"Menge derselben zu groß, und der Greuel "zu schnöde, als daß ihr JEsus noch könn- "te und wollte gn[ä]dig seyn."
So listig macht es dieser arge Feind, damit er denen Seelen den Weg zur Erret- tung abschneiden, und sie in seinen Banden behalten möchte: Er sucht allemahl auf die- se doppelte Weise sein Gift in die Seelen auszuschütten. Er mahlet ihr die Last und die Menge der Sünden, die Untreue und Versäumniß der Gnade so ungeheuer groß, und so unerträglich schwer vor Augen, da- mit er ihr alle Hofnung zur Möglichkeit, Gnade zu erlangen, benehmen, und sie nö- thigen möchte, gar alle Gedanken zur Erlö- sung fahren zu lassen. Jnsonderheit, wenn ein Mensch in schweren Sünden von ihm verstricket gewesen, und bis ins Alter als ein Raub des Todes und der Hölle bis an den Rand der Ewigkeit ist fortgeschleppet wor- den. Auf der andern Seite sucht er ihr JEsum als das einige Mittel der Errettung verdächtig zu machen, sein heiliges Ver- dienst als unkräftig und unvermögend, so grosse Sünder erretten zu können, und sein Herz als zu verschlossen und unbarmherzig, um helfen zu wollen, ihr vorzustellen, und sie abzuhalten, in einem demüthigen, reuen- den und leidtragenden Herze, mit der gan- zen Last und druckenden Bürde der Sün-
den
Der groſſen und ſeligen
„Menge derſelben zu groß, und der Greuel „zu ſchnoͤde, als daß ihr JEſus noch koͤnn- „te und wollte gn[aͤ]dig ſeyn.„
So liſtig macht es dieſer arge Feind, damit er denen Seelen den Weg zur Erret- tung abſchneiden, und ſie in ſeinen Banden behalten moͤchte: Er ſucht allemahl auf die- ſe doppelte Weiſe ſein Gift in die Seelen auszuſchuͤtten. Er mahlet ihr die Laſt und die Menge der Suͤnden, die Untreue und Verſaͤumniß der Gnade ſo ungeheuer groß, und ſo unertraͤglich ſchwer vor Augen, da- mit er ihr alle Hofnung zur Moͤglichkeit, Gnade zu erlangen, benehmen, und ſie noͤ- thigen moͤchte, gar alle Gedanken zur Erloͤ- ſung fahren zu laſſen. Jnſonderheit, wenn ein Menſch in ſchweren Suͤnden von ihm verſtricket geweſen, und bis ins Alter als ein Raub des Todes und der Hoͤlle bis an den Rand der Ewigkeit iſt fortgeſchleppet wor- den. Auf der andern Seite ſucht er ihr JEſum als das einige Mittel der Errettung verdaͤchtig zu machen, ſein heiliges Ver- dienſt als unkraͤftig und unvermoͤgend, ſo groſſe Suͤnder erretten zu koͤnnen, und ſein Herz als zu verſchloſſen und unbarmherzig, um helfen zu wollen, ihr vorzuſtellen, und ſie abzuhalten, in einem demuͤthigen, reuen- den und leidtragenden Herze, mit der gan- zen Laſt und druckenden Buͤrde der Suͤn-
den
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Der groſſen und ſeligen
„Menge derſelben zu groß, und der Greuel
„zu ſchnoͤde, als daß ihr JEſus noch koͤnn-
„te und wollte gnaͤdig ſeyn.„
So liſtig macht es dieſer arge Feind,
damit er denen Seelen den Weg zur Erret-
tung abſchneiden, und ſie in ſeinen Banden
behalten moͤchte: Er ſucht allemahl auf die-
ſe doppelte Weiſe ſein Gift in die Seelen
auszuſchuͤtten. Er mahlet ihr die Laſt und
die Menge der Suͤnden, die Untreue und
Verſaͤumniß der Gnade ſo ungeheuer groß,
und ſo unertraͤglich ſchwer vor Augen, da-
mit er ihr alle Hofnung zur Moͤglichkeit,
Gnade zu erlangen, benehmen, und ſie noͤ-
thigen moͤchte, gar alle Gedanken zur Erloͤ-
ſung fahren zu laſſen. Jnſonderheit, wenn
ein Menſch in ſchweren Suͤnden von ihm
verſtricket geweſen, und bis ins Alter als ein
Raub des Todes und der Hoͤlle bis an den
Rand der Ewigkeit iſt fortgeſchleppet wor-
den. Auf der andern Seite ſucht er ihr
JEſum als das einige Mittel der Errettung
verdaͤchtig zu machen, ſein heiliges Ver-
dienſt als unkraͤftig und unvermoͤgend, ſo
groſſe Suͤnder erretten zu koͤnnen, und ſein
Herz als zu verſchloſſen und unbarmherzig,
um helfen zu wollen, ihr vorzuſtellen, und
ſie abzuhalten, in einem demuͤthigen, reuen-
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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/104>, abgerufen am 24.11.2024.
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