Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Leonhardt: Theatrum Historicvm [...] Erzehlung der fürnemsten und nuzlichsten Historien und Geschichten. Schaffhausen, 1665.

Bild:
<< vorherige Seite

augenblik/ da ich mir fürnam dahin zu ziehen/ gestorben. Da trösteten sie ihn wieder/ und hielten ihm vor Christi Verdienst und Wolthaten. Da sagte er: Ich habe niemals Christi Wolthaten recht erkennet/ sondern mißbrauchet/ und zu viel auff meinen Flüchtigen Glauben getrauet. Wandte sich dar auff zu den Studenten/ und sprach: Oliebe Söhne/ ich wil zwar dem Evangelio nichts benehmen / ich erkenne zwar/ daß es die Warheit ist: aber hütet euch/ daß ihr nicht zu viel auff den Glauben trauet/ und euch auch nicht darneben guter Werkebefleissiget. Denn das erfordert der Glaube von uns/ daß wir nicht allein Maul Christen sein. Glaubet mir/ als der es versuchet: Darnach lobet er die Episteln Petri/ welche die Gläubigen zur Gottes furcht/ Keuschheit und Heiligkeit vermahneten. Daher namen die Vmbständer Gelegenheit / viel aus Gottes Wort mit ihm zu reden. Vnd weil sie sahen/ daß er fleissig zuhörete / fragten sie jhn/ ob er denn gar keinen Trost auß ihren Gespräch empfinde. Er antwortet: Ich/ ich bin zur ewigen Qual verdammet/ und ist keine Hoffnung einer Erlösung. O wenn ich nur die geringste Hoffnung auff Gottes Barmherzigkeit sezen könte/ so solte mir nicht schwer sein viel tausent Jahr (wenn nur die geringste Hoffnung der Erlösung were) gequelet zu werden. Darauff sagte Doctor Gribaldus: Ej lieber Franciscus, verzweiffele nur nicht an Gottes Barmherzigkeit: villeicht wil dich Gott hier seinen Zorn fühlen lassen/ damit Er dir dort Barmherzigkeit erzeige. Spiera sprach: Ich weiß gewiß/ daß ich verdampt bin. Gribaldus fraget ferner/ weil er den Todt so wünschete/ ob er ihm auch selber/ wenn er ein Messer haben köndte/ ein Leib thun wolte. Franciscus antwortet: Gib her ein Messer / sosoltu sehen/ was ich thun wil. Der Bischoff Vergerius bemühete sich sehr/ aber vergeblich ihn zu trösten/ und konte ihn schwerlich darzu bringen/ daß er das Vaterunser betete/ geschach aber nicht mit solcher andacht/ alswie zuvor/ sondern bekante/ sein Herz were ganz von Gott abgewandt/ daß er ihn nicht Vater nennen könte/ und ermanete alle Vmbständer/ sie solten sich nur weiter nicht bemühen/ ihn zu trösten/ es were doch vergebens. Denn alle Hoffnung Gottes Gnade zu erlangen/ were ihm ganz abgeschnitten/ daß es möglicher were/ die ganze Welt mit einem Weizkörnlin zu erfüllen / als daß ihm wahrer Glaube und Gottes Gnade solte geschenket sejn. Durch dise Wort sind die Vmb-

augenblik/ da ich mir fürnam dahin zu ziehen/ gestorben. Da trösteten sie ihn wieder/ und hielten ihm vor Christi Verdienst und Wolthaten. Da sagte er: Ich habe niemals Christi Wolthaten recht erkennet/ sondern mißbrauchet/ und zu viel auff meinen Flüchtigen Glauben getrauet. Wandte sich dar auff zu den Studenten/ und sprach: Oliebe Söhne/ ich wil zwar dem Evangelio nichts benehmen / ich erkenne zwar/ daß es die Warheit ist: aber hütet euch/ daß ihr nicht zu viel auff den Glauben trauet/ und euch auch nicht darneben guter Werkebefleissiget. Deñ das erfordert der Glaube von uns/ daß wir nicht allein Maul Christen sein. Glaubet mir/ als der es versuchet: Darnach lobet er die Episteln Petri/ welche die Gläubigen zur Gottes furcht/ Keuschheit und Heiligkeit vermahneten. Daher namen die Vmbständer Gelegenheit / viel aus Gottes Wort mit ihm zu reden. Vnd weil sie sahen/ daß er fleissig zuhörete / fragten sie jhn/ ob er denn gar keinen Trost auß ihren Gespräch empfinde. Er antwortet: Ich/ ich bin zur ewigen Qual verdammet/ und