Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

wendung Serbellonis zu seinen Gunsten gewiß, wenn
ihm Lucretia, welcher der Gubernatore von früher her
huldvoll gewogen sei, ihre Hand reiche, und er durch
die Verbindung mit ihr das berühmte Geschlecht der
Planta zu Riedberg wieder emporbringe. Er wisse
wohl, meinte Rudolf, an welche Bedingung Lucretia
ihr Jawort knüpfe, -- an die Vollziehung ihrer Blut¬
rache an Jenatsch -- und diese Bedingung werde er
erfüllen, was ihm jetzt leichter sei als früher, da sich
die Feinde des Obersten aus den verschiedensten Grün¬
den gemehrt hätten und noch täglich sich mehrten. Zu¬
erst aber müsse dieser den Vertrag mit Spanien end¬
gültig abgeschlossen haben, denn Jenatsch allein sei es
im Stande. -- So zog er über das Gebirge.

Der Eindruck seiner Gegenwart war für Lucretia
ein häßlicher und beunruhigender gewesen. Doch achtete
sie Rudolfs Persönlichkeit zu gering, als daß seine Pläne
sie ernstlich erschreckt oder nur beschäftigt hätten. Das
Begegniß haftete nicht lange in ihrem Gemüthe, denn
ihre Seele war von andern bangen Zweifeln bewegt.

Der Wald röthete sich an den Halden und die
geleerten Fruchtbäume verstreuten leise ihre goldenen
Blätter, als in den letzten sonnigen Tagen der hart

wendung Serbellonis zu ſeinen Gunſten gewiß, wenn
ihm Lucretia, welcher der Gubernatore von früher her
huldvoll gewogen ſei, ihre Hand reiche, und er durch
die Verbindung mit ihr das berühmte Geſchlecht der
Planta zu Riedberg wieder emporbringe. Er wiſſe
wohl, meinte Rudolf, an welche Bedingung Lucretia
ihr Jawort knüpfe, — an die Vollziehung ihrer Blut¬
rache an Jenatſch — und dieſe Bedingung werde er
erfüllen, was ihm jetzt leichter ſei als früher, da ſich
die Feinde des Oberſten aus den verſchiedenſten Grün¬
den gemehrt hätten und noch täglich ſich mehrten. Zu¬
erſt aber müſſe dieſer den Vertrag mit Spanien end¬
gültig abgeſchloſſen haben, denn Jenatſch allein ſei es
im Stande. — So zog er über das Gebirge.

Der Eindruck ſeiner Gegenwart war für Lucretia
ein häßlicher und beunruhigender geweſen. Doch achtete
ſie Rudolfs Perſönlichkeit zu gering, als daß ſeine Pläne
ſie ernſtlich erſchreckt oder nur beſchäftigt hätten. Das
Begegniß haftete nicht lange in ihrem Gemüthe, denn
ihre Seele war von andern bangen Zweifeln bewegt.

Der Wald röthete ſich an den Halden und die
geleerten Fruchtbäume verſtreuten leiſe ihre goldenen
Blätter, als in den letzten ſonnigen Tagen der hart

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0367" n="357"/>
wendung Serbellonis zu &#x017F;einen Gun&#x017F;ten gewiß, wenn<lb/>
ihm Lucretia, welcher der Gubernatore von früher her<lb/>
huldvoll gewogen &#x017F;ei, ihre Hand reiche, und er durch<lb/>
die Verbindung mit ihr das berühmte Ge&#x017F;chlecht der<lb/>
Planta zu Riedberg wieder emporbringe. Er wi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
wohl, meinte Rudolf, an welche Bedingung Lucretia<lb/>
ihr Jawort knüpfe, &#x2014; an die Vollziehung ihrer Blut¬<lb/>
rache an Jenat&#x017F;ch &#x2014; und die&#x017F;e Bedingung werde er<lb/>
erfüllen, was ihm jetzt leichter &#x017F;ei als früher, da &#x017F;ich<lb/>
die Feinde des Ober&#x017F;ten aus den ver&#x017F;chieden&#x017F;ten Grün¬<lb/>
den gemehrt hätten und noch täglich &#x017F;ich mehrten. Zu¬<lb/>
er&#x017F;t aber mü&#x017F;&#x017F;e die&#x017F;er den Vertrag mit Spanien end¬<lb/>
gültig abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en haben, denn Jenat&#x017F;ch allein &#x017F;ei es<lb/>
im Stande. &#x2014; So zog er über das Gebirge.</p><lb/>
          <p>Der Eindruck &#x017F;einer Gegenwart war für Lucretia<lb/>
ein häßlicher und beunruhigender gewe&#x017F;en. Doch achtete<lb/>
&#x017F;ie Rudolfs Per&#x017F;önlichkeit zu gering, als daß &#x017F;eine Pläne<lb/>
&#x017F;ie ern&#x017F;tlich er&#x017F;chreckt oder nur be&#x017F;chäftigt hätten. Das<lb/>
Begegniß haftete nicht lange in ihrem Gemüthe, denn<lb/>
ihre Seele war von andern bangen Zweifeln bewegt.</p><lb/>
          <p>Der Wald röthete &#x017F;ich an den Halden und die<lb/>
geleerten Fruchtbäume ver&#x017F;treuten lei&#x017F;e ihre goldenen<lb/>
Blätter, als in den letzten &#x017F;onnigen Tagen der hart<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[357/0367] wendung Serbellonis zu ſeinen Gunſten gewiß, wenn ihm Lucretia, welcher der Gubernatore von früher her huldvoll gewogen ſei, ihre Hand reiche, und er durch die Verbindung mit ihr das berühmte Geſchlecht der Planta zu Riedberg wieder emporbringe. Er wiſſe wohl, meinte Rudolf, an welche Bedingung Lucretia ihr Jawort knüpfe, — an die Vollziehung ihrer Blut¬ rache an Jenatſch — und dieſe Bedingung werde er erfüllen, was ihm jetzt leichter ſei als früher, da ſich die Feinde des Oberſten aus den verſchiedenſten Grün¬ den gemehrt hätten und noch täglich ſich mehrten. Zu¬ erſt aber müſſe dieſer den Vertrag mit Spanien end¬ gültig abgeſchloſſen haben, denn Jenatſch allein ſei es im Stande. — So zog er über das Gebirge. Der Eindruck ſeiner Gegenwart war für Lucretia ein häßlicher und beunruhigender geweſen. Doch achtete ſie Rudolfs Perſönlichkeit zu gering, als daß ſeine Pläne ſie ernſtlich erſchreckt oder nur beſchäftigt hätten. Das Begegniß haftete nicht lange in ihrem Gemüthe, denn ihre Seele war von andern bangen Zweifeln bewegt. Der Wald röthete ſich an den Halden und die geleerten Fruchtbäume verſtreuten leiſe ihre goldenen Blätter, als in den letzten ſonnigen Tagen der hart

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/367
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/367>, abgerufen am 31.10.2024.