen. — Was wir von Euch verlangen und warum Ihr es uns gewähren werdet, das kann ich Euch mit wenigen Worten darlegen. Vor Eurer Rheinſchanze ſtrömt Bündens ganzer Landſturm zuſammen. Die Regimenter rücken in Chur ein. Ich habe ſie ihres Gehorſams gegen Euch entbunden und den Eid ihrer Treue den Häuptern unſerer drei Bünde ſchwören laſſen. Die Oeſterreicher ſtehen am Luzienſteig, die Spanier bei

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/327>, abgerufen am 22.11.2024.