ist keine Hoffnung einer Erlösung. O wenn ich nur die geringste Hoffnung auff Gottes Barmherzigkeit sezen könte/ so solte mir nicht schwer sein viel tausent Jahr (wenn nur die geringste Hoffnung der Erlösung were) gequelet zu werden. Darauff sagte Doctor Gribaldus: Ej lieber Franciscus, verzweiffele nur nicht an Gottes Barmherzigkeit: villeicht wil dich Gott hier seinen Zorn fühlen lassen/ damit Er dir dort Barmherzigkeit erzeige. Spiera sprach: Ich weiß gewiß/ daß ich verdampt bin. Gribaldus fraget ferner/ weil er den Todt so wünschete/ ob er ihm auch selber/ wenn er ein Messer haben köndte/ ein Leib thun wolte. Franciscus antwortet: Gib her ein Messer / sosoltu sehen/ was ich thun wil. Der Bischoff Vergerius bemühete sich sehr/ aber vergeblich ihn zu trösten/ und konte ihn schwerlich darzu bringen/ daß er das Vaterunser betete/ geschach aber nicht mit solcher andacht/ alswie zuvor/ sondern bekante/ sein Herz were ganz von Gott abgewandt/ daß er ihn nicht Vater neñen könte/ und ermanete alle Vmbständer/ sie solten sich nur weiter nicht bemühen/ ihn zu trösten/ es were doch vergebens. Denn alle Hoffnung Gottes Gnade zu erlangen/ were ihm ganz abgeschnitten/ daß es möglicher were/ die ganze Welt mit einem Weizkörnlin zu erfüllen / als daß ihm wahrer Glaube und Gottes Gnade solte geschenket sejn. Durch dise Wort sind die Vmb-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0319" n="289"/>
augenblik/ da ich mir fürnam dahin zu            ziehen/ gestorben. Da trösteten sie ihn wieder/ und hielten ihm vor Christi Verdienst            und Wolthaten. Da sagte er: Ich habe niemals Christi Wolthaten recht erkennet/ sondern            mißbrauchet/ und zu viel auff meinen Flüchtigen Glauben getrauet. Wandte sich dar auff zu            den Studenten/ und sprach: Oliebe Söhne/ ich wil zwar dem Evangelio nichts benehmen /            ich erkenne zwar/ daß es die Warheit ist: aber hütet euch/ daß ihr nicht zu viel auff            den Glauben trauet/ und euch auch nicht darneben guter Werkebefleissiget. Den&#x0303; das            erfordert der Glaube von uns/ daß wir nicht allein Maul Christen sein. Glaubet mir/ als            der es versuchet: Darnach lobet er die Episteln Petri/ welche die Gläubigen zur Gottes            furcht/ Keuschheit und Heiligkeit vermahneten. Daher namen die Vmbständer Gelegenheit /            viel aus Gottes Wort mit ihm zu reden. Vnd weil sie sahen/ daß er fleissig zuhörete /            fragten sie jhn/ ob er denn gar keinen Trost auß ihren Gespräch empfinde. Er antwortet:            Ich/ ich bin zur ewigen Qual verdammet/ und ist keine Hoffnung einer Erlösung. O wenn            ich nur die geringste Hoffnung auff Gottes Barmherzigkeit sezen könte/ so solte mir nicht            schwer sein viel tausent Jahr (wenn nur die geringste Hoffnung der Erlösung were) gequelet            zu werden. Darauff sagte Doctor Gribaldus: Ej lieber Franciscus, verzweiffele nur nicht an            Gottes Barmherzigkeit: villeicht wil dich Gott hier seinen Zorn fühlen lassen/ damit Er            dir dort Barmherzigkeit erzeige. Spiera sprach: Ich weiß gewiß/ daß ich verdampt bin.            