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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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"Laß mich, Jürg," sagte er, leicht erbleichend, "ich
will Dir etwas zeigen!" Er zog sein Taschenbuch her¬
vor, schlug das Blatt mit der Skizze der Juliersäulen
auf und legte es vor Jenatsch auf den Tisch. Dann
holte er sein weißes Schnupftuch heraus und wischte
sich behutsam das Blut ab, während der Bündner das
Büchlein hastig ergriff. Sein erster Blick auf die
Zeichnung traf die von Lucretia zwischen die Julier¬
säulen geschriebenen Worte und er versank plötzlich in
finsteres Nachdenken.

Waser, der ihn schweigend beobachtete, erschrack
innerlich über den Eindruck, den Lucretias von ihm
wider Willen übernommene und bestellte Botschaft auf
Jürg Jenatsch machte. Er hatte nicht ahnen können,
wie rasch der Scharfsinn des Volksführers den Zusam¬
menhang der Thatsachen errieth und wie sicher und
unerbittlich er sie verkettete. Trauer und Zorn, weiche
Erinnerungen und harte Entschlüsse schienen über den
halb Abgewandten wechselnd Gewalt zu gewinnen.
"Arme Lucretia!" hörte Waser ihn aus tiefster Seele
seufzen, dann wurde sein Ausdruck immer räthselhafter,
verschlossener, und härtete sich zur Undurchdringlichkeit.
-- "Sie waren auf dem Julier . . . ihr Vater ist also
in Bünden . . . Pompejus Planta, du bist zum Spie߬
gesellen eines Robustell herabgesunken!" . . . sprach er

„Laß mich, Jürg,“ ſagte er, leicht erbleichend, „ich
will Dir etwas zeigen!“ Er zog ſein Taſchenbuch her¬
vor, ſchlug das Blatt mit der Skizze der Julierſäulen
auf und legte es vor Jenatſch auf den Tiſch. Dann
holte er ſein weißes Schnupftuch heraus und wiſchte
ſich behutſam das Blut ab, während der Bündner das
Büchlein haſtig ergriff. Sein erſter Blick auf die
Zeichnung traf die von Lucretia zwiſchen die Julier¬
ſäulen geſchriebenen Worte und er verſank plötzlich in
finſteres Nachdenken.

Waſer, der ihn ſchweigend beobachtete, erſchrack
innerlich über den Eindruck, den Lucretias von ihm
wider Willen übernommene und beſtellte Botſchaft auf
Jürg Jenatſch machte. Er hatte nicht ahnen können,
wie raſch der Scharfſinn des Volksführers den Zuſam¬
menhang der Thatſachen errieth und wie ſicher und
unerbittlich er ſie verkettete. Trauer und Zorn, weiche
Erinnerungen und harte Entſchlüſſe ſchienen über den
halb Abgewandten wechſelnd Gewalt zu gewinnen.
„Arme Lucretia!“ hörte Waſer ihn aus tiefſter Seele
ſeufzen, dann wurde ſein Ausdruck immer räthſelhafter,
verſchloſſener, und härtete ſich zur Undurchdringlichkeit.
— „Sie waren auf dem Julier . . . ihr Vater iſt alſo
in Bünden . . . Pompejus Planta, du biſt zum Spie߬
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[64/0074] „Laß mich, Jürg,“ ſagte er, leicht erbleichend, „ich will Dir etwas zeigen!“ Er zog ſein Taſchenbuch her¬ vor, ſchlug das Blatt mit der Skizze der Julierſäulen auf und legte es vor Jenatſch auf den Tiſch. Dann holte er ſein weißes Schnupftuch heraus und wiſchte ſich behutſam das Blut ab, während der Bündner das Büchlein haſtig ergriff. Sein erſter Blick auf die Zeichnung traf die von Lucretia zwiſchen die Julier¬ ſäulen geſchriebenen Worte und er verſank plötzlich in finſteres Nachdenken. Waſer, der ihn ſchweigend beobachtete, erſchrack innerlich über den Eindruck, den Lucretias von ihm wider Willen übernommene und beſtellte Botſchaft auf Jürg Jenatſch machte. Er hatte nicht ahnen können, wie raſch der Scharfſinn des Volksführers den Zuſam¬ menhang der Thatſachen errieth und wie ſicher und unerbittlich er ſie verkettete. Trauer und Zorn, weiche Erinnerungen und harte Entſchlüſſe ſchienen über den halb Abgewandten wechſelnd Gewalt zu gewinnen. „Arme Lucretia!“ hörte Waſer ihn aus tiefſter Seele ſeufzen, dann wurde ſein Ausdruck immer räthſelhafter, verſchloſſener, und härtete ſich zur Undurchdringlichkeit. — „Sie waren auf dem Julier . . . ihr Vater iſt alſo in Bünden . . . Pompejus Planta, du biſt zum Spie߬ geſellen eines Robuſtell herabgeſunken!“ . . . ſprach er

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/74>, abgerufen am 21.11.2024.