Es war ein enges, durch eine beschirmte Hänge¬ lampe erhelltes Gemach, in das er blickte. Der Redenden waren zwei und sie schienen sich an einem kleinen, mit Briefschaften und unordentlich zur Seite geschobenen Flaschen und Tellern bedeckten Tische gegenüber zu sitzen. Der Nähere wandte der Thür den Rücken zu und die breiten Schultern, der Stiernacken, der struppige Kraus¬ kopf des heftig Sprechenden füllten zuweilen den ganzen von der Spalte gewährten Sehkreis. Jetzt beugte er sich mit demonstrirender Geberde vorwärts und über seiner Achsel ward in der grellsten Schärfe des Lichtes das auf die Hand gestützte Haupt des Andern -- Waser erschrack -- des Herrn Pompejus Planta sichtbar. Wie gespannt und gramvoll sah er aus! Tief eingeschnittene Falten zogen seine buschigen Brauen zusammen über den eingefallenen aber unheimlich blitzenden Augen. Die stolze kräftige Lebenslust war geschwunden und in seinen Zügen kämpften heißer Groll und tiefer Jammer. Er schien seit heute Mittag um zehn Jahre gealtert.
"Ich willige ungern in das Blutbad, das mir manchen früher befreundeten Mann aus meiner Sippe kostet, und noch schwerer in die dann nothwendig wer¬ dende spanische Hilfe," sprach Planta jetzt langsam und gedrückt, nachdem der Andere seine sprudelnde, Waser unklar gebliebene Rede vollendet hatte, " . . . aber,"
Es war ein enges, durch eine beſchirmte Hänge¬ lampe erhelltes Gemach, in das er blickte. Der Redenden waren zwei und ſie ſchienen ſich an einem kleinen, mit Briefſchaften und unordentlich zur Seite geſchobenen Flaſchen und Tellern bedeckten Tiſche gegenüber zu ſitzen. Der Nähere wandte der Thür den Rücken zu und die breiten Schultern, der Stiernacken, der ſtruppige Kraus¬ kopf des heftig Sprechenden füllten zuweilen den ganzen von der Spalte gewährten Sehkreis. Jetzt beugte er ſich mit demonſtrirender Geberde vorwärts und über ſeiner Achſel ward in der grellſten Schärfe des Lichtes das auf die Hand geſtützte Haupt des Andern — Waſer erſchrack — des Herrn Pompejus Planta ſichtbar. Wie geſpannt und gramvoll ſah er aus! Tief eingeſchnittene Falten zogen ſeine buſchigen Brauen zuſammen über den eingefallenen aber unheimlich blitzenden Augen. Die ſtolze kräftige Lebensluſt war geſchwunden und in ſeinen Zügen kämpften heißer Groll und tiefer Jammer. Er ſchien ſeit heute Mittag um zehn Jahre gealtert.
„Ich willige ungern in das Blutbad, das mir manchen früher befreundeten Mann aus meiner Sippe koſtet, und noch ſchwerer in die dann nothwendig wer¬ dende ſpaniſche Hilfe,“ ſprach Planta jetzt langſam und gedrückt, nachdem der Andere ſeine ſprudelnde, Waſer unklar gebliebene Rede vollendet hatte, „ . . . aber,“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0049"n="39"/><p>Es war ein enges, durch eine beſchirmte Hänge¬<lb/>
lampe erhelltes Gemach, in das er blickte. Der Redenden<lb/>
waren zwei und ſie ſchienen ſich an einem kleinen, mit<lb/>
Briefſchaften und unordentlich zur Seite geſchobenen<lb/>
Flaſchen und Tellern bedeckten Tiſche gegenüber zu ſitzen.<lb/>
Der Nähere wandte der Thür den Rücken zu und die<lb/>
breiten Schultern, der Stiernacken, der ſtruppige Kraus¬<lb/>
kopf des heftig Sprechenden füllten zuweilen den ganzen<lb/>
von der Spalte gewährten Sehkreis. Jetzt beugte er<lb/>ſich mit demonſtrirender Geberde vorwärts und über<lb/>ſeiner Achſel ward in der grellſten Schärfe des Lichtes<lb/>
das auf die Hand geſtützte Haupt des Andern — Waſer<lb/>
erſchrack — des Herrn Pompejus Planta ſichtbar. Wie<lb/>
geſpannt und gramvoll ſah er aus! Tief eingeſchnittene<lb/>
Falten zogen ſeine buſchigen Brauen zuſammen über<lb/>
den eingefallenen aber unheimlich blitzenden Augen. Die<lb/>ſtolze kräftige Lebensluſt war geſchwunden und in ſeinen<lb/>
Zügen kämpften heißer Groll und tiefer Jammer. Er<lb/>ſchien ſeit heute Mittag um zehn Jahre gealtert.</p><lb/><p>„Ich willige ungern in das Blutbad, das mir<lb/>
manchen früher befreundeten Mann aus meiner Sippe<lb/>
koſtet, und noch ſchwerer in die dann nothwendig wer¬<lb/>
dende ſpaniſche Hilfe,“ſprach Planta jetzt langſam und<lb/>
gedrückt, nachdem der Andere ſeine ſprudelnde, Waſer<lb/>
unklar gebliebene Rede vollendet hatte, „ . . . aber,“<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[39/0049]
Es war ein enges, durch eine beſchirmte Hänge¬
lampe erhelltes Gemach, in das er blickte. Der Redenden
waren zwei und ſie ſchienen ſich an einem kleinen, mit
Briefſchaften und unordentlich zur Seite geſchobenen
Flaſchen und Tellern bedeckten Tiſche gegenüber zu ſitzen.
Der Nähere wandte der Thür den Rücken zu und die
breiten Schultern, der Stiernacken, der ſtruppige Kraus¬
kopf des heftig Sprechenden füllten zuweilen den ganzen
von der Spalte gewährten Sehkreis. Jetzt beugte er
ſich mit demonſtrirender Geberde vorwärts und über
ſeiner Achſel ward in der grellſten Schärfe des Lichtes
das auf die Hand geſtützte Haupt des Andern — Waſer
erſchrack — des Herrn Pompejus Planta ſichtbar. Wie
geſpannt und gramvoll ſah er aus! Tief eingeſchnittene
Falten zogen ſeine buſchigen Brauen zuſammen über
den eingefallenen aber unheimlich blitzenden Augen. Die
ſtolze kräftige Lebensluſt war geſchwunden und in ſeinen
Zügen kämpften heißer Groll und tiefer Jammer. Er
ſchien ſeit heute Mittag um zehn Jahre gealtert.
„Ich willige ungern in das Blutbad, das mir
manchen früher befreundeten Mann aus meiner Sippe
koſtet, und noch ſchwerer in die dann nothwendig wer¬
dende ſpaniſche Hilfe,“ ſprach Planta jetzt langſam und
gedrückt, nachdem der Andere ſeine ſprudelnde, Waſer
unklar gebliebene Rede vollendet hatte, „ . . . aber,“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/49>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.