Gribaldus fraget ferner/ weil er den Todt so wünschete/ ob er ihm auch selber/ wenn er            ein Messer haben köndte/ ein Leib thun wolte. Franciscus antwortet: Gib her ein Messer /            sosoltu sehen/ was ich thun wil. Der Bischoff Vergerius bemühete sich sehr/ aber            vergeblich ihn zu trösten/ und konte ihn schwerlich darzu bringen/ daß er das Vaterunser            betete/ geschach aber nicht mit solcher andacht/ alswie zuvor/ sondern bekante/ sein            Herz were ganz von Gott abgewandt/ daß er ihn nicht Vater nen&#x0303;en könte/ und            ermanete alle Vmbständer/ sie solten sich nur weiter nicht bemühen/ ihn zu trösten/ es            were doch vergebens. Denn alle Hoffnung Gottes Gnade zu erlangen/ were ihm ganz            abgeschnitten/ daß es möglicher were/ die ganze Welt mit einem Weizkörnlin zu erfüllen /            als daß ihm wahrer Glaube und Gottes Gnade solte geschenket sejn. Durch dise Wort sind die            Vmb-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[289/0319] augenblik/ da ich mir fürnam dahin zu ziehen/ gestorben. Da trösteten sie ihn wieder/ und hielten ihm vor Christi Verdienst und Wolthaten. Da sagte er: Ich habe niemals Christi Wolthaten recht erkennet/ sondern mißbrauchet/ und zu viel auff meinen Flüchtigen Glauben getrauet. Wandte sich dar auff zu den Studenten/ und sprach: Oliebe Söhne/ ich wil zwar dem Evangelio nichts benehmen / ich erkenne zwar/ daß es die Warheit ist: aber hütet euch/ daß ihr nicht zu viel auff den Glauben trauet/ und euch auch nicht darneben guter Werkebefleissiget. Deñ das erfordert der Glaube von uns/ daß wir nicht allein Maul Christen sein. Glaubet mir/ als der es versuchet: Darnach lobet er die Episteln Petri/ welche die Gläubigen zur Gottes furcht/ Keuschheit und Heiligkeit vermahneten. Daher namen die Vmbständer Gelegenheit / viel aus Gottes Wort mit ihm zu reden. Vnd weil sie sahen/ daß er fleissig zuhörete / fragten sie jhn/ ob er denn gar keinen Trost auß ihren Gespräch empfinde. Er antwortet: Ich/ ich bin zur ewigen Qual verdammet/ und ist keine Hoffnung einer Erlösung. O wenn ich nur die geringste Hoffnung auff Gottes Barmherzigkeit sezen könte/ so solte mir nicht schwer sein viel tausent Jahr (wenn nur die geringste Hoffnung der Erlösung were) gequelet zu werden. Darauff sagte Doctor Gribaldus: Ej lieber Franciscus, verzweiffele nur nicht an Gottes Barmherzigkeit: villeicht wil dich Gott hier seinen Zorn fühlen lassen/ damit Er dir dort Barmherzigkeit erzeige. Spiera sprach: Ich weiß gewiß/ daß ich verdampt bin. Gribaldus fraget ferner/ weil er den Todt so wünschete/ ob er ihm auch selber/ wenn er ein Messer haben köndte/ ein Leib thun wolte. Franciscus antwortet: Gib her ein Messer / sosoltu sehen/ was ich thun wil. Der Bischoff Vergerius bemühete sich sehr/ aber vergeblich ihn zu trösten/ und konte ihn schwerlich darzu bringen/ daß er das Vaterunser betete/ geschach aber nicht mit solcher andacht/ alswie zuvor/ sondern bekante/ sein Herz were ganz von Gott abgewandt/ daß er ihn nicht Vater neñen könte/ und ermanete alle Vmbständer/ sie solten sich nur weiter nicht bemühen/ ihn zu trösten/ es were doch vergebens. Denn alle Hoffnung Gottes Gnade zu erlangen/ were ihm ganz abgeschnitten/ daß es möglicher were/ die ganze Welt mit einem Weizkörnlin zu erfüllen / als daß ihm wahrer Glaube und Gottes Gnade solte geschenket sejn. Durch dise Wort sind die Vmb-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theatrum-Literatur der Frühen Neuzeit: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-11-26T12:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-11-26T12:54:31Z)
Arne Binder: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-11-26T12:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_theatrum_1665
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_theatrum_1665/319
Zitationshilfe: Meyer, Leonhardt: Theatrum Historicvm [...] Erzehlung der fürnemsten und nuzlichsten Historien und Geschichten. Schaffhausen, 1665, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_theatrum_1665/319>, abgerufen am 24.11.2024.